Am Sonntag beginnen in London die ATP World Tour Finals. Novak Djokovic geht als haushoher Favorit ins Rennen um den inoffiziellen Weltmeistertitel. Wir stellen Ihnen trotzdem alle Teilnehmer vor.
Sieben Tage dauern die ATP World Tour Finals, die am Sonntag in der Londoner O2-Arena beginnen. Die acht Besten des Tennisjahres 2015 treten in zwei Gruppen gegeneinander an. Die Gruppenersten spielen gegen den Zweiten der jeweils anderen Gruppe um den Finaleinzug.
Die Auslosung ergab folgende Gruppenzusammensetzungen:
Gruppe Stan Smith: Novak Djokovic, Roger Federer, Tomas Berdych, Kei Nishikori
Gruppe Ilie Nastase: Andy Murray, Stan Wawrinka, Rafael Nadal, David Ferrer
In der Reihenfolge ihrer Klassierung in der Weltrangliste stellen wir Ihnen die acht Teilnehmer vor:
Novak Djokovic | Nationalität: Serbien / Alter: 28 / ATP 1 / Saisontitel: 10 / Karrieretitel: 58 / Siege-Niederlagen 2015: 78:5
Er ist der Mann der Stunde, der Mann des Herbstes, überhaupt der Mann der ganzen Saison 2015. Djokovics Bilanz erinnert an die besten Zeiten von Roger Federer, festgehalten in den Jahren 2006 und 2007. Ausgerechnet der Profi, der früher kränkelte und oft in den wichtigen Momenten gerne mal ins Scheitern verliebt war, präsentierte sich als Muster an Standhaftigkeit und Ausdauer. Mit Ausnahme der French Open gewann Djokovic so ziemlich alles, was ihm lieb und heilig war, darunter auch drei Grand Slam-Pokale in Melbourne, Wimbledon und New York. Selbst die Besten bissen sich ständig die Zähne aus an dem Dominator, der einsamsten Nummer 1, die es seit Einführung der Weltrangliste gab. So bleibt ihm für 2016 nur ein grosses Nah-Ziel erhalten: der König von Roland Garros zu werden. Und dann vielleicht sogar der Gewinner des Grand Slam, aller vier Major-Turniere in einer Saison.
Andy Murray | Schottand / 28 / Schottland / ATP 2 / 4 / 35 / 68:12
(Bild: Keystone/MICHEL EULER)
Der britische Hoffnungsträger ist einer von nur vier Spielern, die heuer gegen Djokovic gewannen – im Masters-Finale von Toronto. Ob er dieses Kunststück in der 02-Arena wiederholen kann, scheint eher zweifelhaft. Zumal Murray vor einem Spagat auf den letzten Metern der Serie steht – herausgefordert nicht nur durch die inoffizielle Weltmeisterschaft auf heimischem Terrain, sondern auch durch das historische Davis-Cup-Endspiel in der Woche nach dem Tourfinale in Belgien. Zwischenzeitlich liebäugelte der 28-jährige sogar mit einem WM-Verzicht, will nun aber beide Prüfungen angehen. Murray begann die Saison stark, war Finalist an den Australian Open. Und er nahm nach vorübergehenden Schwächemomenten dann wieder im Herbst Fahrt auf. Sein wichtigstes Ziel für 2016: Djokovic und die anderen Topleute noch öfter in den grosen Spielen schlagen.
Roger Federer | Schweiz / 34 / ATP 3 / 6 / 88 / 59:10
Das Motto des unermüdlichen Meisterspielers könnte lauten: der alte Mann und das Mehr. Als betagtester aller Spitzencracks hat Federer in dieser Saison eindrucksvoll Zeugnis für seine scheinbar zeitlose Stärke abgeliefert. Auch mit 34 Jahren ist Federer jederzeit und überall in Schlagdistanz zu allen Trophäen und Titeln, die im Wanderzirkus von Gewicht sind. Sein Problem hat einen Namen: Djokovic. Denn der Serbe aus Belgrad war es, der neue Grand-Slam-Rekorde von Federer verhinderte – in den Endspielen von Wimbledon und den US Open. Andererseits war Federer der einzige Spieler, der Djokovic 2015 mehr als einmal bezwang (Dubai, Cincinnati). Für Federer gilt es, in der nächsten Saison sein hohes Niveau zu halten. Und klammheimlich darauf zu hoffen, dass Djokovic vielleicht doch etwas an Dominanz einbüsst, insbesondere bei den Grand Slams.
Stan Wawrinka | Schweiz / 30 / ATP 4 / 4 / 11 / 53:16
Seine grösste Stunde als Tennisprofi schlug in diesem Jahr, im Endspiel der French Open. Wie Wawrinka da gegen den Klassenbesten Djokovic all seine Potenziale freilegte, wie er sich in diesem physischen und psychischen Gigantenduell durchsetzte, war schlicht bestechend. Wawrinka bewies auch in anderen Matches sein neugewonnenes Format, demonstrierte wiederholt seine Zugehörigkeit zur absoluten Weltelite. Nur war er auch, wie alle anderen Elitespieler, deutlich überfordert, ähnlich hartnäckig auf allerhöchstem Niveau zu spielen wie Djokovic. Gleichwohl: Er, Wawrinka, ist der Gegner, vor dem die Nummer 1 zurzeit den meisten Respekt hat; und den er auch in London fürchtet. Ein Endspiel zwischen dem Schweizer und dem Serben würde jedenfalls nicht verwundern. Wawrinka wird sich für 2016 vor allem wünschen, seine Leistungsschwankungen zu reduzieren, die etwas unerklärlichen Schwächephasen, die ihn zu oft und dann zu lange befallen.
Rafael Nadal | Spanien / 29 / ATP 5 / 3 / 67 / 58:19
Ganz langsam, ganz zäh, aber mit der alten Unermüdlichkeit im Tun hat sich der Matador aus Manacor wieder an die engere Weltspitze herangearbeitet. In das Tour Finale geht der Kämpfertyp schon wieder als Nummer 5 der Tennischarts, allerdings nicht als einer der heissen Favoriten auf den Gesamttriumph. Die WM-Krone ist der einzige wirklich wichtige Titel, der dem Mallorquiner noch in seiner erlesenen Sammlung fehlt. 2015 bot einige schmerzliche Momente für Nadal, nicht zuletzt ist da der verlorene Nimbus als Sandplatz-König von Paris zu erwähnen. Überhaupt fehlte Nadal bei den Majors die übliche Power, wer denkt da nicht an die Schmach des Wimbledon-Ausscheidens gegen Rasta-Mann Dustin Brown. Fleissig sammelte der 29-Jährige auf kleineren Bühnen Punkte, und qualifizierte sich so auch für den Saisonabschluss. 2016 wird und will Nadal sicher eine etwas andere Arbeitsbilanz festschreiben wollen: mit Topspielen bei den Grand Slams – insbesondere bei den für ihn alles überragenden French Open.
Tomas Berdych | Tschechien / 30 / ATP 6 / 2 / 12 / 57:19
Der Tscheche, inzwischen auch einer der rüstigen Dreissiger, bringt im Grunde alle Voraussetzungen für ganz grosse Titel mit. Die nötige Physis, die technische Solidität und Eleganz, aber auch die erforderliche Schlaghärte haben Berdych nicht gefehlt auf seinem bisherigen Tennis-Lebensweg. Was ihn hinderte, zum Grand-Slam-Champion aufzusteigen, auch im Jahr 2015, ist die psychische Labilität. Und die fehlende Kraft, im entscheidenden Moment wirklich die Reserven zu hundert Prozent zu mobilisieren. Berdych fehlt das allerletzte Quentchen Leidenschaft, jenes Sieger-Gen, das man hat. Oder eben nicht. Jedenfalls waren auch die beiden Turniersiege in dieser Saison in Shenzhen und Stockholm viel zu wenig für einen Mann mit seinen Talenten. Ob Berdych noch einmal eine grössere Karriere-Wendung wie etwa Wawrinka hinkriegt? Auszuschliessen ist das nicht, aber mit jeder verstrichenen Saison auch etwas unwahrscheinlicher.
David Ferrer | Spanien / 33 / ATP 7 / 5 / 26 / 55:13
Der spanische Dauerläufer, hinter Federer der zweitälteste WM-Teilnehmer, qualifizierte sich trotz einer längeren Verletzungspause im Sommer aufs Neue für die WM-Festspiele – wahrlich keine Selbstverständlichkeit, wenn man sieht, wen er alles distanziert hat im Konkurrenzrennen. Aber Ferrer punktet über ein Spieljahr solide und dauerhaft, dabei immer etwas ausserhalb des Rampenlichts und öffentlicher Beobachtung. Seine beste Saisonphase hatte er im Februar, als er nacheinander die Turniere in Rio (gegen Fognini) und in Acapulco (gegen Nishikori) gewann. Zuletzt präsentierte er sich als Wien-Gewinner und Masters-Halbfinalist in Paris in starker Verfassung. Ferrer feierte im übrigen eines der stärksten WM-Debüts der jüngeren Geschichte, als er 2007 als Neuling ins Finale vorstiess und erst an Federer scheiterte. 2016 wird er weitermachen mit dem, was er am besten kann: rennen, rennen, rennen und punkten.
Kei Nishikori | Japan / 25 / ATP 8 / 3 / 10 / 53:14
Der Superstar seiner japanischen Landsleute konnte die Erwartungen nicht ganz einlösen, die er mit dem Finaleinzug an den US Open2014 geweckt hatte. Insbesondere bei den Grand-Slam-Turnieren bot der jüngste WM-Teilnehmer (25) eher durchschnittliche Leistungen, schied sogar in New York in der ersten Runde gegen den Franzosen Paire aus. Wie so oft in seiner bisherigen Laufbahn hatte Nishikori auch mit der Anfälligkeit des eigenen Körpers zu kämpfen, musste diverse Verletzungspausen überstehen. Bessere Tage liegen schon etwas länger zurück für «Special K»; im Sommer, vor den US Open, spielte er als Turniersieger von Washington stark auf. Nishikori ist allerdings ein Mann, bei dem immer eine Überraschung drin is ist – im Guten wie im Schlechten: Als Newcomer schaffte er es im vorigen Jahr immerhin auf Anhieb ins WM-Halbfinale, der nicht ganz so schnelle Hartplatz entspricht seinem Geschmack. Nishikoris dringender Wunsch für 2016: Verletzungsfrei spielen. So oft und so lang wie möglich.
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