Sein Einfluss im «BBC»-Angriff von Real Madrid wird inzwischen mehr geschätzt als auch schon: Gareth Bale macht im dritten Jahr bei den Königlichen einen weiteren Reifeprozess durch, und selbst Cristiano Ronaldo hat erkannt, dass er für den Titel in der Champions League einen starken Partner braucht. In den Viertelfinals geht es nun zunächst zum VfL Wolfsburg.
Der teuerste Spieler, den sich Real Madrid bis anhin geleistet hat: Der 100-Millionen-Euro-Mann Gareth Bale.
(Bild: Reuters/SERGIO PEREZ)Schnell wie der Wind: Gareth Bales Urgewalt beim Sprint macht ihn so wertvoll.
(Bild: Keystone/EMILIO MORENATTI)Die Haare länger, die Gesichtszüge markanter – und sein Spiel reifer, konkreter, irgendwie: spanischer: Gareth Bale in seiner zweiten Saison bei Real Madrid.
(Bild: Reuters/JUAN MEDINA)15 Tore und 13 Assists in 22 Spielen – Gareth Bales Zwischenbilanz in dieser Saison.
(Bild: Reuters/Albert Gea)Mit ihm holt Real Madrid klar mehr Punkte als ohne ihn: Gareth Bale, hier im Clasico gegen Neymar.
(Bild: Reuters/Juan Medina)Beim Clasico-Sieg in Barcelona Vorbereiter zu Ronaldos Siegtor: Gareth Bale, hier gegen Barca-Keeper Bravo.
(Bild: Reuters/Juan Medina)Ein Tor blieb ihm versagt: Gareth Bale jubelt zu früh im Clasico.
(Bild: Reuters/Juan Medina)Der Clasico kann wehtun: Gareth Bale, unsanft gestoppt von Javier Mascherano.
(Bild: Keystone/EMILIO MORENATTI)Am Boden, um wieder aufzustehen und das Siegtor vorzubereiten: Gareth Bale, hier im Clasico und in der Champions League nun gegen Wolfsburg.
(Bild: Keystone/EMILIO MORENATTI)Gareth Bale spricht immer noch kein Spanisch. Aber nett und höflich ist er, wenn er nach den Spielen zum Plausch vorbeikommt. Ganz der unkomplizierte Bursche, als den ihn Nahestehende beschreiben. Auch wenn er mal 100 Millionen Euro gekostet hat.
Man hat diesen heissen Tag noch vor Augen, im Spätsommer 2013: die Präsentation im Estadio Santiago Bernabéu, das kindliche Gesicht mit der gegelten Tolle, der Satz, zu seinem Traumclub wäre er auch für einen Cent gekommen. Ein naiver Satz, natürlich. So einfach ist das nicht, wenn einer der teuerste Fussballer aller Zeiten ist. 100 Millionen Euro. Das Etikett hat ihn lange beschwert, es drohte ihn zu erdrücken.
Bayern München–Benfica 1:0
FC Barcelona–Atlético Madrid 2:1
Paris SG–Manchester City (Mi)
VfL Wolfsburg–Real Madrid (Mi)
Die Erwartungen, dazu: fremdes Land, fremde Sprache, fremder Fussball. Der epochale Platzhirsch Cristiano Ronaldo. Die erste Saison war noch aufregend, Bale überzeugte nicht regelmässig, schoss aber entscheidende Tore in den Finals von Pokal und Champions League. Die zweite Saison war trist. «Ich fühlte mich ausgeschlossen», sagte er im Blick zurück, denn das Martyrium ist jetzt vorbei. Ja, man kann sagen, Gareth Bale aus Cardiff, Wales, ist endlich angekommen in Madrid.
Das Gespür für die Momente einer Partie
«Ich bin glücklich und geniesse meinen Fussball»: Die Haare sind länger geworden, die Gesichtszüge markanter – und sein Spiel reifer, konkreter, irgendwie spanischer. 15 Tore und 13 Assists in 22 Spielen hat er auf dem Konto. In der gesamten Vorsaison waren es 17 und 12 aus 48. Aber es sind nicht nur die Zahlen, es ist auch die grössere Einbindung ins Team, die neue Balance zwischen diesen urgewaltigen Sprints, die ihn immer ausgezeichnet haben, auch den subtileren Aspekten des Fussballs.
Und: das Gespür für die Momente einer Partie. Beim Clásico-Coup in Barcelona (2:1) legte er Ronaldo das Siegtor auf. Drei Minuten zuvor war ihm ein Kopfballtor fälschlicherweise aberkannt worden, sonst hätte er am nächsten Tag die Titelseiten geziert.
So bleibt es eine eher leise Erfolgsgeschichte, ungewöhnlich leise für den schrillen Königshof, wo die Glocken vor dem Champions-League-Viertelfinale heute beim VfL Wolfsburg süss klingen. Er hat in den letzten Monaten aber auch übliche Krisen gesehen und noch mehr: Transferpanne, Pokalausschluss, Fifa-Sperre. Trainerwechsel von Benítez auf Zidane, Capricen bei Ronaldo, Erpressungsaffäre von Benzema.
Eine Saison unter dem Radar
Vielleicht war auch das ein Vorteil für Bale: dass er ein wenig unter dem Radar durchlief. Dass alles nicht sofort an ihm festgemacht wurde, wie in den Jahren zuvor, als er quasi täglich über seine taktische Unbedarftheit und mangelnde Implikation lesen durfte, als ihm Ronaldo mit abfälligen Handbewegungen vermeintlichen Egoismus vorhielt, als die Zuschauer murmelten und die Spötter lästerten, er habe zweifelsohne enorme athletische Begabungen, stehe aber nur auf dem Platz, weil der Gesichtsverlust für Präsident Florentino Pérez angesichts seiner Ablöse sonst zu gross wäre. Kurz: Als er das Schlüsselproblem auf der Suche nach einer stimmigen Elf zu sein schien.
Diese Saison ist Bale plötzlich: die Lösung. Wenn er mitmacht, erzielt die Mannschaft über drei Tore im Schnitt – ohne ihn sind es nur 2,3. Die sieben Punkte, die Real in der Rückrunde bisher verlor und die in der Meisterschaft auf Barcelona fehlen – allesamt in Partien, bei denen er verletzt aussetzte. Seit er zurück ist – nur Siege.
Der Schinken und die Golfplätze
Es heisst, dass er das Leben in Spanien schon immer geschätzt hat. Den Schinken vor allem und die Golfplätze. Im Job war es schwieriger, das Verhältnis zu Carlo Ancelotti, dem Trainer seiner ersten Jahre: überschaubar. Alles war auf Ronaldo ausgerichtet, Bale verlor das Vertrauen in sein Spiel.
«Bekäme er öfter den Ball, wäre er Madrids bester Mann», erklärte sein Agent Jonathan Barnett. Abwanderungsgerüchte machten die Runde. Besorgt trug Präsident Pérez dem neuen Trainer Benítez auf, den langfristig anvisierten Übergang der obergalaktischen Rolle vom 31-jährigen Ronaldo zum 26-jährigen Bale zu beschleunigen.
Die Kamera auf Gareth Bale: Der Beitrag des Walisers zum Clásico bei Barcelona:
Sogleich nach Amtsantritt suchte Benítez den Waliser in seiner Heimat auf und versprach ihm eine neue Taktik mit grösseren Freiheiten. Dass er damit Ronaldo verprellte, sollte ihm neben vielem anderem den Job kosten. Aber die Integration von Bale und die grössere Mobilität in der «BBC»-Sturmreihe (Bale, Benzema, Cristiano) gehören – wie der Upgrade des nach dem Clásico besonders gefeierten «Panzer» («Marca») Casemiro – zu seinen positiven Hinterlassenschaften.
Ronaldos Einsicht
Als Zidane, ehemaliger Assistent Ancelottis, im Januar auf Benítez folgte, fürchtete Bale die Rückkehr zum Paria. Doch der Franzose eröffnete mit einem Liebesbeweis («Ich werde ihm alle Zuneigung geben, die er braucht») und hat es vorerst geschafft, den vermeintlichen Antagonismus zwischen den Angriffsstars zu beenden. Ronaldo hat erkannt, dass er für den Titel einen starken Partner braucht. Und Bale kann ja sowieso noch nicht den Platzhirsch geben. Dafür muss er erst mal spanisch sprechen.