Die Zauberformel heisst mutig sein

Der Tag der Entscheidung naht – und der FC Basel macht vor dem Achtelfinal-Rückspiel der Champions League (Dienstag, 20.45 Uhr, SF 2 live) den Eindruck, an seine Chance zu glauben.

Grosses Kino: Xherdan Shaqiri betritt zum Abschlusstraining die Allianz Arena, ab Sommer seine neue Bühne. (Bild: Keystone)

Der Tag der Entscheidung naht – und der FC Basel macht vor dem Achtelfinal-Rückspiel der Champions League (Dienstag, 20.45 Uhr, SF 2 live) den Eindruck, an seine Chance zu glauben.

Gemessen an Gelassenheit und guter Laune hat der FC Basel die Nase ganz knapp vorne. Zumindest knapp 33 Stunden vor dem Anpfiff in München und entsprechend dem, was von den beiden Clubs zu hören ist. Beim FC Basel hält man sich an der guten Ausgangslage fest, die mit dem 1:0-Hinspielsieg geschaffen wurde und spricht man ansonsten von Respekt gegenüber dem mächtigen Gegner und der Demut vor den Kräfteverhältnissen in diesem Achtelfinalclash.

Ausserdem klingt bei Marco Streller, Alex Frei wie auch Trainer Heiko Vogel durch, was es braucht, um den ohnehin schon historischen Lauf in der Champions League fortzusetzen: einen couragierten Auftritt, und, wie es Frei ausdrückt: «Ganz viel Schwein.»

Dem FC Bayern reicht vielleicht schon ein Schweinsteiger. Um den Einsatz des Nationalspielers gibt es das einzige Fragezeichen in der Bayern-Aufstellung. Fünf Wochen hat er mit einem Bänderanriss pausiert, gegen Hoffenheim gab er für 30 Minuten ein umjubeltes Comeback und am Montag fügte sich Schweinsteiger bescheiden in die Rolle desjenigen, dem es nur um das Wohl des Vereins geht: «Natürlich bin ich heiss. Aber ich wäre dem Trainer nicht böse, wenn ich nicht von Anfang an spiele. Die Mannschaft ist gut genug, um auch ohne mich zu gewinnen, auch gegen den FC Basel.»

Die Bayern haben viel zu verlieren

Natürlich gibt es keinen Grund für Jupp Heynckes, seinen Schlüsselspieler nicht zu bringen. Verletzungspause hin oder her. Denn eines ist klar: Für den FC Bayern steht mehr auf dem Spiel als für die Basler. Ein Scheitern des deutschen Rekordmeisters in der ersten K.o.-Phase gegen den Schweizer Meister wäre am Schauplatz des Champions-League-Finals am 19. Mai nicht vermittelbar. Die Münchner haben am Dienstag sehr viel zu verlieren, die Basler dagegen «können eigentlich nur gewinnen» (Streller).

Und dann ist da dieses latente Gefühl, dass dieser FC Basel in der Lage ist, den grossen FC Bayern ein zweites Mal herauszufordern. Wenn einer (Schweizer) Mannschaft ein «nächstes Wunder» (Frei) zuzutrauen ist, dann dieser. Heiko Vogels Team hat einen Lauf, sie hat seit der letzten Niederlage in der Meisterschaft vor fast sieben Monaten ein einziges Mal verloren, in der Champions League gegen Benfica. Sie hat ihr Selbstbewusstsein seit dem 20. August mit 20 Siegen (bei sechs Remis) aufgepumpt, sie hat sich defensiv stabilisiert und sie ist quasi frei von Verletzungssorgen.

Der Druckwelle standhalten

Der Trainer des FC Basel, zehn Jahre lang Juniorencoach beim FC Bayern, hat es dieser Tage in einem Interview mit dem «Tagesanzeiger» noch einmal herausgestrichen: «Die Mannschaft hat ein Urvertrauen in die eigenen Fähigkeiten.» Und der TagesWoche sagte Präsident Bernhard Heusler, wie er die Mannschaft spürt: «Sie verfügt über den wichtigen Glauben, ein Spiel gar nicht verlieren zu können.»

Das Rückspiel in der mit 66’000 Zuschauern ausverkauften Allianz Arena könnte in den Augen des Trainers ungefähr so ablaufen: «Es gilt der ersten Druckwelle der Bayern standzuhalten, sich aber nicht zu verstecken. Wir haben genügend lucky puncher in unseren Reihen, und mit jedem Tor, das wir erzielen, wird es für die Bayern noch schwieriger.»

«Mut ist ein tolles Wort»

Für wesentlich hält Vogel eine Eigenschaft, die seine Mannschaft in dieser Kampagne schon oft genug demonstriert hat: «Es geht nicht um die Ausrichtung, sondern um die Einstellung – und die muss mutig sein.» Im Medienraum der Allianz Arena, der ungefähr so gross ist wie ein Kinosaal, lauschte der 36-Jährige am Montag diesem Satz nach und befand dann: «Mut ist ein tolles Wort für den Dienstag, das ist der entscheidende Faktor.»

Die Basler haben allen Grund, sich dem Gegner mit breiter Brust zu stellen. Sie haben Manchester United aus dem Wettbewerb geworfen, sie sind eine gefestigte Einheit und sie sind einen bedeutenden Schritt weiter als 2010. Damals verloren sie das Hinspiel – nach zwei Schweinsteiger-Toren –, um im Rückspiel erst selbst beste Chancen zu vergeben und sich hernach in ihr Schicksal zu fügen: sie liessen sich von den Bayern erdrücken.

Die Frage ist, wie viele Nadelstiche nötig sein werden, um die Chance auf ein Weiterkommen aufrechtzuerhalten. Die Basler Auswärtsbilanz – dreimal ungeschlagen, in Manchester und Bukarest jeweils drei Tore erzielt und in Lissabon eines – ist imponierend, die Heimbilanz der Bayern aber ebenso. Zwei Spiele gingen verloren (jeweils 0:1 gegen Mönchengladbach und Dortmund), allein in der Bundesliga wurden 43:4 Tore, und wettbewerbsübergreifend wurden 16 von 18 Heimpartien gewonnen.

«Gegen Basel muss man weiterkommen»

Das letzte am Samstag und das gleich mit 7:1 gegen ein inferiores Hoffenheim. Diesen Stimmungsaufheller haben die Bayern nach etlichen Nackenschlägen in den vergangenen Wochen, darunter das 0:1 in Basel, auch dringend benötigt. Und wo ein «0:0 auswärts schon als Katastrophe gewertet wird», wie Jupp Heynckes fatalistisch feststellte, wo vergangene Woche fast alles und auch der Trainer in Frage gestellt wurde, da reicht ein Auftritt wie gegen Hoffenheim bereits, um quasi über Nacht zu ganz anderen Urteilen zu kommen.

«Bild» sieht bereits ein «neues Bayern-Hoch» heraufziehen, die sieben Tore leitete die «Abendzeitung» als «sieben Grüsse nach Basel» weiter, und das dritte Boulevard-Blatt, die «tz», stellt ganz nüchtern fest, dass «eigentlich nur das Basel-Spiel zählt» und fordert unverblümt: «Jetzt ballert auch die Basler weg!»

Einen solchen Imperativ würde Uli Hoeness natürlich nicht verwenden, zumindest nicht öffentlich. Aber unmissverständlich war es trotzdem, was er am Samstagabend im «ZDF-Sportstudio» sagte: «Dienstag ist ein sehr wichtiges Spiel. Wenn wir ausscheiden, ist es schwierig, diese Saison noch gut zu machen. Gegen Basel muss man weiterkommen, und ich bin überzeugt davon, dass wir das schaffen.»

Das gefährliche 0:1

So klingt also die Münchner Zuversicht: Gegen Basel muss man weiterkommen. Diese Haltung kann man sich als FC Bayern, als deutscher Rekordmeister, als dreifacher Landesmeistersieger, zweifacher Champions-League-Gewinner, als Erfinder des «Mir san mir» leisten. Fast ein bisschen gönnerhaft meinte Jupp Heynckes, dass «der FC Basel im Hinspiel gezeigt hat, dass er auf einem sehr guten Niveau Fussball spielen kann». Jetzt aber, so der 66-jährige Bayern-Coach, «wird das Rückspiel unter ganz anderen Bedingungen stattfinden».

Seine Argumente dafür – neben der von ihm als «sehr homogen» gelobten Leistung gegen Hoffenheim: «Wir haben als FC Bayern grosse internationale Erfahrung, viele Spieler mit 80, 85 Länderspielen, und deswegen bin ich sehr zuversichtlich, dass wir Basel die erste Niederlage beifügen und ins Viertelfinale einziehen können. Wir sind extrem gefordert, aber solche Spiele machen den Fussball ja auch aus.»

Immerhin taxiert Manuel Neuer das Rückspiel als «gefährlich», weil im Hinspiel das Ziel, selbst ein Tor zu erzielen, verfehlt wurde. «Und weil wir wissen, dass Basel immer in der Lage ist, ein Tor zu erzielen.» Aber der Bayern-Goalie stützt sich auf die Heimstärke, viele Spiele, die zu null und hoch gewonnen wurden.

Nikosia gegen Basel – eine charmante Vorstellung

Münchner Heimstärke – davon kann Alex Frei ein Lied singen, seit er bei Borussia Dortmund gespielt und «das am eigenen Leib» erfahren hat. All das unterstreicht die Basler Rolle als «absoluter Aussenseiter» (Frei), und der Torjäger mit der phänomenalen Quote will vor der Herausforderung des Giganten Bayern München eines nicht vergessen zu betonen: «Wir sind kein Verein, der an Realitätsverlust leidet. Wir wissen uns einzuschätzen.» Was das bedeutet? «Wir kommen mit einem 1:0, damit konnten wir die Ausgangslage für das Rückspiel offen gestalten, und das spricht für die Qualität der Mannschaft.»

Alles weitere wäre ein Zugabe, mit der der FC Basel in Dimensionen vorstossen würde, von denen vielleicht geträumt wird, die für einen Schweizer Verein aber als nahezu unerreichbar gelten. Aber warum soll nicht gelingen, was einem zypriotischen Club vergangene Woche gelungen ist. Nikosia gegen Basel im Viertelfinal – eine charmante Vorstellung, zumindest aus der Perspektive eines Landes, dass nicht verwöhnt ist mit den grossen Paukenschlägen des Fussballs.

Vogels Optionen
Man könnte meinem, die beiden Mannschaften stellen sich von alleine auf: Die Basler spielen mit jener Elf, die den Bayern im Hinspiel eine empfindliche 0:1-Niederlage beibrachte, und die Münchner bauen den wiedergenesenen Bastian Schweinsteiger in die Siegerelf gegen Hoffenheim ein. Einen Spieler, den Trainer Jupp Heynckes «in einer Liga mit Xavi, Iniesta und Busquets» sieht und damit wahrscheinlich nicht einmal sonderlich übertreibt. Einziges Argument gegen einen Schweinsteiger-Einsatz: fehlende Matchpraxis nach fünf Wochen Pause. Dann würde Luiz Gustavo beginnen. Leicht angeschlagen bei den Münchnern: Ribéry und Gomez; die Wahrscheinlichkeit, dass sie nicht spielen werden: gegen null.
Beim FC Basel bieten sich Heiko Vogel zwei Optionen: Philipp Degen als Rechtsverteidiger beginnen zu lassen, Steinhöfer auf die linke Seite zu verschieben und Joo Ho Park auf die Bank. Alternativ zu Fabian Frei, der defensiv einen sehr wertvollen Beitrag im Hinspiel leistete, wäre natürlich genauso Valentin Stocker in der Startelf vorstellbar. Für eine Taktik der Nadelstiche wäre der Schütze des Siegtores in Basel wahrscheinlich noch geeigneter.

Mögliche Aufstellungen
FC Bayern: Neuer; Lahm, Boateng, Badstuber, Alaba; Schweinsteiger, Kroos; Robben, Müller, Ribéry; Gomez.
FC Basel: Sommer; Steinhöfer, Abraham, Dragovic, Park; Shaqiri, Huggel, Xhaka, F. Frei; A. Frei, Streller.
Schiedsrichter: Mark Clattenburg (England)

 

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