Eunice Beckmann hasst Pasta. «Solltet ihr mich je Pasta essen sehen, dann bin ich wahrscheinlich schwanger.» Eunice Beckmann, die aus Wuppertal stammt und für den FC Basel kickt, hat sich den Knöchel verdreht. «Dummes Timing, am Wochenende beginnt die Rückrunde.»
Sie trägt einen Leopardenmantel, die kreisrunde Brille auf der Nase ist nachtschwarz verdunkelt. Sie tanzt zu den Spice Girls. «Tell me what you want, what you really really want.»
Das Video werden sich Stunden später 300’000 bis 500’000 Leute angesehen haben. Nicht schlecht im Vergleich: Die Zuschauerzahlen aller Saisonspiele der FCB-Frauen zusammengenommen, ergeben einen Bruchteil der Öffentlichkeit, die Beckmann neuerdings Woche für Woche bei Youtube abgreift.
Torgarantin Beckmann
«Läuft bei mir», lacht Beckmann und meint damit erstmal den Fussball: 15 Tore hat sie in ebenso vielen Saisonspielen erzielt und steht damit an der Spitze im Torschützenklassement der NLA. Öfter hat sie in ihrer Karriere, die 2011 mit dem U19-Europameistertitel mit Deutschland einen ersten Höhepunkt erreichte, überhaupt noch nie getroffen in einer Saison.
Die 26-Jährige fühlt sich gut, ist fit und der FC Basel liegt Mitte Februar nur drei Punkte hinter Zürich. Während des Gesprächs kommen Mitspielerinnen vorbei, schütteln Beckmann spasseshalber die Hand, gratulieren zum Erfolg, sagen: «Es ehrt uns, dass Sie hier bei uns spielen.»
Bei Beckmann läufts also wirklich und man kann ahnen, was die Anfrage aus Schottland Ende letzten Jahres bei ihr auslöste. Die Uefa, der europäische Fussballdachverband, klopfte an und fragte, ob sie nicht Lust hätte, Teil der Youtube-Serie «Press Play» zu werden.
Beckmann verbringt viel Zeit auf Youtube, twittert und instagrammt gern und lebt neben dem Platz ohnehin ein bisschen im Internet. Klar hatte sie Lust. Die Uefa schickte eine schneeweisse Kamera, dazu ein Stativ und Ideen, was damit zu filmen sei.
Wie trainierst du so? Was kochst du so? Welche Musik hörst du so? Wer bist du, Eunice Beckmann?
Fussball soll zum populärsten Sport für Frauen werden
«Es geht darum, Teenagern zu zeigen, wie es ist, als Profifussballerin zu leben», sagt Beckmann über die Kampagne. «Die Kids sollen sehen, dass wir Spass haben an dem, was wir tun, und dass es sich vielleicht lohnen kann, mit dem Fussballspielen anzufangen oder dranzubleiben, wenn es mal nicht so gut laufen sollte.»
Die Uefa ihrerseits pusht die Umtriebe mit wissenschaftlichen Erkenntnissen: So hat der Europäische Fussballverband in Zusammenarbeit mit der Universität von Birmingham in einer Studie zeigen können, dass fussballspielende Mädchen über mehr Selbstvertrauen verfügen als diejenigen, die einen anderen oder gar keinen Sport treiben.
Bis 2020, so das erklärte Ziel der Kampagne «We Play Strong», an der sich auch die Abteilung Sport der EU-Kommission beteiligt, soll Fussball in Europa der populärste Sport für Frauen sein. An was sich dieser Spitzenplatz in Sachen Popularität messen liesse, bleibt allerdings offen. An Zuschauerquoten wahrscheinlich, an daraus resultierenden Werbeverträgen auch. Also letztlich am Cashflow.
«Klar brauchen wir mehr Bekanntheit, mehr Sichtbarkeit, mehr Kameras.»
Beckmann geniesst beim FC Basel bereits mehr Aufmerksamkeit als andere, trotzdem hängt sie sich für die Uefa mächtig rein, denn sie findet: «Klar brauchen wir mehr Bekanntheit, mehr Sichtbarkeit, mehr Kameras.»
Die Uefa und ihr Authentizitätsdefizit
Die Uefa folgt derweil dem Trend der Zeit, indem sie ihre Vermarktung an die «Crowd» delegiert – an Spielerinnen aus dem oberen Mittelfeld der Bekanntheitsgrade, wie Beckmann eine ist: «Ich bin noch nicht die berühmteste aller Fussballerinnen.» Das gilt auch für ihre Youtube-Mitstreiterinnen Lisa Evans, Sarah Zadrazil und Laura Feiersinger, die bei Arsenal FC, Turbine Potsdam und dem südbadischen SC Sand spielen.
Diese jungen Frauen von der Basis haben etwas, was der Uefa fehlt. Wie die meisten internationalen Verbände, die gemeinnütziges Engagement mit ökonomischen Interessen verknüpfen, hat der Fussballverband ein gewaltiges Authentizitätsdefizit.
Das typische Uefa-Narrativ geht so: Eine bunte Schar gut aussehender junger Menschen kickt in einem graffitiversprühten, aber sauberen Hinterhof. Alle spielen saugut, klatschen voll gerne ab und lachen verschmitzt, jemand gibt freiwillig die Schiedsrichterin, weil die hier respektiert wird. Aus dem Off pumpt ein Bass und die ganze Zeit geht die Sonne unter. Wer so etwas inszeniert, kennt Bolzplätze nur vom Hörensagen.
Das Idol Beckmann
Umso erfrischender wirkt es, dass die Frauen von We Play Strong ihre eigene Bildsprache pflegen. Nämlich keine. Die Aufnahmen sind schlimm verwackelt, die Lichtverhältnisse mies, Blickwinkel und Bildschärfe zum Davonlaufen und das Mikrofon wird immer irgendwie von Reissverschluss, Armschmuck oder Wind attackiert.
Wirklich Uefa-like ist nur das Intro, danach gehts bergab mit der Ästhetik.
Und das ist gut so. Man kann sich über die Uefa mokieren, aber ein Blick in die Kommentare zu den Videos zeigt: Die Spielerinnen erhalten viel Zuspruch für ihre lockere Art, die besonders eine gut beherrscht: Eunice Beckmann. Die kocht sich Omeletten mit Protein-Pulver, schwingt zu Hause flott übers Laminat und wenn sie ihr «Heyyyy Champions» in die Kamera powert, geht auf Youtube die Sonne auf. Beckmann wird für ihre Art geliebt; auch aus Ghana, woher ihre Eltern stammen, grüssen die Fans ihr Idol.
Beckmann freut sich drüber und sagt: «Ich werde mich wegen der paar Klicks nicht verändern, ich bin wie ich bin. Aber wenn ich auf Youtube mit We Play Strong als Fussballerin zum Vorbild werde, ist das doch cool, oder?» Noch steht die Serie am Anfang, bis Ende Jahr soll Woche für Woche eine Episode dazukommen. Wenn sich Beckmann bis dahin von der Uefa kein Hochglanzprofil überstülpen lässt, dann, ja: Dann ist das cool.