Die Leiden des jungen P.

Am Dienstag hat Kwang Ryong Pak Eintracht Braunschweig abgesagt. Dem 19-jährigen Nordkoreaner in Diensten des FC Basel geht alles viel zu schnell.

Basel's Kwang Ryong Pak during the game between FC Basel and West Ham United during the Uhrencup 2011 in Grenchen, Switzerland, Wednesday, June 13, 2011. (KEYSTONE/Samuel Truempy) (Bild: SAMUEL TRUEMPY)

Das letzte Wort scheint noch nicht gesprochen zu sein, doch Kwang Ryong Pak, 19-jähriger Stürmer des FC Basel aus Nordkorea, will nun doch nicht zu Eintracht Braunschweig in die 2. Bundesliga ausgeliehen werden. Dahinter steckt die sensible Psyche eines jungen Mannes.

Es ist eine überraschende Wendung, die Kwang Ryong Pak vollzogen hat. Letzte Woche trainierte er bei Eintracht Braunschweig, spielte bei den «Löwen» gegen den FC Valencia (1:1) ordentlich mit, sorgte für Schlagzeilen und der Zweitbundesligst war guter Dinge, den jungen Nordkoreaner ausleihen zu können. Bis Montag wollten die Norddeutschen Bescheid haben von Pak, doch dann, nach einer zusätzlichen Nacht Bedenkzeit, hat Pak abgesagt.

Das letzte Wort scheint indes noch nicht gesprochen. «Wir reden noch einmal mit ihm», sagt Georg Heitz. Auch dem Sportdirektor des FC Basel ist daran gelegen, dem Stürmertalent – in der FCB-internen Hierarchie hinter Frei, Streller und Zoua die Nummer 4 – zu Spielpraxis zu verhelfen. «Wir wollen die Gründe für die Absage erfahren, vorher machen wir dieses Buch nicht zu», so Heitz.

Diese Gründe, so stellt es sich nach den Schilderungen von Karl Messerli dar, sind vielschichtig. Messerli ist der väterliche Freund und Berater von Pak und stand dank seiner jahrelangen geschäftlichen Kontakte nach Nordkorea am Ursprung des ungewöhnlichen Wechsels von Pak aus der hermetisch abgeschlossenen Diktatur nach Europa.

«Es ist die Angst vor der Entscheidung»

«Pak hat es in Braunschweig gefallen, und ich habe das Gefühl, dass er bei Trainer Thorsten Lieberknecht gut aufgehoben wäre», sagt Messerli, der den Spieler nach Niedersachsen begleitet hatte und am Samstag eine lange Zugfahrt zurück in die Schweiz Gelegenheit hatte, alles durchzusprechen. Auch Messerli, einst selbst ein Nationalliga-A-Stürmer, befürwortet eine Luftveränderung.

«Das Problem ist, dass Pak die Situation sehr beschäftigt. Das alles ging ihm viel zu schnell, und er wollte mehr Bedenkzeit für sich.» Doch auch nach eindringlichen Gesprächen mit Messerli und einem telefonischen Austausch mit Freunden war Pak nicht bereit für den Schritt weg von Basel in die 2. Bundesliga. «Es ist Entscheidungsangst», glaubt Messerli.

Pak, mehrfacher A-Nationalspieler für sein Heimatland, ist in Strukturen aufgewachsen, in denen man keine Entscheidungen zu treffen hat, weil andere dies übernehmen. «Bisher ist alles für ihn entschieden worden», erklärt Messerli, der einst den Zugang nach Nordkorea über einen Attaché in Genf fand, der später einflussreiches Regierungsmitglied wurde. Berührungsängste mit dem Regime kennt Messerli keine, wie er der «Zeit» in einem Interview dargelegt hat.

Glasers Transferrechte-Geschäft

Vor eineinhalb Jahren kam Pak in die Schweiz. Er war Teil eines Projektes, das der Geschäftsmann und ehemalige Concordia-Präsident Stephan Glaser zusammen mit Messerli aufgezogen hat. Unter dem Label «Friends of Korea» hielten sie Transferrechte an nordkoreanischen Spielern, darunter Kwang Ryong Pak, der im Probetraining beim FCB vorspielte und überzeugte. 

Zunächst wurde Pak, der mit 1,88 Metern Gardemasse für einen Stossstürmer besitzt, für kurze Zeit in der Challenge League beim FC Wil parkiert, wo bereits Landsleute von ihm tainiert und gespielt haben. Rund eine halbe Million Franken dürfte geflossen sein, als sich der FC Basel dann die Transferrechte an Pak sicherte. Eine andere Option wäre gewesen, zu Udinese Calcio in die Serie A zu wechseln. Ein Deal, bei dem wohl weitaus mehr Geld geflossen wäre, von dem Messerli jedoch abriet.

Die Anpassung an ein völlig neues Umfeld

Das erste Jahr war ein Lehrjahr in Super und Champions League für Pak. Seine längeren Einsatzzeiten hatte er im Schweizer Cup und in der U21, und es war – wie für jeden jungen Hochbegabten – keine einfache Zeit für Pak, sich hinten anzustellen. Dazu kam diese und jene kleine Verletzung und eine schmerzhaft ausgerenkte Schulter.

Die vergangenen zwölf Monate hat Pak aber auch genutzt, um sich der neuen Umgebung anzupassen. Er kann sich inzwischen leidlich gut auf Englisch verständigen, und wenn er nicht redet oder freundlich lächelt, nestelt er wie alle jungen Menschen an seinem Smartphone herum.

Dass er sich nun vor dem Schritt in ein nochmals neues Umfeld scheut, hängt wohl auch damit zusammen, dass er zum 1. Juni erst das Haus von Messerli in Lupsingen verlassen und in Muttenz eine eigene Wohnung bezogen hat. Er steckt mitten in der Autofahrprüfung, hat immer noch eine enge Bindung zur Familie Messerli, und Karl Messerli hat erkannt: «Er ist ein Typ, der Schritt für Schritt macht. Das ging jetzt alles viel zu schnell für ihn, und das verkraftet er nicht.»

Braunschweig wollte auch Simon Grether

Dafür muss man angesicht der kulturellen Herkunft bereit sein, Verständnis aufzubringen. Bei Eintracht Braunschweig ist man, so schildert Messerli, sehr überrascht. Dort – mit Stürmern nicht in grosser Anzahl gesegnet – hat man Pak eigentlich schon fest eingeplant, man wollte ihn sogar gleich für zwei Jahre aus seinem bis 2016 mit dem FC Basel laufenden Vertrag ausleihen.

«Sie sind ein bisschen sauer», sagt Messerli. Zumal nun schon ein zweites Mal ein Deal mit Beteiligung des FC Basel geplatzt ist: Auch der junge Simon Grether war vor geraumer Zeit in Braunschweig zum Probetraining, sprang dann aber ab.

Für Pak ist nun auch ein Zwischenschritt beim FC Thun nicht mehr aktuell. In diesem, in den Frühjahrsmonaten diskutierten Fall wollte sich der FCB Zeit lassen und die Entwicklung des Kaders abwarten. Thun hat sich anderweitig orientiert, ebenso wie Dynamo Dresden aus der 2. Bundesliga, das ebenfalls an Pak interessiert war. «Vielleicht müssen wir bis zur nächsten Transferperiode warten», sagt Messerli, «vielleicht ist die Tür zu Eintracht Braunschweig auch noch nicht ganz zu.»

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