Die Swiss Miss ist zurück

Das Comeback ist geglückt: An der Seite von Daniela Hantuchova gewinnt Martina Hingis ihr erstes Spiel auf der WTA-Tour seit 2007 – und man traut ihr zu, nach einigen weniger geglückten Unternehmungen im Privatleben im Tennis-Wanderzirkus noch einmal für Furore zu sorgen.

51 Minuten bis zum 6:1, 6:1 Martina Hingis und Daniela Hantuchova nach ihrem Sieg Darija Jurak (Kroatien) und Julia Görges (Deutschland). (Bild: Keystone/MICHAEL NELSON)

Das Comeback ist geglückt: An der Seite von Daniela Hantuchova gewinnt Martina Hingis ihr erstes Spiel auf der WTA-Tour seit 2007 – und man traut ihr zu, nach einigen weniger geglückten Unternehmungen im Privatleben im Tennis-Wanderzirkus noch einmal für Furore zu sorgen.

Als Martina Hingis vor drei Wochen mit dem üblichen Pomp, Prunk und Getöse in die Ruhmeshalle des Tennis aufgenommen wurde, wirkte es auf den ersten Blick wie ein goldener Schlussstrich unter eine ebenso schillernde wie spektakuläre Karriere – wie ein finaler Versöhnungsmoment nach all den Erfolgen, aber auch Eskapaden im weltweiten Tourgeschäft.

51 Minuten bis zum 6:1, 6:1

An der Seite der Slowakin Daniela Hantuchova ist Martina Hingis’ Comeback auf der Profitour geglückt. 51 Minuten benötigte das Doppel, um in Carlsbad/Kalifornien Julia Görges (De) und Darija Jurak (Kro) problemlos mit 6:1, 6:1 zu bezwingen.

Und auch ein bisschen Melodramatie durfte nicht fehlen an diesem Sommertag in Newport (Rhode Island), ein klein wenig Herz, Schmerz und Rührung im Hollywood-Gewand: «Tennis», sprach Hingis jedenfalls vor der erlesenen Gästeschar, «du hast mir die Welt zu Füssen gelegt und mich für einen Platz in der Ewigkeit ausgewählt.»

Welch grosse Worte, welch ein Abschied, welch ein Auftritt. Von wegen: Diese Woche nimmt die Sommertour vor den US Open im südkalifornischen Carlsbad langsam Fahrt auf, und Martina Hingis ist wieder mit im Spiel, im Doppel an der Seite der Slowakin Daniela Hantuchova. Nicht als Trainerin, nicht als Kommentatorin, sondern wieder mittendrin im Centre Court-Gewühl – als Comeback-Phänomen, zurückgetreten schon zum zweiten Mal von einem Rücktritt vom Profitennis.

Glücklos im Ruhestand

Ganz banal erklärt die 32-jährige aus Trübbach sich und der Tenniswelt ihren neuen Un-Ruhestand: «Ich bin wieder gut drauf, fühle mich fit und bin hungrig auf den Wettkampf.» Vorerst fünf Engagements hat die «Swiss Miss» eingeplant, nach Carlsbad will sie auch noch in Toronto, Mason (Ohio), New Haven und bei den Offenen Amerikanischen Meisterschaften in New York starten, jeweils zusammen mit Hantuchova.

Die Hingis-Rückwärtsrolle in die Zukunft kommt nicht mehr ganz überraschend, nachdem alle Versuche der Eidgenossin, in einem Leben ohne oder fast ohne aktives Tennis anzukommen, glücklos geblieben waren. Hingis versuchte sich als semiprofessionelle Reiterin, sie trat in Fernseh-Tanzshows auf, sie tourte zuletzt sogar für ein paar Wochen als Trainerin für die Russin Anastasia Pawljuschenkowa – doch so recht zufriedenstellen konnte die fünffache Grand Slam-Siegerin das alles nicht.

Mit 32 Jahren zurück in die Zukunft

Umso mehr, da Hingis zuletzt miterleben konnte, wie immer mehr ältere Spielerinnen – teils weit jenseits der Dreissig – für Furore im Wanderzirkus sorgten, allen voran Serena Williams, die mit 31 Jahren fast alle grossen Titel der letzten Monate abräumte. Oder eben auch eine wie Kimiko Date-Krumm, die sich mit bald 43 noch souverän unter den ersten 100 der Weltrangliste hält.

Und wenn das Leben draussen, abseits des Centre Court, so kompliziert und mitunter auch bitter ist, wie Anfang Juli die Schlagzeilen über die gescheiterte Ehe offenlegten, warum dann nicht einfach die Flucht ins Vertraute und Sichere ergreifen – vorläufig erst mal ins Doppel-Biotop der Tenniswelt, vielleicht aber auch noch einmal ein paar Soloauftritte bei dieser gar nicht so aufsehenerregenden Zurück-in-die Zukunft-Story.

Mit den besten Wünschen der Rivalinnen

Denn die Erste und wohl auch Letzte, die es in die Überschaubarkeit des alten Berufslebens drängt, ist Hingis nicht – Martina Navratilova, ihre Vornamenspatin, griff 2002 auch noch einmal zum Schläger, weil sie damals nichts Besseres und Sinnvolleres mit sich anzufangen wusste. Und weil sie, genau wie Hingis nun, im Doppel fast die alte siegverdächtige Schlagkraft mit auf den Platz bringen konnte.

Die Schweizerin trat jedenfalls in den letzten Wochen so eindrucksvoll beim amerikanischen World Team Tennis auf, einem populären Teamwettbewerb mit alten und aktuellen Stars, dass sie wieder einmal zur «wertvollsten Spielerin» gewählt wurde. «Ich glaube, die Rückkehr wird gut für sie sein», sagt die ehemalige Weltranglisten-Erste Lindsay Davenport, «sie kann sich nach manchen unangenehmen Schlagzeilen jetzt auf andere Dinge konzentrieren – und auf etwas, das sie immer noch sehr gut kann, Tennis spielen nämlich.»

Konzentration aufs Doppel

Die «New York Times» zitierte sogar Serena Williams, die führende Kraft der Branche, mit den Worten: «Wenn Hingis ernsthaft trainieren würde, dann wäre sie bald wieder in den Top Ten dabei.» Williams hatte die Schweizerin bei einem der World Team Tennis-Matches in Kalifornien beobachtet.

Allerdings deutet nichts auf einen solchen Schritt vo Hingis hin, die sich lieber ganz dem wenig aufreibenden Doppelspiel widmen will. «Im Doppel kommt es auf gutes Auge, kluge Strategie und eine gute Partnerin an», sagt die 32-jährige, «und eine solche Partnerin habe ich mit Daniela Hantuchova.» Nur wenige würde es wundern, wenn Hingis nicht auch über 2013 hinaus im Tourgeschehen bliebe, als starker Teil eines Doppelpaares. Und damit auch in einer Mission, sich noch einmal anders und dann auch endgültig vom Tennis zu verabschieden.

Nach dem Kokain-Test die persona non grata

Anders sicherlich als Ende 2007, als die Schweizerin wegen eines positiven Kokain-Tests beim Wimbledon-Turnier tränenreich und unehrenvoll zum zweiten Mal in die Tennis-Rente ging – nach dem Abschied 2002 wegen Verletzungsproblemen. 2007 wurde Hingis für zwei Jahre gesperrt und durfte nicht einmal als Zuschauerin Tennisturniere besuchen – persona non grata, unerwünschte Person, es war ein Absturz sondergleichen für eine, die 209 Wochen die Weltrangliste angeführt hatte.

Erklärt sich auch daraus die Rückkehr, hier und jetzt, im Jahr 2013? «Ich glaube, Martina will noch einmal ein anderes Schlusskapitel unter ihre Tenniszeit schreiben», sagt die TV-Kommentatorin und frühere Weltklassespielerin Tracy Austin, «und das hat sie irgendwie auch verdient.»

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