Ein Saisonauftakt, so gar nicht nach Mass. Nach einem harzigen Turnierstart unterlag Federer im Finale in Brisbane dem Kroaten Milos Raonic (4:6, 4:6).
Es war nicht sein Tag. Es war schliesslich auch nicht ganz seine Woche, diese erste Turnierwoche des Jahres 2016 an der Westküste Australiens, im eigentlich sehr schönen Brisbane. Lange musste Roger Federer notgedrungen auf seinen ersten Einsatz bei dem gutbesetzten Wettbewerb warten, eine in der Familie umhervagabundierende Erkältung zwang ihn zum Donnerstagsstart.
Dann schimmerte drei Tage lang unter Volleinsatz die alte, zeitlose Klasse durch, bis zum Einzug ins Finale. Doch auf den Schlussmetern konnte er die unglücklichen Umstände seines Starts doch nicht verheimlichen: Angeschlagen, weder körperlich noch geistig ausreichend frisch, erlebte Federer einen 4:6, 4:6-Endspielausrutscher gegen den trockenen kanadischen Gewaltaufschläger Milos Raonic. «Immerhin habe ich es bis ins Endspiel geschafft. Das ist das Positive», sagte Federer hinterher, «aber ich hätte mir natürlich einen anderen Einstieg in die Serie gewünscht.»
Zu allem Überdruss war folgende kuriose Pointe zu bestaunen: Es gewann ja in Brisbane jener Raonic, bei dem ein gewisser Ivan Ljubicic noch vor nicht allzu langer Zeit als Trainer gedient hatte. An diesem Sonntag sass der Kroate freilich in Federers Box, er ist inzwischen zum Nachfolger des Schweden Stefan Edberg bestellt worden im Hause Federer. Nun musste er aber mitansehen, wie sich sein Ex-Schützling zum Überraschungscoup gegen den 34-jährigen Federer aufschwang.
Übermächtiger Djokovic
«Das ist wie im Traum. Ein Supermoment für mich», sagte Raonic später, ein Mann, der Federer normalerweise nicht arg weh tun kann. Aber der an einem Tag, an dem Federer schlicht seine Potenziale nicht abrufen konnte, ziemlich nervenstark seine Chance nutzte.
Eigentlich hätte man ja an diesem zehnten Tag des neuen Jahres eine Reaktion Federers auf den bärenstarken Auftritt seines härtesten Widersachers überhaupt erwartet, den Nummer-Eins-Mann namens Novak Djokovic. Der hatte bereits am Samstag im Wüsten-Emirat Katar eine brillante Leistung beim 6:1, 6:2-Sieg über den spanischen Matador Rafael Nadal gezeigt. Eine so überragende Gala-Show, dass einem um die gesamte Konkurrenz angst und bange werden konnte.
Nadal verneigte sich mit bisher ungekannten Worten vor Djokovic: «So wie er heute gespielt hat, habe ich noch nie jemanden spielen sehen. Das war nahe an der Perfektion.» Federer war im vergangenen Jahr der einzige Spieler gewesen, der über weite Strecken Djokovic‘ Machtentfaltung überhaupt etwas Widerstand entgegensetzen konnte, immerhin schlug er ihn zweimal im Saisonverlauf – allerdings verlor er auch drei grosse Endspiele gegen ihn. Djokovic scheine die «beste Zeit seiner Karriere zu haben», sagte Federer in Brisbane. Hoffend, ihm vielleicht nach Genesung in Melbourne doch ein Bein stellen zu können.
Die bewährte Taktik versagte
Federer litt im Endspiel unter einer frappierenden Aufschlagschwäche. Insofern frappierend, da es gegen den Service-Kanonier Raonic vor allem darum geht, den eigenen Aufschlag sicher durchzubringen und so die wenigen sich bietenden Chancen zum Break mit einem gerüttelt Mass an Selbstsicherheit zu verwerten.
Doch was bei Federer fast immer gegen den Kanadier mit Balkan-Wurzeln gelang, scheiterte in diesem Finale komplett. «Ich stand dauernd unter Druck, da ich nicht so viel Schlagkraft beim Service hatte», sagte Federer, der selbst nur eine, dann auch ungenutzte Breakmöglichkeit hatte. Raonic dagegen nutzte zwei Chancen recht abgebrüht aus, ein Break pro Satz, das reichte gegen den ausser Normalform und Normalbefindlichkeit agierenden Grand-Slam-Rekordgewinner.
Nun geht es für Federer darum, schnell wieder ganz auf die Beine zu kommen und für Melbourne gerüstet zu sein, das erste Schaulaufen aller Grossmeister. Djokovic ist dort ganz sicher der Favorit, aber viele hoffen sicher auch auf einen schwachen Moment des Capitano aus Belgrad.
Brinsbane war ein schwacher Saisonstart für Roger Federer. (Bild: STRINGER)