Die Spielerin und der Alkohol

Aufgestiegen zum Star im Frauen-Fussball, wurde die Engländerin Kelly Smith während ihrer Zeit in der US-Profiliga alkoholabhängig. Das ist lange vorbei, und nun, 34-jährig, will die Stürmerin an der EM in Schweden ihre Karriere mit dem ersten Titel im Nationaldress krönen.

Nominiert zur Weltfussballerin des Jahres: Kelly Smoth 2009 in Zürich an der World Player Gala der Fifa, wo einmal mehr die Brasilianerin Marta die Ehrung zuteil wurde. (Bild: Keystone/WALTER BIERI)

Aufgestiegen zum Star im Frauen-Fussball, wurde die Engländerin Kelly Smith während ihrer Zeit in der US-Profiliga alkoholabhängig. Das ist lange vorbei, und nun, 34-jährig, will die Stürmerin an der EM in Schweden ihre Karriere mit dem ersten Titel im Nationaldress krönen.

Kelly Smith hat noch einmal Grosses vor bei der Europameisterschaft. Die 34-Jährige stand schon mit Lionel Messi und Cristiano Ronaldo auf einer Bühne bei der Ehrung der besten Spieler und Spielerinnen durch den Weltfussballverband Fifa. Gemeinsam mit der deutschen Rekordstürmerin Birgit Prinz galt die Angreiferin des Arsenal Ladies FC als beste Fussballspielerin der Welt. Doch lange behielt sie ein dunkles Geheimnis für sich. Niemand ahnte, dass der Star des englischen Frauen-Teams lange unter einer schweren Alkoholabhängigkeit gelitten hat.

«Ich hätte mich viel eher guten Freunden oder der Familie anvertrauen müssen, anstatt die Flasche Wodka an den Hals zu setzen», berichtete Kelly Smith über die schwere Zeit, die sie als Profispielerin in den USA durchgemacht hatte. Sie habe durch die Sauferei ihre Karriere massiv gefährdet, beichtete sie Jahre später. Inzwischen neigt sich ihre Laufbahn dem Ende zu, aber vorher will die Rekordtorschützin mit den «Three Lionesses» noch am Thron der Deutschen rütteln.

Nach dem zweiten Platz vor vier Jahren soll bei der EM in Schweden, wo England im ersten Gruppenspiel in Linköping auf Spanien trifft (Freitag, 20.30 Uhr, Eurosport), endlich der Titel herausspringen. «Vor vier Jahren waren wir mit der Finalteilnahme zufrieden. Diesmal ist, wenn alles gut läuft, mehr möglich», sagt Kelly Smith.

Beim 2:6 im Endspiel der EM 2009 in Helsinki, als die deutsche Mannschaft eine Glanzleistung ablieferte, war sie wie so oft die beste Engländerin. Zuletzt lief es für die in Watford geborene Torjägerin weniger gut. Wegen einer Schienbeinverletzung hat sie seit März nicht spielen können, ihre Nominierung für die EM war lange fraglich. Eventuell setzt die charismatische Trainerin Hope Powell sie zunächst nur als Einwechselspielerin ein.

Auf die harte Tour

Kelly Smith hat auf die harte Tour gelernt, Verletzungen und Rückschläge zu akzeptieren. Schon mit 17 Jahren gab sie ihr Debüt in der englischen Nationalelf, wegen ihres aussergewöhnlichen Talents erhielt sie ein Stipendium an einem College in den USA und spielte in New Jersey in der Profiliga der Frauen. Die erste englische Spielerin in der Liga wurde zu einem populären Star. Dreimal wurde sie zur besten Stürmerin gewählt. Im USA-Team, das schon damals auf höchsten Niveau spielte, hätte sie einen Stammplatz sicher, betonte die US-Nationaltrainerin April Heinrichs.

Aber zwei schwere Knieverletzungen warfen sie aus der Bahn. Kelly Smith begann zu trinken. «Ich war damals schüchtern und zurückhaltend. Mit meinen Problemen habe ich mich zurückgezogen. Das hat mich fertig gemacht», sagt sie. Der amerikanische Traum wurde zum Alptraum. «Ich dachte, ich würde nie mehr spielen. Ich war völlig am Boden.»

Die Spirale aus Isolation, depressiven Gedanken, grossen Sorgen und exzessivem Trinken riss sie wie viele andere Alkoholabhängige in den Abgrund. «Ich habe mich mit Alkohol betäubt, weil ich mich so besser fühlte. Es war furchtbar. Heute kann ich dazu stehen, weil es ein Teil meiner Geschichte ist», sagt Smith.

Entzug, Befreiung, Rückkehr

Die Profiliga fand ein jähes Ende, sie blieb bei einem zweitklassigen Verein und brach sich ein Bein. Die Situation spitzte sich zu, ihr Vater brachte Smith nach England zurück und steckte sie in eine Entzugsklinik.

Kelly Smith befreite sich aus dem Sumpf, sie wurde trocken, meisterte auch die Reha und wurde nach der Rückkehr zu ihrem Stammclub Arsenal noch besser. 2007 gewann sie alle englischen Titel und den Uefa-Pokal. «Die WM 2007 in China, nachdem ich vorher nicht wusste, ob ich jemals wieder würde Fussball spielen können, war das Grösste für mich.»

Sie glänzte mit tollen Toren, England war das einzige Team, das mit einem 0:0 nicht gegen Deutschland verlor. Bei der EM 2009, als sie in die US-Liga zu den Boston Breakers zurückgekehrt war, trumpfte sie wieder glänzend auf.

2011 fügten die Engländerinnen dem späteren Weltmeister Japan mit einem 2:0 in der Vorrunde die einzige Niederlage zu. Smith ist schon lange mit sich im Reinen. «Ich bin auf den Planeten gesetzt worden, um Fussball zu spielen. Was andere lange lernen müssen, wurde mir in die Wiege gelegt», sagt sie. Nur ein Titel mit der Nationalelf fehlt, um die sportliche Karriere zu krönen.

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