Dragovic auf dem Sprung nach Kiew

Allem Anschein nach steht ein Transfer von Aleksandar Dragovic zu Dynamo Kiew unmittelbar vor dem Abschluss. Der seit Wochen gehandelte Wechsel des FCB-Innenverteidigers zu Inter Mailand ist damit begraben – finanziell scheint der neue Interessent aus der Ukraine für den Spieler wie auch für den FC Basel dafür umso lukrativer.

Mailand, Kiew, Basel? Aleksander Dragovic hat in den vergangenen Tagen alles noch einmal neu überdenken müssen. (Bild: Imago)

Allem Anschein nach steht ein Transfer von Aleksandar Dragovic zu Dynamo Kiew unmittelbar vor dem Abschluss. Der seit Wochen gehandelte Wechsel des FCB-Innenverteidigers zu Inter Mailand ist damit begraben – finanziell scheint der neue Interessent aus der Ukraine für den Spieler wie auch für den FC Basel dafür umso lukrativer.

Noch kann man es sich nicht vorstellen, dass Aleksandar Dragovic seine Koffer packt und in die ukrainische Metropole entschwindet. Möglicherweise noch an diesem Samstag, einen Tag vor dem Spiel des FC Basel bei den Grasshoppers (Sonntag, 16.00 Uhr, Letzigrund). Kiew und die Premyer Liga – das stand nun wirklich noch nie oben auf dem Wunschzettel des österreichischen Innenverteidigers.

Eigentlich wollte sich Dragovic mit seinen Qualitäten und seiner Entwicklung in Basel wie in der Nationalmannschaft den eigenen Traumdestinationen angenähert haben. Und die liegen nicht im Osten Europas, sondern in ersten Linie in England.

Am Freitag, kurz vor Mitternacht, meldete das clubnahe Portal «fcinternews» jedoch, dass Dragovic kurz davor stehe, sich mit Dynamo Kiew zu einigen, und ein Wechsel zu Inter Mailand sich deshalb in die Länge gezogen habe, weil der Verein erst einen seiner Innverteidiger verkaufen müsse, um einen neuen zu verpflichten.

Inter Mailand hat andere Sorgen

Als Inter Mailand Mitte Juni sein konkretes Interesse an Dragovic beim FC Basel deponierte, freundete sich der 22-Jährige Wiener immerhin schnell mit dem Gedanken an und sagte: «Jeder Fussballer träumt davon, in Mailand zu spielen. Inter kennt jeder auf der Welt.»

Allerdings: Der FC Internazionle, vor drei Jahren noch Champions-League-Sieger, hat mit Platz 9 in der Serie A eine enttäuschende Saison hinter sich. Ausserdem sind die Fans der Nerazzurri in ganz anderer Sorge, weil der ewige Clubchef Massimo Moratti inzwischen offenbar ernsthaft an den Verkauf von grossen Anteilen an einen Investor aus Indonesien denkt.

Möglicher Dragovic-Ersatz heisst Ivanov

Und so zog sich der Wechsel in die Länge. Zum Verdruss von Dragovic, der gerne wüsste, woran er ist. Und sehr zum Verdruss des FC Basel. Der hätte gerne Klarheit auf dieser Position, musste wiederum Spieler vertrösten, die er gerne als Ersatz verpflichten will, und deren Clubs auch. An erster Stelle offenbar Ivan Ivanov, ein bulgarischer Nationalspieler in Diensten von Partizan Belgrad. Die Serben haben, wie der «Blick» festgestellt hat, diese Woche im Europapokal freiwillig auf die Dienste des Innenverteidigers verzichtet, um Ivanov die Türe Richtung Basel nicht zu verschliessen.

Seit Montag sind offenbar vertiefte Gespräche zwischen Basel und Kiew im Gange. Aus seinem Wohlfühlumfeld in Basel zieht es Dragovic zwar nicht mit Macht weg, andererseits hat er nach zweieinhalb Jahren in Basel so ziemlich alles erreicht, was man an Titeln und Meriten im Europacup mit dem Schweizer Branchenführer erreichen kann. So hat Dragovic die anfängliche Skepsis gegenüber der Ukraine überwunden.

Elf Millionen Ablöse stehen im Raum

Dynamo wird seit September 2012 von der ukrainischen Fussballlegende Oleg Blochin trainiert und hat, um den Serienmeister Schachtar Donezk anzugreifen, bereits rund 40 Millionen Euro in den Spielerkader investiert. An diesem Samstag bestreitet Kiew in Uschhorod in Transkarpatien sein zweites Meisterschaftsspiel.

Es geht bei diesem Transfer – nebst sportlichen Überlegungen beim FCB und den Karriereplänen von Dragovic – natürlich auch in diesem Fall wie immer um Geld. Um sehr viel sogar. Für Dragovic soll Dynamo dem Vernehmen nach neun Millionen Euro Ablöse bieten.

Das wären rund elf Millionen Franken und der Betrag würde Dragovic zum lukrativsten Transfer des FCB nach Xherdan Shaqiri und Granit Xhaka machen. Auch für den Spieler selbst würde sich der Transfer nach Kiew, von wo gerade erst der Schweizer Nationalspieler Admir Mehmedi desillusioniert nach Freiburg geflüchtet ist, bezahlt machen. Angeblich bieten ihm die Ukrainer das Doppelte jener 1,1 Millionen Euro, die er bei Inter hätte verdienen können.

Das macht den Gedanken an einen vorderhand weniger glamourösen Fussballstandort als Mailand erträglich. Beim FCB war am Samstag Sportdirektor Georg Heitz nicht für eine Stellungnahme erreichbar – ein untrügliches Zeichen dafür, dass Dampf unter dem Kessel ist.

FCB in Zürich mit Ajeti und ohne die Degens?

Es ist kaum anzunehmen, dass Aleksandar Dragovic unter diesen Umständen noch Eingang findet auf die Kontingentsliste des FCB für die laufende Saison. Bis eine Stunde vor dem Anpfiff der Super-League-Partie am Sonntag bei GC kann der FCB diese Liste ergänzen. Damit wäre dann aber auch einer der 25 Plätze vorerst belegt. Eher sieht es danach aus, als ob Arlind Ajeti im Letzigrund die Position von Dragovic spielt. So wie der 20-Jährige das vergangene Woche schon zum Saisonstart gegen Aarau zur vollsten Zufriedenheit des Trainers getan hat.

Ausserdem gibt es Anzeichen, dass nach David Degen, der am Freitag von Murat Yakin zu einem 45-minütigen Einsatz in der U21 des FCB gegen den FC Concordia abkommandiert wurde, auch Zwillingsbruder Philipp Degen einen schweren Stand beim Trainer des FCB hat. Im Freitagstraining beobachtete der «Blick», wie Taulant Xhaka als rechter Verteidiger eingesetzt wurde.

Alexander Dragovic, die Transfernovelle und andere Geschichten

Dass es ihn nicht mehr lange in Basel halten wird und ihn der FC Basel bei einem entsprechenden Angebot ziehen lassen würde, hat sich abgezeichnet. Dafür waren die Leistungen des gebürtigen Wieners in den zweieinhalb Jahren im FCB-Trikot einfach zu überzeugend. Kaufgeneigte wurden schon seit längerer Zeit kolportiert, mal war es Liverpool, dann Everton, mal St. Petersburg oder Spartak Moskau, dann offerierte Norwich, aber zu wenig – eigentlich wurde aus jeder der grossen europäischen Ligen Interessenten herumgereicht. Allein was die TagesWoche zur Angelegenheit verbreitete, zeigt, welche Aufgeregtheiten der Profifussball erzeugt.

Zu Beginn dieser Transferperiode (bis Ende August) hiess es erst:
«Lazio soll an Dragovic interessiert sein», dann, zum Trainingsstart beim FCB:
«Drei Wechselkandidaten».

Langsam konkretisierte sich die Sache am 20. Juni:
«Bis am 2. Juli soll das Kader des FC Basel stehen», und einen Tag später wurde gemeldet:
«Der HSV ist raus aus dem Rennen». Thorsten Finks latent klammer Club hätte sich eine Perle wie Dragovic ohnehin nicht leisten können.

Auf die «Wunschliste von Inter Mailand» kam Dragovic dann laut «Gazzetta dello Sport» vom 23. Juni.
«Sehr konkrete Gespräche mit Inter» bestätigte wieder drei Tage später FCB-Präsident Bernhard Heusler und machte ausserdem in der TagesWoche die ebenfalls sehr konkrete Rückholaktion von Matias Delgado publik.
Es verging nicht viel Zeit, und die TagesWoche war nach allem, was sie wusste, der Annahme: «Bei Aleksandar Dragovic und Inter Mailand dürften die Würfel gefallen sein.»

Am 4. Juli berichteten wir einerseits, dass bei den Transferkandidaten Stocker und Sommer vorerst die Luft raus sei und kolportierten im gleichen Atemzug, dass Inter umgerechnet 10 Millionen Franken Ablöse für Dragovic geboten hat.
Dann erste Anzeichen, dass etwas ins Stocken geraten ist. Am Randes Uhrencup in Grenchen fasste FCB-Trainer Murat Yakin das Zögern der Italiener so zusammen: «Im Moment planen wir mit allen Spielen – inklusive Dragovic». Das war sechs Tage vor Saisonbeginn.

«Hängepartie mit Dragovic» hiess es bei uns dann einen Tag später, am 9. Juli.
Am selben Tag beschäftigten wir uns mit der Frage der Kontingentsliste, auf der ein Spieler der Swiss Football League gemeldet sein muss, um spielberechtigt zu sein, also auch Dragovic, der nützlicherweise im ersten Saisonspiel eine Gelb-Sperre aus der alten Saison absitzen musste: «Ungewissheiten und Überraschungen».
Inter Mailand hatte derweil die Ungeduld beim FCB und seinem Sportdirektor Georg Heitz geweckt: «Mailänder Hinhaltetaktik» hiess es deshalb im Zuge des Testspiel gegen Borussia Dortmund. Überstrahlt wurde das Ganze von der immer näher rückende Heimholung von Matias Delgado.

«Schär und wer?» – Einen Tag vor Saisonstart analysierten wir schon mal, wer denn künftig den freien Platz neben Fabian Schär – dem nächsten Transferaufreger, garantiert – einnehmen wird.
Der Beitrag war kaum online, da meldete Inter Mailand aus dem Trainingslager die Verpflichtung zweier Innenverteidiger, von denen keiner auf den Namen Dragovic hört. Inters Sportdirektor liess wissen, dass Dragovic ein interessanter Spieler sei, man aber in der Abwehr eher überbesetzt sei und überhaupt. Zwei Stunden später verlautete aus der Ecke Dragovic, dass nichts so heiss gegessen wird, wie es gekocht wird. Oder so ähnlich. Conclusio: «Dragovic glaubt weiter an den Inter-Transfer».

Dann blieb es einige Tage verdächtig still. Sehr zum sich steigernden Verdruss beim FC Basel und beim Spieler selbst. Zeit, sich mit dem jungen, nachdrängenden Innenverteidiger Arlind Ajeti und seiner interessanten Familiengeschichte zu beschäftigten.
Schliesslich, am Freitag dieser Woche und vor dem Prestigeduell bei den Grasshoppers, die Frage: «Schafft es Dragovic auf die Liste?» Wohl eher nicht.

Bis dahin sind also einige zehntausend Anschläge zusammengekommen – inklusiver dieser Übersicht. Inzwischen darf man zum Schluss kommen: Schön, wenn diese Kuh vom Transfereis ist. Nicht vergessen werden wir dann selbstverständlich, welche unvergesslichen Momente uns Aleksandar Dragovic auf und neben dem Spielfeld beschert hat:

Zuoberst der Cupfinal 2012, die Pokalübergabe, Aleksandar Dragovic und Ueli Maurer: «Erschwischt, Herr Bundesrat!». Daraus wurde ein Skandal (wenn man dem «Blick» und auch anderen folgte), oder die «Hubba-Bubba-Affäre», wie wir das genannt haben.
Damit war aber noch nicht genug: Wenige Tage später, bei der Meisterfeier, sprach Dragovic vom Balkon zu den Fans auf dem Barfüsserplatz, was er eigentlich nicht hätte tun sollen und dann halt doch tat, und die Fans sangen «Hau den Ueli um!».

Das ganze endete dann in Bundesbern, wo sich Aleksandar Dragovic beim «Gang nach Canossa» in aller Form für seine Flegeleien bei Maurer entschuldigte.

Und dann ist da natürlich noch seine Wette mit Assistenztrainer und Landsmann Markus Hoffmann, die dem Doppeltorschützen Dragovic in Genf einen Platzverweis eintrug. Auch das muss man erst einmal hinkriegen.

Haben wir etwas vergessen?

Nächster Artikel