Den 58-jährigen Heinrich Schifferle aus Winterthur hat die Swiss Football League zum neuen Präsidenten bestimmt. Seit zwölf Jahren sitzt Schifferle, der Geschäftsführer eines Liegenschaftsunternehmens ist, im Komitee, seit 2003 ist er der Finanzchef der Liga. Der Frischgewählte durfte sich am ersten Tag im Amt gleich mit dem ganzen Wahnsinn beschäftigen, der die Super League in dieser Saison begleitet.
Dass Heinrich Schifferle einstimmig zum neuen Präsidenten der Swiss Football League (SFL) gewählt wurde, war am Freitag keine Überraschung mehr. Umso mehr verblüfft war der Winterthurer, dass Bulat Tschagajew zur Generalversammlung der SFL im Stade de Suisse auftauchte. An dem Ort also, es sei als Fussnote bemerkt, wo der tschetschenische Eigentümer von Xamax Neuchâtel noch immer die Miete für eine Loge schuldig ist, die er mit seiner Entourage beim Spiel gegen YB in Anspruch genommen hatte.
Schlauer sind die restlichen Vertreter des Schweizer Profifussballs nicht, nachdem ihnen der mysteriöse Xamax-Boss die Aufwartung gemacht hat. Heinrich Schifferle hat gemäss den Übersetzungen eines «sehr sympathischen» (Schifferle) Dolmetschers gelernt, dass er es mit einem Menschen aus einem anderen Kulturkreis mit einem anderen Rollenverständnis zu tun hat: «Herr Tschagajew sieht sich eher in der Opferrolle und hat gesagt, dass er Schwierigkeiten hat, sein Geld – dass er offenbar hat – in die Schweiz zu bekommen.»
Einen Koffer voller Geld hatte Tschagajew, sehr zum Leidwesen des neuen SFL-Präsidenten, nicht dabei. Die Liga bleibt also auf einer Zeitbombe sitzen. «Für mich ist die Situation so unklar wie vorher, ausser, dass ich ihn (Tschagajew) jetzt mal gesehen habe», musste Schifferle einräumen, «aber er hat nichts gesagt, was uns weiterbringt.»
Zwei neue Verfahren gegen Xamax
Tschagajew, der am Donnerstag vor dem Staatsanwalt in Genf unter anderem Auskunft zu offensichtlich gefälschten Bankgarantien geben musste, sieht sich und Xamax seit Freitag mit neuen Verfahren der Liga konfrontiert. Es sind inzwischen vier, die gegen die Neuenburger eingeleitet wurden. Im ersten Fall wurde der Club bereits zu 20’000 Franken Busse verdonnert; ob diese je beglichen wird, ist eine andere Frage. Jetzt wurde die Disziplinarkommission damit beauftragt zu beurteilen, was es mit den gefälschten Dokumenten auf sich hat, die der Liga eingereicht wurden und was mit den Schatten-Verträgen, die Tschagajew offenbar mit den Xamax-Profis vereinbart hat.
Am Freitag im Stade de Suisse gab Tschagajew zu verstehen, dass ihn die Swiss Football League gar nicht will. Genau das Gegenteil ist natürlich der Fall, im Moment zumindest, bis 11. Dezember und dem letzten Spiel des Jahres auf der Maladière gegen den FC Basel. Wenn es Xamax bis dahin noch gibt und die Mannschaft antritt, bleiben alle 18 Spiele der ersten Saisonhälfte in der Wertung. Darauf muss die Liga erpicht sein, schon im Zusammenhang mit den Unwägbarkeiten im Fall Sion, der ebenfalls noch erhebliche Auswirkungen auf das Tabellenbild haben kann.
Durchhalten bis 11. Dezember
SFL-Jurist Claudius Schäfer betont zwar die Gewaltentrennung, doch es ist kaum anzunehmen, dass die Disziplinarrichter in den nächsten zwei Wochen zur ultima ratio kommen werden und Xamax etwa die Lizenz entziehen. Schon gar nicht bei dem Tempo, mit dem diese Instanz in jüngster Vergangenheit gearbeitet hat. Bleibt aktuell noch die Frage, ob ein etwaiges Insolvenzverfahren gegen Xamax den Spielbetrieb innerhalb der nächsten 14 Tage noch lahmlegen könnte.
Die Liga-Vollversammlung hat unter dem Licht des Fall Xamax Änderungen der Lizenzordnung verabschiedet. Ändern sich die Mehrheitsverhältnisse oder wird das genehmigte Budget um mehr als 20 Prozent überschritten, muss ein Verein künftig proaktiv ein neues, beschleunigtes Lizenzverfahren beantragen. Neue Gewinn- und Verlustrechnungen müssen dann präsentiert werden oder Plausibilitätserklärungen der Revisionsstelle. Um Schnapsideen wie denen von Tschagajew, mit Xamax einfach in eine andere Stadt umzuziehen, einen Riegel zu schieben, wurde beschlossen, dass das Heimstadion eines Clubs nicht weiter als 50 Kilometer entfernt sein darf von der zuvor genutzten Spielstätte.
Der nette Herr Constantin war auch da
Christian Constantin war übrigens auch da. «Angenehm wie immer», berichtet Heinrich Schifferle, sei das Zusammentreffen gewesen, «freundlich wie immer» sei der Sion-Präsident gewesen, der als Nervensäge in die Gechichte dieses Schweizer Fussballherbstes eingeht. Den Club-Vertretern wurde die Sachlage von Liga-Manager Edmond Isoz en détail dargelegt, Fragen dazu gab es aus dem Plenum aber nicht eine einzige. Auch Constantin äusserte sich nicht zur Sache.
Claudius Schäfer betonte noch einmal, dass die sechs involvierten Sion-Spieler, die trotz Transfersperre verpflichtet und dann aufgrund einer zivilrichterlichen Entscheidung auch eingesetzt wurden, für den FC Sion nicht spielen dürfen, weil sie keine Qualifikation durch die SFL besitzen. «Ich weiss», sagt Schäfer, «dass das alles schwer zu begreifen ist.» Schifferle findet ohnehin, «dass das eigentlich gar nicht unser Fall ist», ist sich aber bewusst, dass Constantin alle Register ziehen wird und «nur auf einen Fehler wartet».
Liga schliesst Haftung aus
Noch knapp zwei Wochen Zeit bleibt den betroffenen Spielern, den für sie negativen Entscheid des Kantonsgerichts in Sion vom Freitag, 18. November, vors Bundesgericht weiterzuziehen. Ob dann im Mai tatsächlich eine Schlussrangliste der Super League ohne Vorbehalt stehen wird, ist nicht abzusehen. Vorsorglich hat die Generalversammlung beschlossen, dass aus von SFL und ihren Organen gefällten Entscheidungen keine Haftungsgründe entstehen können.
Ob das verhindert, dass Christian Constantin eines Tages die – sagen wir: 100-Millionen-Klage gegen die Liga erheben wird, da darf man sehr gespannt sein. Constantin versucht das ja gerade mit jedem x-beliebigen Beteiligten dieser Soap, die so bescheuert ist, wie man sie sich beim besten Willen nicht hätte ausdenken können.