Die Lawine rollt im Fall Sion

36 Punkte werden dem FC Sion im Rechtsstreit mit den Fussball-Verbänden abgezogen. Das hat der Zentralvorstand des Schweizerischen Fussballverbandes SFV am Freitagmittag bekanntgegeben.

Es wird eng für den FC Sion und seinen Präsidenten Christian Constantin (hier im Kantonsgericht am 27. September). (Bild: Keystone)

36 Punkte werden dem FC Sion im Rechtsstreit mit den Fussball-Verbänden abgezogen. Das hat der Zentralvorstand des Schweizerischen Fussballverbandes (SFV) beschlossen.

Der FC Sion wird seit Freitagmittag mit minus 5 Punkten in der Tabelle der Super League geführt. Der Zentralvorstand des SFV hat den Wallisern für zwölf Spiele – neben zehn Meisterschaftspartien auch für zwei Cup-Spiele – jeweils drei Punkte abgezogen. Es sind jene Partien, in denen einer oder mehrere der sechs Profis eingesetzt wurden, um deren Spielberechtigung seit Monaten vor Zivilgerichten und durch die Rechtsinstanzen der Verbände gestritten wird.

In einer Mitteilung des SFV heisst es, man sei mit diesem Urteil der Aufforderung des Weltfussballverbandes Fifa nachgekommen. Der hatte Drei-Punkte-Abzüge oder Forfaitniederlagen gegen den FC Sion verlangt und mit einer automatischen Suspension des Schweizer Verbandes ab dem 14. Januar 2012 gedroht. In diesem Fall hätte der FC Basel nicht seine Champions-League-Achtelfinals gegen Bayern München spielen können oder die Schweizer Nationalmannschaft ihr Länderspiel in Bern gegen Argentinien.

Die Fifa nahm die Entscheidung am Freitag zur Kenntnis und will sie Anfang Januar ihrem Dringlichkeitskomitee vorlegen.

Einspruch vor dem CAS möglich

«Mit diesem Punktabzug wird nicht der Einsatz allenfalls nicht spielberechtigter Spieler geahndet», heisst es nun im SFV-Communiqué, und weiter, noch sperriger: «sondern das rechtsmissbräuchliche sowie rechts-, statuten- und reglementswidrige Verhalten des FC Sion bzw. die unrechtmässige Umgehung der Fifa-Transfersperre durch den Club.» Der Entscheid des SFV-Zentralvorstandes ist endgültig, verbandsintern gibt es keine Rekursmöglichkeiten. Vor dem Internationalen Gerichtshof (CAS) in Lausanne kann der Spruch jedoch angefochten werden.

In der Super League stürzt der FC Sion nach diesem Urteil auf den letzten Platz ab. 31 Punkte hat er geholt, 36 werden ihm abgezogen – macht minus 5 und damit 16 Zähler Rückstand auf Lausanne-Sport auf Platz 9, der immerhin zur Teilnahme an den Barragespielen am Saisonende berechtigt.

Den anderen jeweils beteiligten Mannschaften in den betreffenden Spielen werden keine Punkte zugesprochen und das Torverhältnis bleibt unverändert. Im Schweizer Cup bleibt der FC Sion dabei (Viertelfinal am 21. März beim FC Biel), obwohl in den ersten beiden von bisher drei Runden betroffene Spieler zum Einsatz gekommen waren.

Noch bevor der SFV am Freitag offiziell informierte, war auf der Website des Verbandes bereits eine im Fall Sion entsprechend korrigierte Tabellenfassung aufgeschaltet. Darin nicht festgehalten sind die vier Punkte Abzug, die Xamax Neuenburg von der Swiss Football League (SFL) am 14. Dezember für Lizenzvergehen aufgebrummt bekommen hat.

Ausschluss kam nicht in Frage

Bei der Medienkonferenz sagte SFV-Sprecher Marco von Ah: «Wir wollten den FC Sion dafür bestrafen, dass der Club sich wiederholt nicht an Reglemente gehalten hat. Darum steht die Strafe für Sion im Vordergrund und nicht, dass noch andere Clubs davon profitieren können.» Ein Ausschluss der Walliser wäre auf Grundlage der Statuten möglich gewesen, wurde vom Zentralvorstand aber nicht in Erwägung gezogen.

Gegenüber «20 Minuten» sagte von Ah: «Wir wollten das nicht. Wir wollten den FC Sion weiter stützen und unterstützen – auch schützen so gut es geht.» Deshalb habe es der SFV auch ein Stück weit auf die Konfrontation mit der Fifa ankommen lassen. Schon im August sei von dieser Seite mit Sanktionen gegen den Schweizer Verband gedroht worden. «Wir haben – wenn wir es in der Fussballsprache sagen wollen – dort eigentlich die Gelbe Karte riskiert für Zeitspiel», so von Ah, «aber wir wollten unseren Weg gehen auf unseren Instanzen.»

Constantins unendliche Fantasie

Die massive Sanktion durch den SFV wird, dazu muss man kein Prophet sein, eine ebenso heftige Reaktion des FC Sion und seines Präsidenten Christian Constantin auslösen. Erst am Donnerstag reichte ein Anwalt im Namen des FC Sion Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Zürich ein. Die Fifa wird darin der Nötigung bezichtigt. Ausserdem forderten die Walliser den SFV in einem Schreiben auf, gegen die angedrohte Suspension durch den Weltverband zu rekurrieren.

Es sind dies weiterere Nebenstränge in der unendlich scheinenden Fantasie von Christian Constantin, sich gegen die Verbände aufzulehnen. Die wiederum berufen sich darauf, dass der FC Sion respektive das im Sommer verpflichteten Sextett – Stefan Glarner, Pascal Feindouno, José Julio Gomes Gonçalves, Billy Ketkeophomphone, Mario Mutsch und Gabriel Garcia de la Tore – mit ihrem Gang vor Zivilgerichte die Statuten des Sportverbandes verletzt hätten.

Die grosse Sorge und Furcht, die sich dahinter verbirgt: Kommen der FC Sion, die Spieler und Constantin in diesem Streit mit ihrer Sicht der Dinge durch, könnte die gesamte, autonome Rechtssprechung der Sportverbände weltweit aus den Angeln gehoben werden. Auch vor diesem Hintergrund muss man die Drohungen der Fifa und den Spruch des SFV sehen.  

Nun kann man darüber streiten, ob die Sanktionen gegen den FC Sion verhältnismässig sind. Der Club scheint vorderhand durch den Punktabzug zum Abstieg verurteilt, er hat andererseits in der ersten Saisonhälfte schon 20 Punkte mehr als Lausanne geholt. Die Lawine, 2008 durch einen Transfer eines Torhüters aus Ägypten zu Sion ausgelöst, rollt jedenfalls weiter.

Heuslers Genugtuung und Wunsch

In einer ersten Reaktion war Bernhard Heusler, der am 16. Januar zum neuen Präsidenten des FC Basel gewählt werden soll, aus der Basler Perspektive zufrieden mit dem Umstand, dass die Angelegenheit vor Ende des Jahres vom Tisch ist. Der Jurist weiss jedoch nur zu gut, dass der rechtliche Hickhack damit nicht beendet sein wird. Und weil nicht absehbar ist, ob und wann es zu einer definitiven Entscheidung kommt, sagt Heusler mit Blick auf die laufenden Meisterschaft: «Ich wünsche dem Schweizer Fussball, dass wir baldmöglichst eine Tabelle ohne jurisische Fragezeichen haben. Und uns wünsche ich, dass Ende Mai der FCB ohne Wenn und Aber ganz oben stehen wird.» Interpretiert könnte das heissen: am besten mit 36 oder besser noch 37 Punkten Vorsprung auf den FC Sion.

Die Unbeugsamkeit und Streitlust von Christian Constantin ist längst Legende. Der bisherige Höhepunkt war 2003, als der FC Sion nach finanziellen Unregelmässigkeiten vom SFV von der Super League in die 1. Liga zwangsrelegiert wurde. Auf zivilgerichtlichem Weg erstritt Constantin die Eingliederung in die Challenge League, wo der FC Sion mit dreimonatiger (!) Verspätung den Spielbetrieb aufnahm. In der dadurch auf 17 Clubs aufgestockten Liga holten die Walliser seinerzeit unter der Woche ihre Spiele nach.

Es würde also nicht verwundern, wenn die Abschlusstabelle dieser Saison nach dem 23. Mai nicht nur hinter Xamax und Sion unter Vorbehalt und mit Sternchen geführt werden müsste.

Die aktualisierte Tabelle der Super League

  1. FC Basel 18 11 5   2 38:17 38
  2. FC Luzern 18   9 4   5 25:15 31
  3. Young Boys 18   7 6   5 26:17 27
  4. Servette 18   7 3   8 25:29 24
  5. FC Thun 18   6 5   7 21:21 23
  6. Xamax 18   7 5   6 22:22 22*
  7. FC Zürich 18   6 3   9 26:26 21
  8. Grasshoppers 18   6 1 11 19:36 19
  9. Lausanne 18   3 2 13 16:44 11
10. F C Sion 18   9 4   5 26:17 -5**

* Xamax wurden von der SFL vier Punkte wegen Lizenzvergehen abgezogen.
** Sion wurden vom SFV 36 Punkte abgezogen.

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