Der SC Freiburg zeigt beim 6:3 gegen Nürnberg ein begeisterndes Spiel und scheint den Weggang fast aller bekannten Spieler prima kompensiert zu haben.
Es ist noch gar nicht so lange her, da sassen sie in Freiburg mit finsteren Gedanken in jenem Raum im Schwarzwald-Stadion, in dem sich das Trainerteam tagtäglich mit Sportvorstand Jochen Saier und Sportdirektor Klemens Hartenbach zusammensetzt. Es galt, einen Abstieg zu verarbeiten, mit dem so mancher Spieler nach einem fulminanten Sieg gegen die Bayern am vorletzten Spieltag eigentlich nicht mehr gerechnet hatte.
Dass genau das eines der Probleme war, stellten die Herren dabei genauso schnell fest wie die Tatsache, dass viele Spieler nun nicht mehr zu halten sein würden. Ganz zu schweigen von dem misslichen Umstand, dass man in der Zweiten Liga mal eben 20 Millionen Euro weniger einnimmt, als in der Bundesliga, der der SC stolze sechs Jahre in Folge angehört hatte. Alles in allem war das Treffen Ende Mai also keines, das mit Konfetti-Regen und Champagner geendet hätte.
Ein verdientes Glas Sekt
Wenige Wochen später, am Montagabend, konnte man Sportdirektor Hartenbach dabei beobachten, wie er noch lange nach dem Ende der Pressekonferenz mit konzentriertem Blick die Fernseh-Zusammenfassung des soeben erlebten 6:3-Sieges gegen den 1. FC Nürnberg anschaute und beim zwischenzeitlichen 4:0 durch Mike Frantz (40.) doch tatsächlich kurz lächelte, ehe er wieder die Stirn in Falten legte. Auf die Frage, ob er sich denn nach einem solch erfolgreichen Abend nicht einmal einen Moment der Freude gönnen wolle, hatte er eine schlagfertige Antwort parat: «Aber ich weiss doch noch gar nicht, wie das Spiel ausgeht…»
Die Botschaft der Freiburger Fans. (Bild: Imago)
Man kann dem Mann und seinen arbeitswütigen Freiburger Kollegen nur wünschen, dass sie sich am Ende eines ereignisreichen Abends doch noch ein Gläschen gegönnt haben, denn nach Lage der Dinge haben sie beim SC wieder eine Mannschaft zusammengestellt, die in der Zweiten Liga für Furore sorgen könnte. Und das mit Neuzugängen, die mit Ausnahme des dreifachen Torschützen Nils Petersen (8./11./13.) wohl nur Insidern bekannt waren.
Doch Spieler wie Amir Abrashi, Vincenzo Grifo und selbst der spät eingewechselte Tim Kleindienst hatten am Montag grossen Anteil daran, dass die bemitleidenswert schwachen Nürnberger Spieler von einer Verlegenheit in die nächste gestürzt wurden und am Ende froh sein mussten, dass sie dank einer kurzen Freiburger Schwächephase nur 3:6 verloren hatten. Maximilian Philipp (61.) und Julian Schuster (90.) hatten auf die drei Nürnberger Tore durch Kevin Möhwald (44.), Hanno Behrens (46.) und Alessandro Schöpf (53.) geantwortet.
«Wir waren heute einfach nur schlecht», sagte FCN-Trainer René Weiler. «Ich möchte da gar nichts beschönigen. Das war ein Fussball-Albtraum.» Der bedauernswerte Weiler betreut eine unfertige Mannschaft, ein Rechtsverteidiger und ein Angreifer sollen noch kommen. Dass er sich darüber nicht beschwert, ist ihm hoch anzurechnen.
Bedient: René Weiler, der Schweizer Trainer des 1. FC Nürnberg bei der Klatsche zum Saisonstart in Freiburg. (Bild: Imago)
Schöne Reserven für die Zukunft
Ganz anders die Lage bei den Badenern: Gut 25 Millionen Euro hat der SC für Spieler wie Admir Mehmedi, Felix Klaus und Oliver Sorg, Jonathan Schmid, Roman Bürki oder Vladimir Darida eingenommen. Und nur ein Viertel davon investiert, den Löwenanteil davon für Petersen, der schon in der vergangenen Spielzeit neun Treffer in 12 Spielen beigesteuert hat.
Christian Streich, dieser eigentlich sehr ehrgeizige Coach, hat das grosse Sparen nicht nur verbal mitgetragen. Dass Reserven für den Nachwuchs und den geplanten Stadionneubau zurückgelegt werden, hält auch er für den Freiburger Weg.
Jetzt bloss nicht abheben: Sportclub-Trainer Christian Streich erlebt nach dem bitteren Abstieg einen spektakulären Start in die Mission Wiederaufstieg. (Bild: Imago)
Streich wäre im Übrigen nicht er selbst, wenn er nicht unmittelbar nach solch einem Gala-Auftritt warnen würde: «Sollte einer auf die Idee kommen, nach diesem Sieg abzuheben, wäre das der erste Schritt in eine ganz falsche Richtung.» «Der Abstieg ist schon wieder sehr weit weg», sagte Petersen, der mit seinem Hattrick nach 13 Minuten einen neuen Liga-Rekord aufgestellt hatte. «Wir fahren ja auch ganz gut damit, uns voll auf diese Liga zu konzentrieren.»
Defensiv noch Luft nach oben
So staubtrocken das alles klingen mag, wer diesen Sieg zu relativieren versucht, tut das Richtige. Nicht nur, weil es nicht mehr viele Gegner geben wird, die den SC so werden kombinieren lassen wie die desaströsen Nürnberger, die im Zentrum genauso überfordert waren wie auf den beiden Aussenbahnen. Sondern auch, weil in der sowieso kaum geforderten Defensive noch Luft nach oben ist.
Drei Gegentreffer, wie sie die Freiburger zwischen der 44. und der 53. Minute kassierten, kann man sich in einem Pflichtspiel in der Regel nicht leisten. «Vieles war heute sehr gut», sagte Streich dann auch. «Wir hatten aber auch Schwächephasen in unserem Spiel, die wir besprechen müssen.»
Das werden sie garantiert bei diesem Verein, der selbst dann auf Konfetti und Champagner verzichtet, wenn man einem Aufstiegskonkurrenten locker, lässig und leicht sechs Gegentore verpasst hat.
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» Der Spielplan des SC Freiburg
Die Tabelle nach dem ersten Spieltag der 2. Bundesliga:
(Bild: Screenshot bundesliga.de)