Die verpasste Chance der goldenen Fecht-Generation

Nach den starken Platzierungen im Einzel war die Hoffnung für den Teamwettbewerb im Fechten gross. Doch die Schweizer Fechter scheitern bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro bereits in den Viertelfinals an Italien. Am Ende erreicht das Team den 6. Rang.

Im Viertelfinal focht Benjamin Steffen, links, gegen den Italiener Paolo Pizzo.

(Bild: PETER KLAUNZER)

Nach den starken Platzierungen im Einzel war die Hoffnung für den Teamwettbewerb im Fechten gross. Doch die Schweizer Fechter scheitern bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro bereits in den Viertelfinals an Italien. Am Ende erreicht das Team den 6. Rang.

Kuhglocken und «Hopp-Schwyz»-Rufe in der Carioca-Halle 2 – es war nicht zu überhören, dass sich zum Abschluss der Fechtwettbewerbe in Rio de Janeiro gestern Historisches zutrug. Erstmals seit 28 Jahren war die Schweiz wieder mit einer Männer-Mannschaft in einer olympischen Teamkonkurrenz vertreten. Und das Beste daran: die Degen-Equipe schien auch beste Aussichten zu haben.

Der Basler Benjamin Steffen hatte im Einzel mit Platz vier schliesslich eine Medaille nur knapp verpasst. Sein Klubkollege von der Basler Fechtgesellschaft, Max Heinzer, erreichte das Viertelfinale, das er auch wegen einer Aufwärmverletzung gegen den späteren Olympiasieger Sang-Young Park aus Korea verlor. Sowieso gehört Heinzer seit Jahren zur Weltelite, wie auch der dritte Mann, Fabian Kauter, der im Einzel schon zweimal den dritten Platz bei Weltmeisterschaften belegte, und wie auch das Schweizer Team. 2012, 2013 und 2014 war es Europameister, 2014 und 2015 gewann es WM-Bronze, zuletzt durch einen Sieg über den Viertelfinal-Gegner Italien. Der hatte bei diesen Spielen im Degen-Einzel nicht mal einen Fechter unter die besten Acht gebracht.

Mannschafts- und Einzelfechten haben eine andere Dynamik

Doch schnell, zu schnell zeigte sich, dass im extrem ausgeglichenen Fechtsport weder die Meriten der Vergangenheit etwas bedeuten noch sich einfach die Ergebnisse aus dem Einzel addieren lassen. Oder wie es Steffen später ausdrückte: «Mannschaft und Einzel sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Es ist ein ganz anderes Fechten». Vor allem schafft es seine eigene Dynamik, und die war in diesem Duell um den Halbfinal-Einzug nicht zu stoppen. 

Die Schweiz verlor die ersten sechs Gefechte, und während Kauter den Schaden in seinen Auftritten noch in Grenzen halten konnte, wurden Steffen und Heinzer geradezu vorgeführt. 4:11 stand es nach ihrem jeweils ersten Gefecht, 9:23 nach dem zweiten. Von dort bis zum 32:45-Endstand blieb dann im Prinzip nur noch Schadensbegrenzung.

«Aber es geht dann eben unglaublich schnell weiter.»
Max Heinzer 

«Nach den ersten drei Gefechten haben wir uns zusammengesetzt und gesagt, wir fangen noch mal von vorne an», berichtete Steffen später, enttäuscht, fast geschockt. «Aber es geht dann eben unglaublich schnell weiter». Heinzer, den Schweiss noch frisch auf der Stirnvom letzten Gefecht, ergänzte: «Wir hätten ein Break gebraucht, den Rhythmus brechen müssen. Aber sie waren im Flow und wir in der Abwärtsspirale, und wenn man die nicht stoppt, dann wird der Rückstand immer grösser.»



Switzerland's Benjamin Steffen reacts in the men�s Fencing Epee Team quarterfinal against Italy in the Carioca Arena 3 in Rio de Janeiro, Brazil, at the Rio 2016 Olympic Summer Games, pictured on Sunday, August 14, 2016. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)

Benjamin Steffen während des Viertelfinals gegen Italien, das den Schweizern aus den Händen glitt. (Bild: Keystone/PETER KLAUNZER)

Je mehr die Verzweiflung zunahm, desto mehr rannten die Schweizer dann «ins offene Messer» (Heinzer). Die Analogie zum Catenaccio im Fussball wäre vielleicht übertrieben, aber auch im Degenfechten gelten die Italiener als Defensivspezialisten. Erst recht natürlich, wenn sie einmal vorne liegen. «Es war klar, dass sie sich einigeln», sagte Steffen. Seine Mannschaft reagierte mit Attacken an der Grenze zum Harakiri – und deutete später an, dass diese Taktik vielleicht nicht die intelligenteste war: «Vielleicht will man dann zu früh zu viel, um unbedingt auszugleichen», sagte Heinzer. «Vielleicht hätten wir lieber darauf warten sollen, dass sie noch mal nervös werden.»

Zurück nach Basel reist vor allem Frust

Aber letztlich ist es ja so: «Im Nachhinein ist man immer schlauer» (Steffen) beziehungsweise «hat 100 Lösungsvarianten» (Heinzer). Zurück mit nach Basel reist jetzt vor allem Frust. «Wir haben im Einzel keine Medaille geholt und in der Mannschaft auch nicht, wir können nicht zufrieden sein», sagte Steffen. Der 34-Jährige wird wohl abtreten, auch das schmerzte – es könnte der letzte Auftritt einer jahrelang verschweissten Mannschaft gewesen sein, einer Goldenen Generation. Immerhin Heinzer, 29, erklärte schon mal seine Bereitschaft zu weiteren Missionen: «Ich habe immer noch Freude am Fechtsport und denke sicher nicht an Rücktritt.»

Dann ging er Arm in Arm mit Kauter zurück in die Halle, es gab ja noch die Trostrunde. Noch einmal die «Hopp-Schwyz»-Anfeuerungen, ein Sieg gegen Russland,  eine Niederlage gegen Südkorea (36:45) im Kampf um Platz fünf, dann war er vorbei – ein Tag, der historisch war, aber letztlich nicht so historisch, wie er hätte werden können.



Switzerland's coach Gianni Muzio, Peer Borsky, Benjamin Steffen and Fabian Kauter, from left, react during the men�s Fencing Epee Team quarterfinal against Italy in the Carioca Arena 3 in Rio de Janeiro, Brazil, at the Rio 2016 Olympic Summer Games, pictured on Sunday, August 14, 2016. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)

Betretene Mienen am Rande der Planche in Rio: Trainer Gianni Muzio, Peer Borsky, Benjamin Steffen und Fabian Kauter. (Bild: Keystone/PETER KLAUNZER)

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