Ein gehaltener Penalty, FCB-Halbestunde, vier Treffer, ein doppelt geklautes Tor, Rudelbildung – der 3:1-Sieg des FC Basel über die Young Boys hat alles, was ein gutes Fussballspiel braucht.
Mit den Dankesreden hatte Paulo Sousa schon am Freitag begonnen. Er möchte dem «Uli und dem Urs» gratulieren, dass sie sich mit den Young Boys und dem FC Zürich für die Europa League qualifiziert hatten, meinte der Trainer des FC Basel, «das ist wichtig für die ganze Schweiz.»
Und Sousa konnte am Sonntag gleich weitermachen mit seinen Dankesreden: «Ich gratuliere Uli und seinen Spielern, sie haben heute eine starke Leistung gezeigt. Dem Fussball tun solche Spiele gut».
Tatsächlich machte Uli Fortes YB eigentlich alles, was sich ein FCB-Trainer wünschen kann, der dem Publikum bei Amtsantritt Emotionen versprochen hatte.
Den Bus braucht YB nur zur Hin- und Rückfahrt
Zunächst einmal hatten sich die Berner dazu entschieden, in Basel offensiv zu spielen und nicht «den Bus vor dem Tor zu parkieren», wie Forte das formulierte: «In Basel musst du versuchen, das Spiel zu ergreifen. Es reicht nicht, darauf zu hoffen, dass der liebe Gott die 90 Minuten herunter laufen lässt.»
Diese angriffige Einstellung der Berner kam zunächst allerdings vor allem dem FCB entgegen: Mehrfach liess sich YB von der Basler Spielanlage erwischen. Immer, wenn sich Shkelzen Gashi vom linken Basler Flügel ins Zentrum des Spiels fallen liess, fand er dort einen Freiraum, von dem nicht einmal ein durchschnittlicher Wagenplatz-Bewohner auf dem Migrol-Areal zu träumen wagt. «Da haben wir die Distanzen nicht gefunden», gab Forte danach zu.
Das Spiel schien beendet, ehe es begonnen hatte
Die Folge: Gashi auf Derlis Gonzalez, 1:0 FCB – 4. Minute. Gashi auf Marco Streller, der sein 300. Spiel im FCB-Dress absolvierte, 2:0 – 20. Minute. Das Spiel schien beendet, ehe es so richtig begonnen hatte. Und die Art und Weise, wie die beiden Tore fielen, dürfen Sousa das Gefühl geben, dass seine Spieler seine Anweisungen immer besser verstehen.
Endlich ein Fussballtrikot. Marco Streller wird für sein 300. Pflichtspiel für den FCB geehrt. (Bild: Keystone/Georgios Kefalas)
Vor allem das 2:0 war da exemplarisch: Wie Fabian Schär unter Bedrängnis – und erst noch mit seinem schwächeren linken Fuss – den Ball nicht hoch und weit davon jagte, sondern den zwischen Berner Linien geschlichenen Gashi bediente, das muss Sousa gefallen haben. Schliesslich predigt der Portugiese stets den gepflegten Flachpass aus der Abwehr heraus als oberstes Gebot.
YB war ein ebenbürtiger Gegner
Doch damit war der Berner Beitrag zu diesem Fussballnachmittag nicht zu Ende. Denn YB war ein ebenbürtiger, wenn nicht über Teilstücke des Spiels sogar überlegener Gegner. Und solche Kontrahenten braucht eine Mannschaft wie der FCB. Erstens, um die Sehnsucht der eigenen Zuschauer nach Nervenkitzel zu erfüllen. Und zweitens auch als Vorbereitung auf die Champions League, in der der FCB auf etwas grössere Kaliber treffen wird, als sie in der Super League anzutreffen sind.
Der 1:2-Anschlusstreffer fiel zwar etwas überraschend, da in einer der stärksten Basler Phasen. Aber er war aufgrund der Chancenverteilung sicher nicht gestohlen. Und es war kein Zufall, dass es Raphaël Nuzzolo war, der ins Basler Tor traf.
Der linke Berner Flügel spielte in dieser Szene ausnahmsweise mal nicht wie sonst Katz und Maus mit Davide Calla. Dafür stahl er sich zwischen Taulant Xhaka und Walter Samuel, dem in dieser Sekunde seines Debüts im Joggeli all seine Erfahrung nicht über die etwas zu lange Reaktionszeit hinweg half, und traf mit dem Kopf.
FCB-Halbestunde statt YB-Viertelstunde
Das war der Anfang der unter Sousa neu eingeführten Basler Spezialität. In Bern mögen sie gegen Ende des Spiels die YB-Viertelstunde haben. Die Basler haben dafür derzeit die FCB-Halbestunde. 30 Minuten des fast totalen Systemausfalls, die die rotblaue Mannschaft regelmässig mitten im Spiel einzieht.
Dieses Mal verabschiedeten sich die Basler nach Nuzzolos Tor in der 32. Minute aus dem Spiel. Und sie tauchten erst wieder auf, nachdem Tomas Vaclik endlich seinen ersten grossen Auftritt im FCB-Tor haben durfte.
Vacliks erster Schritt aus Sommers Schatten
Der Tscheche war von den Bernern schon vor der Pause warm geschossen worden. Doch so richtig höher schlagen liess er die Herzen der Basler Fans von der 61. bis zur 62. Minute. Erst legte er Nuzzolo im Strafraum elfmeterreif. Und dann hielt er den fälligen Strafstoss von Milan Gajic. Es könnte der erste grosse Schritt gewesen sein, um aus dem Schatten seines Vorgängers Yann «Penaltykiller» Sommer zu treten.
Dass man auch schon besser getretene Elfmeter gesehen hat, als Gajics mitte-rechts-ich-weiss-nicht-wohin, war das i-Tüpfelchen auf den aus Basler Sicht so verdankenswerten Berner Auftritt im Joggeli.
Alles, was das Fan-Herz begehrt
Überhaupt bot die Partie spätestens in der zweiten Halbzeit eigentlich alles, weswegen ein Fussballfan gemeinhin in ein Stadion geht.
Da gab es Torszenen zunächst vor allem vor dem Basler Tor – und nach einer Stunde, als sich der FCB nach seiner halben Stunde Absenz wieder zurück gemeldet hatte, auch vor dem YB-Kasten. Da war die obligate Rudelbildung, nachdem Sékou Sanogo Streller etwas ins Ohr flüsterte, das den FCB-Captain zur Furie werden liess. Es gab Fabian Schärs Brutalo-Grätsche gegen Samunel Afum, die ihm statt der gelben auch gut und gerne die rote Karte hätte einbringen können.
Der doppelte Tor-Klau
Dann war da der doppelte Torklau in der 68. Minute. Erst versuchte Derlis Gonzalez, Yoichiro Kakitani einen Treffer zu stibitzen, indem er dessen Schuss wenige Zentimeter vor dem Übertreten der Torlinie noch mit dem Kopf berührte. Und dann wurde der Treffer gleich noch aberkannt, weil der Linienrichter Gonzalez fälschlicherweise im Abseits gesehen hätte.
Und schliesslich das Happy End aus Basler Sicht, als Gonzalez Kakitani den Treffer sozusagen wieder zurückgab und dem Japaner den Ball vor das leere Tor legte. 3:1 für den FCB, es war der Schlusspunkt in einer emotionalen, unterhaltsamen Partie.
Ein Spiel also, wie es sich Paulo Sousa wünschen muss. Oder doch nicht? Emotionen gut und recht, befand der FCB-Coach: «Aber ich habe die Emotionen lieber vor dem gegnerischen Tor – und weniger vor unserem.»