Lange Zeit waren die USA im alpinen Skirennsport ein Land der begrenzten Möglichkeiten. Doch an der Heim-Weltmeisterschaft in Vail und in Beaver Creek stehen die Zeichen gut, dass von den Erfolgen des US-Teams auch in der Heimat Notiz genommen wird.
Jetzt haben endlich diese lästigen Fragen ein Ende. In den letzten Tagen vor der Eröffnung der Ski-Weltmeisterschaft hatte sich in Vail und in Beaver Creek ja alles nur mehr um eines gedreht: um die wichtigste Nebensache der Welt. Und die ist in den Vereinigten Staaten bekanntlich immer noch der American Football und nicht das Skifahren.
Die Einschätzungen unseres Ski-Experten Christoph Geiler zu den Chancen des Schweizer Teams finden Sie hier:
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Neben dem berühmten Super Bowl sieht selbst ein beliebter Superstar wie Lindsey Vonn blass aus. Da nun aber auch das 49. Endspiel der NFL Geschichte ist, können die Skistars endlich im Fokus stehen, ohne dabei ständig nach ihren Berührungspunkten zu Touchdowns & Co. befragt zu werden. Es ist höchste Zeit, denn ab heute Dienstag werden im Super-G der Damen bereits die ersten WM-Medaillen vergeben.
Mehr Autogramme in Europa als daheim
Die USA waren für den Skisport lange ein Land der begrenzten Möglichkeiten. Weltcuprennen und sogar Weltmeisterschaften fanden meist unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, im US-Fernsehen wurden lieber Base- und Basketballspiele von Amateurteams übertragen, und die amerikanischen Skiheroen waren es gewohnt, in Europa mehr Autogramme schreiben zu müssen als in ihrer Heimat.
Bode Miller – dem Exzentriker vor dem Herrn ist an der WM alles zuzutrauen. (Bild: APA/Hans Klaus Techt)
Das mag vielleicht Vorteile haben, wenn man etwa sieht, welches Chaos in Österreich ausbricht, sobald sich Superstar und Volksheld Marcel Hirscher einmal in der Öffentlichkeit zeigt. Doch das Schattendasein werten manche auch als fehlenden Respekt vor ihren Leistungen. Wohl zu Recht. «Wir stehen nach wie vor in Riesenkonkurrenz mit Eishockey, Football und so weiter», weiss Patrick Riml, der österreichische Alpinchef des US-Skiteams. «Aber man darf nicht vergessen, dass es in diesem riesigen Land Staaten gibt, in denen man nicht einmal weiss, dass es Schnee überhaupt gibt.»
Die Heim-Weltmeisterschaften in Vail/Beaver Creek sind nach 1989 und 1999 bereits die dritten Titelkämpfe, die in diesem Skiressort in Colorado über die Bühne gehen. Noch jedes Mal hatte die kleine US-Skifamilie auf den grossen Durchbruch gehofft, auf mehr Anerkennung, mehr Unterstützung und mehr Popularität. Jetzt, im dritten Anlauf könnte dem Skisport in den USA endlich der Sprung auf jenes Level gelingen, das ihm kraft der Erfolge auch zusteht.
Das stärkste US-Team der Ski-Historie
Tatsächlich scheint das Timing perfekt: Im Gegensatz zur letzten Heim-Weltmeisterschaft vor 16 Jahren, als der Gastgeber im Medaillenspiegel nicht auszumachen war, ist das US-Ski-Team diesmal in der Rolle des Gejagten. An der letzten WM 2013 in Schladming hatten die US-Amerikaner die Medaillenwertung für sich entschieden (4 Goldmedaillen) – und das obwohl sich Lindsey Vonn gleich im Auftaktrennen schwer verletzt hatte. Jetzt sprechen viele Experten sogar vom stärksten US-Team der Ski-Historie.
Ted Ligety – der Mister Riesenslalom. (Bild: Reuters/Ruben Sprich)
Mit eben einer wieder genesenen Lindsey Vonn, die in diesem Winter die ewige Rekordmarke von Annemarie Moser-Pröll geknackt hat und nun schon bei 64 Weltcupsiegen steht; mit Jungstar Mikaela Shiffrin, die den Slalom beherrscht und mit 19 Jahren bereits eine Olympiasiegerin und Weltmeisterin ihres Faches ist; mit dem Mister Riesenslalom Ted Ligety, der zuletzt an Grossereignissen eine Fixgrösse war (Weltmeister 2011, 2013, Olympiasieger 2014); mit den unerschrockenen Speedspezialisten Travis Ganong und Steve Nyman, die in diesem Winter bereits Abfahrten gewonnen haben; und nicht zuletzt mit dem Exzentriker Bode Miller, dem bei seinem Comeback nach einjähriger Wettkampfpause in den Speeddisziplinen alles zuzutrauen ist.
Im nationalen TV – endlich!
Den grössten Triumph hat das US-Skiteam wahrscheinlich aber schon vor der Weltmeisterschaft gefeiert. Einen Sieg, der langfristig gesehen sogar weit mehr wert sein kann als zig Goldmedaillen an der Heim-WM. Denn die Titelkämpfe werden diesmal nicht mehr spurlos an den US-Amerikanern vorübergehen. Dem neuen Verbandsboss Tiger Shaw sei Dank. Unter dem ehemaligen Rennläufer hat sich der Verband 2013 die nationalen TV-Rechte gesichert und kann nun die Skirennen deutlich besser vermarkten und den Medien präsentieren als in der Vergangenheit.
Wie es in den Rocky Mountains aussieht? Ungefähr so:
Der erste positive Effekt: Die Weltcuprennen von Kitzbühel und Schladming wurden bereits live in den ganzen USA übertragen, und von der der Heim-WM sind zwischen Miami und Maui gar 30 Stunden live zu sehen. «Dass die Weltmeisterschaft im ganzen Land übertragen wird, spricht für sich», freut sich Cheftrainer Patrick Riml.
Beim Internationalen Skiverband verfolgt man die Entwicklungen in den Vereinigten Staaten mit Genugtuung. «Innerhalb der Zäune war auch hier immer alles perfekt», erklärt FIS-Generalsekretärin Sarah Lewis, «aber jetzt durch die Erfolge, die PR sowie den TV-Rechteverkauf wird das im Vergleich zu den früheren Weltmeisterschaften ein wirklich amerika-weiter Sportevent.»
Die Amerikaner dürstet es nach Heldenfiguren
Für Lewis ist das ein Verdienst der US-Stars wie Vonn, Miller und Ligety , die in ihrer Heimat Werbung und Entwicklungshilfe betrieben haben. «Sie sind seit Jahren höchst erfolgreich und waren das auch zuletzt in Sotschi. Sie kennt man jetzt auch an der Westküste und in New York.»
Auch für Verbandschef Tiger Shaw ist die aktuelle US-Skigeneration ein echter Segen. «Ich bin wirklich ein Glückspilz, dass ich das stärkste Team, das wir je hatten, übernehmen durfte», schwärmt der 53-Jährige. «Wir haben bei uns viele Major Leagues im Basketball, Football, Hockey, Baseball und natürlich die College-Meisterschaften. Sich dagegen zu behaupten, ist wirklich schwierig. Umso wichtiger ist, dass wir solche aussergewöhnliche Persönlichkeiten im Team haben, die als Einzelpersonen dafür sorgen, dass man unseren Sport kennt.»
Dass Lindsey Vonn mit Tiger Woods liiert ist, ist ihrer Karriere in den USA nicht hinderlich. (Bild: Keystone/IVAN CARABINI)
Lindsey Vonn hat in den USA einen Status erreicht, den noch kein Vertreter aus dem Ski-Business vor ihr hatte. Die 30-Jährige ist ein gern gesehener Gast bei Talkshows, sie erhält Einladungen zu Promi-Events und sie ist inzwischen ein Gesicht, das auch Sportfans kennen, die sich für den Wintersport normalerweise nicht erwärmen können. Eine Erfolgsgeschichte, wie Lindsey Vonn sie heute erzählen kann, ist genau der Stoff, aus dem in den USA Sporthelden gemacht werden.
Die Rekorde, die Rückschläge, die One-Woman-Shows, die Stürze, die Verletzungen, die Wiederauferstehung – das sind die perfekten Zutaten für eine grosse Karriere. Dass Vonn dann auch noch mit Red Bull einen Werbepartner hat, der sie optimal in Szene zu setzen vermag, und in Tiger Woods einen Lebenspartner, den jeder Amerikaner kennt, ist bestimmt auch kein Nachteil. «Amerikaner lieben einfach den Erfolg. Sie wollen gewinnen, und Lindsey Vonn verkörpert das perfekt», weiss Verbandschef Tiger Shaw.
Eine Siegerin, die noch nicht mit Champagner anstossen darf
Auch die Geschichte, die hinter Mikaela Shiffrin steht, ist ganz nach dem Geschmack der US-Amerikaner. Da ist eine Familie, die das ganze Leben auf eine erfolgreiche Ski-Karriere ihrer Tochter ausgerichtet hat. Da ist eine Mutter, die ihr Kind den ganzen Winter über von Rennen zu Rennen begleitet, sie bekocht und mit ihr für die Schule lernt. Und vor allem ist da eine junge Skirennfahrerin, die von Sieg zu Sieg fährt und im Slalom neue Massstäbe setzt.
Als Mikaela Shiffrin 2012 ihren ersten Weltcupslalom gewann, da hatte sie noch keinen Führerschein. Als sie 2013 in Schladming WM-Gold im Slalom gewann, da ging sie noch zur Highschool. Als sie im Vorjahr in Sotschi Olympia-Gold im Slalom gewann, durfte sie daheim in den USA nicht mit Champagner auf ihren Erfolg anstossen.
Spritzen – aber nicht trinken. Mikaela Shiffrin darf auf ihre Siege in den USA noch nicht anstossen. (Bild: Reuters/Antonio Bronic)
Auch bei einem Triumph an der Heim-WM wird Mikaela Shiffrin das Bad in der Menge der Sektdusche vorziehen müssen. «Manchmal ist mir das selbst unheimlich und ich kann es nicht glauben, wie es sich entwickelt hat», sagt die 19-Jährige, nach der inzwischen unweit von ihrer Heimat Vail auch schon eine Strasse benannt ist – der Mikaela’s Way.
So weit hat es Patrick Riml noch nicht gebracht. Dem österreichischen Chef des US-Ski-Teams würde es schon reichen, wenn seine Athleten an der Heim-WM auf der Siegerstrasse unterwegs sein würden. «Unser Ziel ist ganz klar, wieder die stärkste Nation bei der WM zu sein. Da brauchen wir nicht lange herumzureden», meint der Tiroler. Der Leitspruch, den das US-Skiteam gewählt hat, passt da gut ins Bild. «Best in the World.»
Die Website der Veranstalter Die Live-Ergebnisse bei der FIS |
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Das WM-Programm von Vail/Beaver Creek | |||
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Datum | Uhrzeit (MEZ) | Geschlecht | Wettbewerb |
Di, 3. Februar | 19.00 | Frauen | Super-G |
Mi, 4. Februar | 19.00 | Männer | Super-G |
Fr, 6. Februar | 19.00 | Frauen | Abfahrt |
Sa, 7. Februar | 19.00 | Frauen | Abfahrt |
So, 8. Februar | 19.00 | Männer | Kombination, Abfahrt |
22.15 | Kombination, Abfahrt | ||
Mo, 9. Februar | 18.00 | Frauen | Kombination, Abfahrt |
22.15 | Kombination, Abfahrt | ||
Di, 10. Februar | 22.15 | Fr/Mä | Teamwettbewerb |
Do, 12. Februar | 18.15 | Frauen | Riesenslalom, 1. Lauf |
22.15 | Riesenslalom, 2. Lauf | ||
Fr, 13. Februar | 18.15 | Männer | Riesenslalom, 1. Lauf |
Riesenslalom, 2. Lauf | |||
Sa, 14. Februar | 18.15 | Frauen | Slalom, 1. Lauf |
22.15 | Slalom, 2. Lauf | ||
So, 15. Februar | 18.15 | Männer | Slalom, 1. Lauf |
22.30 | Slalom, 2. Lauf |