Die Springreiter entdecken die Arbeit mit dem eigenen Körper – Voraussetzung ist sie nicht

Bei den Springreitern hat ein Paradigmawechsel stattgefunden. Gab es früher noch Reiter, die tranken und zuviel rauchten, trifft man die heutige Generation im Kraftraum. Eine Voraussetzung für den Erfolg ist die Fitness des Reiters gleichwohl nicht.

Switzerland's Steve Guerdat rides Kavalier during the opening jumping competition against the clock at the equestrian show jumping CSI Basel in the St. Jakobshalle in Basel, Switzerland, on Thursday, January 8, 2015. (KEYSTONE/Georgios Kefalas) (Bild: Keystone/GEORGIOS KEFALAS)

Bei den Springreitern hat ein Paradigmawechsel stattgefunden. Gab es früher noch Reiter, die tranken und zuviel rauchten, trifft man die heutige Generation im Kraftraum. Eine Voraussetzung für den Erfolg ist die Fitness des Reiters gleichwohl nicht.

Am CSI Basel geht es für die Reiter um Fehler und Zeit. Ohne Fehler bleiben viele, die Zeit wird zum entscheidenden Kriterium. Dabei geht es zuweilen knapp zu und her: Am Donnerstag beispielsweise trennten den belgischen Sieger Gregory Wathelet (auf Conrad de Hus) und den französischen Viertplatzierten Kevin Staut (auf Esot Aqui de Muze HDC) gerade mal 26 Hundertstelsekunden.

Die Hauptarbeit leistet zwar das Pferd, was wohl mit ein Grund ist, warum es auf den Startlisten in Basel vor dem Reiter genannt wird. Aber die Dichte an der Spitze ist gross geworden, immer mehr sind Details entscheidend.

Dieser Ansicht ist auch der Schweizer Olympiasieger Steve Guerdat, der an den ersten beiden Tagen des CSI Basel nichts mit den Entscheidungen zu tun hatte. «Das Herausholen der letzten Hundertstel liegt in den Details», sagt der Jurassier und glaubt, «dass dort entschieden wird, ob man ein guter Reiter bleibt, oder noch eine Stufe weiter kommt.»

«Es gab Generationen von Reitern, die über die Stränge geschlagen haben, aber die Zeiten der grossen Gelage ist vorbei.»

Sportmediziner Bernhard Sorg

Eines der von Guerdat angesprochenen Details ist die Fitness der Reiter. Eine verbreitete Haltung ist, dass deren körperliche Verfassung aufrecht erhalten wird, indem sie ihre Tiere täglich reiten. Viele Athleten legen aber zunehmend auch ein Augenmerk auf ein spezifisches Fitnesstraining.

«Übergewicht» und Reiter, die «trinken und zu viel rauchen» 

Ganz im Gegensatz zu früher: Der 32-jährige Guerdat ist nicht der einzige, der von vergangenen Zeiten erzählt, als es Reiter mit «Übergewicht» gegeben habe. Auch der französische Spitzenreiter Roger-Yves Bost kennt Geschichten von Berufskollegen, die getrunken und zu viel geraucht hätten.

«Es gab Generationen von Reitern, die über die Stränge geschlagen haben, aber die Zeiten der grossen Gelage ist vorbei», stimmt auch Bernhard Sorg zu. Der Sportmediziner betreut einzelne Reiter des Schweizer Elitekaders wie beispielsweise Guerdat oder den 22-jährigen Martin Fuchs.

Sorg beschreibt die beiden hinsichtlich der Arbeit an der eigenen Physis als «vorbildlich». Sie stehen für eine neue Generation von Springreitern, die diesen Aspekt gezielt aufgreift. Fuchs mit dem Kraftraining, Guerdat zusätzlich mit Fussball, Tennis oder Radfahren.

Die Jungen sind nicht schlauer

«Ich profitierte ohne Zweifel von dieser Polysportivität», sagt Guerdat auch deshalb, weil er daraus für seinen Gleichgewichtssinn und seine Koordination einen Nutzen zieht. Vor allem aber hat der Olympiasieger die für das Springreiten entscheidenden Stellen seines Körpers im Griff: die Oberschenkel, den Adduktorenbereich und vor allem seinen Rücken, mit dem er immer wieder zu kämpfen hat.

Zu glauben, dass nur die jüngere Generation um Guerdat oder Fuchs dieses Bewusstsein hat, wäre indes ein Trugschluss. «Es ist nicht so, dass die Jungen diesbezüglich ein bisschen schlauer sind als die Alten. Es ist eine Entwicklung, die alle Springreiter mitmachen», sagt der 26-jährige Deutsche David Will.

Ein Umdenken hat also über die Generationen hinweg stattgefunden, auch wenn längst nicht alle die Disziplin eines Guerdat oder Fuchs an den Tag legen. Will räumt ein, dass er seinen Körper nicht spezifisch trainiere, obschon er sich der Wichtigkeit bewusst sei.

Technik gegen «Bauchmuskeln aus Beton»

Der Franzose Bost jogge ein wenig, wie er sagt. Zusätzlich mache er Lockerungsübungen, da ein Reiter neben der mentalen auch eine enorme körperliche Anspannung aufrecht halten muss. Und «ich muss im Alter von 49 Jahren auf die Ernährung und das Gewicht achten.»

Auch im Springreiten, einer Sportart, die bis weit über 50 auf höchstem Niveau betrieben werden kann, macht das Alter den Athleten zu schaffen. Diesen Nachteil macht die ältere Generation aber wett, ist sich Bost sicher: «Mit 20 hat man Bauchmuskeln aus Beton», beschreibt der Europameister von 2013 den Vorteil der Jungen. Die älteren Reiter seien ihnen dafür technisch voraus.

Fitness ist trotz allem keine Voraussetzung

Das gesteigerte Bewusstsein für die eigene Fitness führt also nicht dazu, dass die jungen Reiter das Zepter an der Weltspitze übernehmen. Dafür ist der Anteil des Pferdes am Resultat zu gross. Deswegen ist der Sportmediziner Sorg der Meinung, dass die Fitness des Reiters «keine Voraussetzung ist», es könne immer mal wieder ein weniger trainierter Athlet Erfolg haben.

«Ausnahmen wird es immer geben», sagt Guerdat, wenn er darüber nachdenkt, ob es in 10 bis 20 Jahren nur noch Topathleten an die Weltspitze schaffen. «Aber im Grossen und Ganzen werden wir immer fitere Reiter sehen.» 

CSI Basel, 8. bis 11. Januar, St. Jakobshalle Basel

Programm und Resultate
(» zu den detaillierten Resultaten)

Donnerstag

Profis
:
Die Goldene Trommel von Basel. Int. Springprüfung mit Stechen (1.55 m). CSI5*. Sieger: Gregory Wathelet (BEL) auf Conrad de Hus
Int. Springprüfung nach Fehlern und Zeit (1.45 m). CSI5*. Sieger: Olivier Philippaerts (BEL) auf King de Papignies Z
Int. Springprüfung nach Fehlern und Zeit (1.40 m). CSI5*. Sieger: Werner Muff (SUI) auf Gertje vh Scheefkasteel

Amateure
:
Int. Springprüfung nach Fehlern und Zeit (1.30 m). Siegerin: Iris Gautschi (SUI) auf Naiade d’Auvers
Int. Springprüfung nach Fehlern und Zeit (Hindernishöhe: 1.20 m). Siegerin: Stephanie Breitenstein (SUI) auf Louisiana B

Freitag

Profis:
Int. Springprüfung mit Stechen (1.55 m). CSI5*. Sieger: Daniel Deusser (GER) auf Espyrante
Int. Punktespringprüfung mit 2 Jokern (1.50 m). CSI5*. Sieger: Emanuele Gaudiano (ITA) auf Admara 2
Int. Springprüfung nach Fehlern und Zeit (1.45 m). CSI5*. Sieger: Billy Twomey (IRL) auf Ardcolum Duke

Amateure:
Int. Zwei-Phasen-Springprüfung (1.30 m). Sieger: Benoit Aubry (FRA) auf Robinson Des Forets
Int. Zwei-Phasen-Springprüfung (1.20 m). Sieger: Lory Grüter (SUI) auf Amiral du Zodique Z

Samstag

Profis:
Int. Springprüfung mit Stechen (1.50 m). CSI5*. Siegerin: Luciana Diniz (POR) auf Winningmood
Int. Zeitspringprüfung (1.45 m). CSI5*. Sieger: Hans-Dieter Dreher (GER) auf Callisto

Amateure:
Amateurfinal. Int. Springprüfung mit Stechen (1.35 m). Sieger: Philip Houston (GER) auf Chalanda
Int. Springprüfung mit Stechen (1.30 m). Siegerin: Tamara Schnyder (SUI) auf Lordana S.M.I
Int. Springprüfung mit Stechen (1.20 m). Siegerin: Laura Sutterlüty (SUI) auf Chadila C

Sonntag

nur Profis:
Grand Prix. Int. Springprüfung mit 2 Umläufen (1.60 m). CSI5*.
Int. Springprüfung nach Fehlern und Zeit (1.45 m). CSI5*.

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