Die zwei Seiten einer Basler Europacup-Saison

14 internationale Spiele hinterlassen nach dem Aus in Sevilla einen zwiespältigen Eindruck: Die Vereinsführung freut sich über den sportlichen Erfolg, die Spieler hätten sich lieber in der Champions League gesehen, die Fans sowieso. Auch in Zukunft wird es aber Europa-League-Teilnahmen geben – und das hat durchaus positive Aspekte.

(Bild: Keystone/TagesWoche)

14 internationale Spiele hinterlassen nach dem Aus in Sevilla einen zwiespältigen Eindruck: Die Vereinsführung freut sich über den sportlichen Erfolg, die Spieler hätten sich lieber in der Champions League gesehen, die Fans sowieso. Auch in Zukunft wird es aber Europa-League-Teilnahmen geben – und das hat durchaus positive Aspekte.

Im Bauch der steilen Rampe des Estadio Ramón Sánchez Pizjuán versperrt Bernhard Heusler den Durchgang. Der Präsident des FC Basel steht vor den Kameras und Mikrophonen, zwei Meter neben ihm wartet ein Mitarbeiter des Sevilla FC. Er möchte zu dieser späten Stunde mit zwei sperrigen Kisten auf Rädern gerne das Stadion verlassen. Aber an Heusler führt kein Weg vorbei. Und es ist der vielleicht einzige Moment an diesem Donnerstagabend, in dem ein Basler einen Spanier am Durchkommen hindert.

Ansonsten hatten die Andalusier leichtes Spiel. Das 3:0 im Achtelfinal war der unmissverständliche Ausdruck der Stärkeverhältnisse, auf die der FCB am Ende seiner Europacup-Saison traf. Präsident Heusler sagt: «Unter dem Strich waren wir in Sevilla chancenlos», Trainer Urs Fischer sagt: «Das sehe ich nicht so.»

Die Meinung der neutralen Beobachter ist näher an derjenigen Heuslers. Dem FCB wurde ein Gegner zugelost, der im St.-Jakob-Park zwar nicht über ein torloses Unentschieden hinausgekommen war, im Rückspiel aber seine unheimliche Heimserie von nunmehr 17 Siegen in Serie ausgebaut hat. Den überragenden Michael Krohn-Dehli, bald im Zentrum, bald auf beiden Seiten agierend, hatten die Basler kaum unter Kontrolle, mit der Schnelligkeit Kevin Gameiros kamen sie nicht zurecht, und in der Innenverteidigung leistete sich Daniel Hoegh zu viele Fehler.

Viermal höhere Löhne in Sevilla

Diese Europacup-Saison «hat mit einer Enttäuschung begonnen – und sie endet mit einer Enttäuschung», blickt Aussenverteidiger Michael Lang zurück. In der Enttäuschung des Ausscheidens vergessen die Spieler nicht, wie die Hoffnungen im Sommer zerstört wurden. Die Hoffnungen auf die Sterne, die diese europäische Fussballwelt bedeuten, die Hoffnungen auf eine Teilnahme an der hochglänzenden Champions League.



Maccabi Tel Aviv's Dor Peretz and Tal Ben Haim celebrate after advancing to the group stages of the Champions League following their soccer match against Basel at the Bloomfield stadium in Tel Aviv August 25, 2015. REUTERS/Baz Ratner

Maccabi Tel Aviv feiert im Sommer den Einzug in die Champions League – der FC Basel (nicht auf dem Bild) bleibt auf der Strecke. (Bild: Reuters/BAZ RATNER)

Nachdem der polnische Meister Lech Posen in der dritten Qualifikationsrunde keine hohe Hürde gewesen war, scheiterten die Basler mit zwei Unentschieden an Maccabi Tel Aviv, das in der Gruppenphase schliesslich keinen einzigen Punkt gewann. Diese Poule der Königsklasse hätte noch so gerne der FCB selbst bestritten – sagen zumindest die Spieler frank und frei: «Grundsätzlich hätte ich lieber in der Champions League als in der Europa League gespielt», bestätigt Luca Zuffi wenige Minuten vor der letzten Flugreise der Saison.

Doch wie sieht das die Vereinsführung? Präsident Bernhard Heusler streicht heraus, wie erfolgreich diese Europa League verlaufen sei: «Sportlich bin ich sehr glücklich mit dieser Kampagne» – mit dem Auswärtssieg gegen die ACF Fiorentina und Ex-Trainer Paulo Sousa, mit dem ersten Gruppensieg der Vereinsgeschichte im Europacup, mit dem Weiterkommen gegen das französische Spitzenteam AS Saint-Etienne nach einem Nerven strapazierenden Rückspiel. Und mit dem Ausscheiden gegen den Titelverteidiger, der in dieser Form für die Basler Mannschaft ausser Reichweite war.

Die Entfernung zu den Topteams? «Das sind Galaxien»

Der FCB hätte im Achtelfinal kaum auf einen besseren Gegner treffen, kaum vor beeindruckenderer Kulisse scheitern können als in diesem Estadio Ramón Sánchez Pizjuán aus den 1950er-Jahren. Rotblau ist zwar nicht auf dem Höhepunkt des Wettbewerbs, aber irgendwie auf dem Höhepunkt der Gegnerschaft abgetreten. Mit einer FCB-Mannschaft, die Heusler als «wunderbaren Jahrgang bezeichnet», mit einem Trainerstab und allen beteiligten Menschen, auf die der Präsident stolz ist.

Auch deswegen formuliert Heusler die These: «Ich bin hin und hergerissen. Am Anfang wollten wir unbedingt in diese Gruppenphase der Champions League kommen. Aber jetzt, da wir diese Europa League erlebt haben, und wenn ich die Entwicklung im europäischen Clubfussball berücksichtige, dann muss ich sagen: Ein Wettbewerbsverlauf wie dieser wäre in der Champions League kaum möglich gewesen. Rückblickend würde ich diese Europa-League-Kampagne nicht mit einer Champions-League-Teilnahme eintauschen.»

Zu dieser gewagten These fügt Heusler an: Die Europa League sei fast spannender und aussagekräftiger, wenn man den FCB europäisch einordnen wolle.

In der Champions League hätten die Basler die Gruppe wohl nicht gewonnen. Und hätten sie diese zumindest überstanden, wäre die Wahrscheinlichkeit gross gewesen, wie im Vorjahr in den ersten Finalspielen aus dem Wettbewerb auszuscheiden. «In der K.o.-Phase ist man Teil eines kleinen Kreises sehr privilegierter Clubs», findet Heusler, «Clubs, die grösser sind und mehr Mittel haben als wir.»



epa04935847 Basel's Mohamed Elneny (C) celebrates with his teammates after scoring the 2-1 lead during the UEFA Europa League group I soccer match between AC Fiorentina and FC Basel 1893 at the Artemio Franchi stadium in Florence, Italy, 17 September 2015. EPA/GEORGIOS KEFALAS

In Florenz gewinnt der FC Basel gegen einen grossen Namen im europäischen Fussball. Es ist das Spiel, das von vielen Direktbeteiligten immer wieder als Höhepunkt dieser Europacupsaison bezeichnet wird. (Bild: Keystone/GEORGIOS KEFALAS)

Die Unterschiede zwischen den Topteams und dem FCB sind gross. Und um Beispiele dafür zu nennen, muss man nicht mal in der Königsklasse suchen: Sevilla zahlt Löhne, die rund viermal höher sind als in Basel, hat sich FCB-Sportdirektor Georg Heitz beim offiziellen Treffen mit der Sevilla-Clubspitze schildern lassen. Bei den Topverdienern ist die Kluft noch grösser, und zeigt, wie weit der Sevilla Fútbol Club vom FC Basel entfernt ist. «Das sind Galaxien», sagt Heitz.

Durchschnittlich 19’226 Zuschauer bei internationalen Spielen

Zusammen mit der Champions-League-Qualifikation hat der FCB 14 Europacup-Spiele absolviert, davon sieben gewonnen und vier Unentschieden erreicht. Allein: Diese Zahl 14 macht die Anhänger der Mannschaft noch nicht glücklich, diese in den letzten Jahren mit Erfolgen verwöhnte Fussballregion. Sie möchte am liebsten Jahr für Jahr die Grossen des europäischen Clubfussballs im eigenen Stadion sehen, die Ronaldos, Müllers und Ibrahimovics dieser Welt.

» Auch übernächste Saison winkt ein Direktplatz in der Champions League – die Schweiz steht im Uefa-Ranking gut da

Die Realität ist: Auch für den helvetischen Primus ist die Königsklasse keine Selbstverständlichkeit. Das wiederholen die Vereinsverantworlichen fast gebetsmühlenartig. Nur: Der Konsument hat seine ganz eigene Realität. Und die führt dazu, dass viele von ihnen nicht ins Stadion kommen, wenn der Gegner beispielsweise Saint-Etienne heisst. Da können die Weiss-Grünen aus der Loire noch so französischer Rekordmeister sein.



FC Basel's players cheeer after scoring during the UEFA Europa League Round of 32 second leg soccer match between Switzerland's FC Basel 1893 and France�s AS Saint-Etienne at the St. Jakob-Park stadium in Basel, Switzerland, on Thursday, February 25, 2016. (KEYSTONE/Georgios Kefalas)

Dramatischer geht es nicht mehr: Da kassiert der FC Basel in der 90. Minute den Ausgleich gegen Saint-Etienne, ist damit eigentlich ausgeschieden, doch Luca Zuffi erlöst den Schweizer Meister in der Nachspielzeit – und der St.-Jakob-Park ist beinahe nicht mehr zu kontrollieren. (Bild: GEORGIOS KEFALAS)

19’226 Zuschauer kamen bei den sieben internationalen Heimspielen durchschnittlich in den St.-Jakob-Park. «Das ist keine schlechte Zahl, ich bin deswegen nicht enttäuscht, das ist halt einfach so», sagt Heusler. Das Stadion ist auch deswegen nicht gefüllt, weil die Jahreskarteninhaber die Tickets für den Europacup zusätzlich zahlen.

Mit den vorhandenen Strukturen Schritt für Schritt vorwärts gehen

Wo geht die Reise also hin mit dem FC Basel? Eine Reise, auf dem der Schweizer Meister auch in Zukunft Jahre ohne Champions League erleben wird? «Es klingt wenig spektakulär», sagt Heusler, «aber wenn wir den Verein in diesen Strukturen weiterführen wollen, dann ist der nächste Schritt immer der Gewinn der Meisterschaft. Dann können wir versuchen, im Europacup eine gute Figur abzugeben und nach Möglichkeit europäisch zu überwintern.»

Das Tagesgeschäft heisst ab sofort und für den Rest der Saison: Super League. Dort geht es am Sonntag in Sion weiter. Mit 14 Punkten Vorsprung auf die Young Boys dürfte den Baslern der Meistertitel nicht mehr zu nehmen sein. Damit verbunden ist die direkte Qualifikation für die Champions League. «Dann können wir wieder vom Überwintern reden», sagt Heusler, und lässt ihn schliesslich doch noch durch, diesen Spanier mit seinen zwei Kisten.

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Berichterstattung über die Europacup-Saison 2015/16:

Champions-League-Qualifikation

3. Runde
Hinspiel | Lech Posen (a)  | 3:1 | » Der FCB ist auf sehr gutem Weg
Rückspiel | Lech Posen (h)  | 1:0 | » Ungefährdet in die Playoffs

Playoffs
Hinspiel | Maccabi Tel Aviv (h) | 2:2 | » Die kalte Dusche in der 96. Minute
Rückspiel | Maccabi Tel Aviv (a) | 1:1 | » Die Champions League ist für den FCB geplatzt

Europa League

Gruppenphase
1. Runde | ACF Fiorentina (h) | 2:1 | » Der FCB gewinnt das vielleicht schwierigste Spiel
2. Runde | Lech Posen (a) | 2:0 | » Bjarnason und Embolo versüssen Magerkost
3. Runde | OS Belenenses (h) | 1:2 | » Der FCB blamiert sich
4. Runde | OS Belenenses (a) | 2:0 | » Die Revanche gelingt
5. Runde | ACF Fiorentina (h) | 2:2 | » Der FCB ist zum ersten Mal Gruppensieger
6. Runde | Lech Posen (a) | 1:0 | » Gute Figur beim Debütantenball

Sechzehntelfinal
Hinspiel | AS Saint-Etienne (a) | 2:3 | » Nach verrücktem Spiel ist alles offen
Rückspiel | AS Saint-Etienne (h) | 2:1 | » Luca Zuffi macht den St.-Jakob-Park zur Festhütte

Achtelfinal
Hinspiel | Sevilla FC (h) | 0:0 | » Das Unentschieden der verpassten Möglichkeiten
Rückspiel | Sevilla FC (a) | 0:3 | » Das Aus – Sevilla überrennt den FCB

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