Die Luft wird dünn für Murat Yakin

Fünf Runden vor dem Saisonende steigt der rotblaue Puls wieder einmal. Trainer Murat Yakin muss den Meistertitel ins Trockene bringen. Aber sogar wenn der FC Basel Ende Saison die Liga gewinnt, scheint seine Position nicht unantastbar.

Wird den FC Basel verlassen: Murat Yakin. (Bild: Keystone/MIGUEL ANGEL POLO)

Fünf Runden vor dem Saisonende steigt der rotblaue Puls wieder einmal. Trainer Murat Yakin muss den Meistertitel ins Trockene bringen. Aber sogar wenn der FC Basel Ende Saison die Liga gewinnt, scheint seine Position nicht unantastbar.

Es gibt einen guten Indikator für die interne Stimmungslage beim FC Basel. Sitzt Murat Yakin in der Pressekonferenz vor einem Ligaspiel auf gleicher Ebene mit den Journalisten in einem Kreis, dann scheint die Sonne. Spricht der Trainer des FC Basel aber vor einer gewöhnlichen Begegnung der Super League von oben herab, sucht er also die Distanz auf dem Podest im Presseraum des Joggeli, dann ist er in der Defensive.

Erstmals auf das Podest gestiegen war Yakin nach der Winterpause, nachdem ihm im Dezember die Schlagzeilen nur so um die Ohren geflogen waren. Später, als sich der FCB in der Europa League munter weiterspielte und sich in der Schweiz kein ernstzunehmender Gegner für die Basler zu finden schien, sass der 39-Jährige oft unten. Und jetzt, da die Meisterschaft in die entscheidende Phase geht, sucht Yakin wieder die erhöhte Position.

Das kommt nicht von ungefähr. Sicher liegt es auch daran, dass die Medien nach seinem wenig souveränen Auftritt im Anschluss an das 1:1 gegen die Grasshoppers reichlich unfreundlich berichteten. Der «Tagesanzeiger» befand, Yakin nähere sich «in seiner Empfindlichkeit» dem ehemaligen FCB-Trainer Christian Gross an. Die BaZ betitelte ihn respektlos als «vermeintlichen Taktikfuchs». Und die bz machte sich schon mal auf die Suche nach einem möglichen Nachfolger und wurde ausgerechnet bei GC fündig.

Über solche Texte könnte Yakin in seiner sphinxenhaften Art hinweg lächeln, wüsste er, dass seine Position intern unbestritten ist. Aber das scheint sie nicht zu sein.

Im Endspurt auf Distanz: Murat Yakin sitzt vor dem Spiel in St. Gallen auf dem Podium – und nicht unten bei den Journalisten. (Bild: Florian Raz)

Natürlich ist es für Externe nicht ganz einfach, die genaue Stimmungslage im Club zu orten. Aber wenn die gegen aussen dringenden Zeichen nicht täuschen, kann es sich Yakin nicht leisten, das Meisterschaftsrennen zu verlieren. Ein Misserfolg wäre wohl gleichbedeutend mit dem Ende seiner Trainerzeit beim FCB.

Es wäre ein Trainerwechsel, der den Mechanismen des Fussballs folgte. Yakin selbst sagt mit Blick auf die Ansprüche des FCB: «Eine Saison ganz ohne Titel wäre dramatisch.» Derselben Meinung dürfte auch der Vorstand sein, der rund zwanzig Millionen Franken Einnahmen durch die garantierte Teilnahme an der Gruppenphase der Champions League aus seiner Buchhaltung streichen müsste.

Ein isolierter Trainer

Was allerdings viel bemerkenswerter ist: Yakin scheint sich innerhalb des FCB derzeit derart isoliert zu haben, dass inzwischen nicht einmal undenkbar ist, dass er selbst dann gehen muss, wenn er Meister wird.

Seine distanzierte Art ist bei einigen Spielern nie auf grosse Begeisterung gestossen. Das wurde bereits im letzten Oktober erstmals deutlich, als die Tageswoche «Störgeräusche auf der Erfolgswelle» ortete. Inzwischen scheint der Rückhalt des Trainers innerhalb der Mannschaft nach einem kurzzeitigen Zwischenhoch aber noch weiter erodiert zu sein.

Yakin selbst meint dazu: «Ich sehe, wie die Spieler jeden Morgen mit Freude ins Training kommen.» Diese Aussage deckt sich allerdings nur bedingt mit den Informationen aus anderen Quellen.

Widerworte der Führungsspieler, Sarkasmus am Flughafen

Das Wort Freude ist dort nicht so oft zu hören. Dafür reichlich Kritik an Trainingsgestaltung und Taktik. Geschichten von Ansprachen des Trainers, in denen er eigentlich das Team in die Pflicht nehmen will, nur um sogleich selbst von Führungsspielern in die Schranken gewiesen zu werden. Und reichlich Sarkasmus: Als Yakin vor der Partie gegen Aarau (5:0) forderte, die Spieler müssten «das gewisse Extra» bringen, war der Ausdruck «das gewisse Extra» vor dem Abflug zum anschliessenden Spiel in Salzburg am Flughafen Basel-Mulhouse geflügeltes Wort unter den FCB-Profis.

Nun muss ein Trainer nicht der beste Freund der Spieler sein, um Erfolg und einen sicheren Job zu haben. Doch Yakins Problem ist, dass ihm auch im Vorstand mit Vorbehalten begegnet wird, wo die Klagen der Spieler ebenfalls vernommen werden.

Dazu kommen weitere Kritikpunkte wie etwa Yakins Umgang mit Marcelo Diaz. Der FCB hat allein in den Transfer des chilenischen Nationalspielers 4,5 Millionen Franken investiert – und letzthin sogar seinen Vertrag verlängert. Der Trainer aber scheint für den Chilenen noch immer nicht die richtige Position gefunden zu haben. Ebenso wenig wie für den bei seiner Rückkehr gefeierten Fantasista Matias Delgado.

Die Sache mit den Walliser Bergen

Dass Yakin via Medien den im Unterhalt wohl nicht ganz günstigen Diaz und Delgado den Tipp gab, sie sollten sich im Wallis doch die schönen Berge anschauen, kam im Vorstand nicht gut an. Und dass der Trainer danach erklärte, diese Worte seien ihm in den Mund gelegt worden, obwohl mehrere Journalisten übereinstimmend das Gegenteil behaupten, wohl auch nicht.

Kommt dazu, dass sich auch die Mannschaft selbst derzeit nicht vorbehaltlos als Einheit präsentiert. Nicht nur während der Auswärtspartie in Valencia (0:5) kam es zu Diskussionen zwischen Spielern auf der Bank und solchen, die auf dem Feld standen. Gleich danach in Sion gab es erneut hitzige Wortgefechte.

Mehr Unentschieden, weniger Zuschauer

Und schliesslich ist da noch der Fussball, den Yakin spielen lässt. Er sagt, er sei angestellt, um Erfolg zu haben: «Ob das dann spektakulär ist, sei dahin gestellt.» Nur scheint der FCB inzwischen an einem Sättigungspunkt angelangt zu sein, an dem Erfolg alleine nicht mehr reicht.

Yakin meint das Positive – bislang bloss eine Niederlage in 31 Ligaspielen – werde in der Öffentlichkeit ausgeblendet: «Weil das Negative mehr Zeitungen verkauft.» Die erfolgsverwöhnten Basler Zuschauer aber sind nicht alleine damit zufrieden zu stellen, dass ihr Club nicht verliert. Sie hätten gerne auch etwas Unterhaltung.

Und die boten die 15 Unentschieden in dieser Saison anscheinend nicht immer zur Genüge. Jedenfalls muss sich der Club damit auseinandersetzen, dass sein Zuschauerschnitt im Vergleich zur Vorsaison um rund 1500 Fans gesunken ist. Zwar können die verbleibenden zwei Heimspiele diese Zahlen noch etwas verbessern. Und doch ist das ist eine Tendenz, die einem Club Sorgen bereiten kann, der sich zu grossen Teilen durch seine Zuschauer finanziert.

Ein Wort zum Neuzugang? Lieber nicht

Das alles muss nicht dazu führen, dass Murat Yakin den FCB Ende Saison auf alle Fälle verlassen muss. Aber es könnte. Und der Münchensteiner selbst spürt, wie dünn die Luft ist, in der er sich derzeit bewegt.

Dazu passt seine Reaktion auf eine Frage zum Transfer des Thuner Mittelfeldspielers Luca Zuffi zum FCB. Der Club hatte den im Sommer erfolgenden Wechsel am Freitag um zwölf Uhr bekannt gegeben. Eine halbe Stunde später mochte Yakin nicht ein einziges Wort über den Neuzugang verlieren: «Ich will mich nicht zu Transfers für die kommende Saison äussern. Ich konzentriere mich ganz auf die verbleibenden fünf Spiele in der Liga.»

Murat Yakin weiss: Grosse Zukunftspläne muss er derzeit nicht schmieden. Für ihn zählt derzeit nur die Gegenwart.

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