Dragovic, die Transfernovelle und andere Episoden

Es ist ganz schön was zusammen gekommen in den zweieinhalb Jahren, die Aleksandar Dragovic für den FC Basel gespielt hat. Allein, was über seinen Transfer, der letztlich nach Kiew führt, geschrieben wurde und nur schon der Anteil der TagesWoche, geht eigentlich auf keine Kuhhaut mehr. Ein Epilog

Aleksandar Dragovic. (Bild: Domo Löw)

Es ist ganz schön was zusammen gekommen in den zweieinhalb Jahren, die Aleksandar Dragovic für den FC Basel gespielt hat. Allein, was über seinen Transfer, der letztlich nach Kiew führt, geschrieben wurde und nur schon der Anteil der TagesWoche, geht eigentlich auf keine Kuhhaut mehr. Ein Epilog

Dass es ihn nicht mehr lange in Basel halten wird und ihn der FC Basel bei einem entsprechenden Angebot ziehen lassen würde, hat sich abgezeichnet. Dafür waren die Leistungen des gebürtigen Wieners in den zweieinhalb Jahren im FCB-Trikot einfach zu überzeugend.

Kaufgeneigte wurden schon seit längerer Zeit kolportiert. Vor einem Jahr überzeugten die FCB-Verantwortlichen ihr Innenverteidiger-Juwel noch davon, ein Jahr in Basel dran zu hängen. Mal hiess es Liverpool sei interessiert, dann Everton, mal St. Petersburg oder Spartak Moskau, dann offerierte Norwich, aber zu wenig – eigentlich wurde aus jeder der grossen europäischen Ligen Interessenten herumgereicht. Allein was die TagesWoche zur Angelegenheit seit Mitte Juni  verbreitete, zeigt, welche Aufgeregtheiten der Profifussball erzeugt.

Zu Beginn dieser Transferperiode (bis Ende August) hiess es erst:
«Lazio soll an Dragovic interessiert sein», dann, zum Trainingsstart beim FCB:
«Drei Wechselkandidaten».

Langsam konkretisierte sich die Sache am 20. Juni:
«Bis am 2. Juli soll das Kader des FC Basel stehen», und einen Tag später wurde gemeldet:
«Der HSV ist raus aus dem Rennen». Thorsten Finks latent klammer Club hätte sich eine Perle wie Dragovic ohnehin nicht leisten können.

Auf die «Wunschliste von Inter Mailand» kam Dragovic dann laut «Gazzetta dello Sport» vom 23. Juni.
«Sehr konkrete Gespräche mit Inter» bestätigte wieder drei Tage später FCB-Präsident Bernhard Heusler und machte ausserdem in der TagesWoche die ebenfalls sehr konkrete Rückholaktion von Matias Delgado publik.
Es verging nicht viel Zeit, und die TagesWoche war nach allem, was sie wusste, der Annahme: «Bei Aleksandar Dragovic und Inter Mailand dürften die Würfel gefallen sein.»

Am 4. Juli berichteten wir einerseits, dass bei den Transferkandidaten Stocker und Sommer vorerst die Luft raus sei und kolportierten im gleichen Atemzug, dass Inter umgerechnet 10 Millionen Franken Ablöse für Dragovic geboten hat.

Dann erste Anzeichen, dass etwas ins Stocken geraten ist. Am Randes Uhrencup in Grenchen fasste FCB-Trainer Murat Yakin das Zögern der Italiener so zusammen: «Im Moment planen wir mit allen Spielen – inklusive Dragovic». Das war sechs Tage vor Saisonbeginn.

«Hängepartie mit Dragovic» hiess es bei uns dann einen Tag später, am 9. Juli.
Am selben Tag beschäftigten wir uns mit der Frage der Kontingentsliste, auf der ein Spieler der Swiss Football League gemeldet sein muss, um spielberechtigt zu sein, also auch Dragovic, der nützlicherweise im ersten Saisonspiel eine Gelb-Sperre aus der alten Saison absitzen musste: «Ungewissheiten und Überraschungen».
Inter Mailand hatte derweil die Ungeduld beim FCB und seinem Sportdirektor Georg Heitz geweckt: «Mailänder Hinhaltetaktik» hiess es deshalb im Zuge des Testspiel gegen Borussia Dortmund. Überstrahlt wurde das Ganze von der immer näher rückende Heimholung von Matias Delgado.

«Schär und wer?» – Einen Tag vor Saisonstart analysierten wir schon mal, wer denn künftig den freien Platz neben Fabian Schär – dem nächsten Transferaufreger, garantiert – einnehmen wird.
Der Beitrag war kaum online, da meldete Inter Mailand aus dem Trainingslager die Verpflichtung zweier Innenverteidiger, von denen keiner auf den Namen Dragovic hört. Inters Sportdirektor liess wissen, dass Dragovic ein interessanter Spieler sei, man aber in der Abwehr eher überbesetzt sei und überhaupt. Zwei Stunden später verlautete aus der Ecke Dragovic, dass nichts so heiss gegessen wird, wie es gekocht wird. Oder so ähnlich. Conclusio: «Dragovic glaubt weiter an den Inter-Transfer».

Dann blieb es einige Tage verdächtig still. Sehr zum sich steigernden Verdruss beim FC Basel und beim Spieler selbst. Zeit, sich mit dem jungen, nachdrängenden Innenverteidiger Arlind Ajeti und seiner interessanten Familiengeschichte zu beschäftigten. Schliesslich, am Freitag voriger Woche und vor dem Prestigeduell bei den Grasshoppers, die Frage: «Schafft es Dragovic auf die Liste?»

Er schaffte es und spielte – sein letztes von 112 Wettbewerbsspielen im FCB-Dress. Denn am Tag vor dem Spiel in Zürich wurde ruchbar, dass Dynamo Kiew aufs Karussell gehüpft war: «Dragovic auf dem Sprung nach Kiew».

Nach dem (noch) nicht verwirklichten Traum von der englischen Premier League und nach dem sich Dragovic mit dem Gedanken an Mailand und ein bisschen italianata angefreundet hatte, nun also die Ukraine. Am Spieltag selbst heisst es, Dragovic habe Dynamo Kiew im letzten Moment abgesagt: «Dragovic spielt, schweigt und bleibt – zumindest vorerst.» Sein Trainer Murat Yakin meint, man haben die Situation nüchtern analysiert und: «Neun von zehn Spielern wären dem Geld hinterher gerannt.»

Inzwischen brennt dem FCB die Innenverteidiger-Frage auf den Nägeln. Verliert er Dragovic, will er für adäquaten Ersatz sorgen. Ein Spieler mit internationaler Erfahrung im Gepäck. Ivan Ivanov, bulgarischer Nationalspieler in Diensten von Partizan Belgrad, ist so ein Kandidat. Am Mitttwoch spielt Dragovic noch eine halbe Stunde im Testspiel gegen Mainz 05. Am selben Abend setzt Partizan Ivanov in der Champions-League-Qualifikation ein, wo er also für den FCB nicht mehr spielberechtigt wäre.

Am Donnerstag dann die nächste, die letzte Wende: Dragovic fehlt im Training. Er ist auf dem Weg nach Monaco, wo er sich mit dem Präsidenten von Dynamo Kiew, Ihor Surkis, trifft – und einigt: «Was lange währt, wird doch noch Kiew». Am Freitag fliegt Dragovic in die Ukraine, unterschreibt einen Fünfjahresvertrag, ohne je ein Wort mit Dynamo-Trainer Oleg Blochin gewechselt zu haben. «Ich habe ein bisschen Zeit benötigt, um mich zu entscheiden», sagt Dragovic im Interview für die Website des Vereins, «und ich will so viele Titel wie möglich gewinnen. Dynamo ist ein grosses Team, und ich bin froh, hier zu sein.»

Zwischen sieben und acht Millionen Euro, also umgerechnet etwas um neun Millionen Franken, soll sich Dynamo Kiew den Transfer kosten lassen. Dazu sind inzwischen übliche Boni vereinbart, je nach Erfolg des Vereins mit dem Spieler. Das wird Dragovic nach Xherdan Shaqiri und Granit Xhaka zum drittwertvollsten Spieler machen, den der Verein mit seinem Businessmodell versilbert: Günstig holen, eine grosse Bühne zur Weiterentwicklung bieten und gewinnbringend weiterreichen. Im Fall von Dragovic, im Januar 2011 für rund eine Million Franken von Austria Wien verpflichtet, macht das also eine Verzehnfachung.

Das Portal «transfermarkt.ch» listet die Rekordtransfers des FC Basel auf, wobei die damit verbundenen Zahlen mit Vorsicht zu geniessen sind – wie vieles im Fussballgeschäft.

Am Samstag ist Dragovic noch einmal zurück in Basel. Vor dem Anpfiff der Partie gegen Lausanne dankt ihm FCB-Präsident Bernhard Heusler mit fast den gleichen Worten, wie er drei Tage zuvor auf der Schützenmatte Joo Ho Park in Richtung Mainz verabschiedet hat. Bei Dragovic liegt vielleicht noch etwas mehr Inbrunst in der Stimme. Die Fans skandieren Dragovic’ Namen und der, mit dem präsidialen Dank, Blumenstrauss und «Dangge»-Trikot ausgestattet, ruft Richtung Muttenzerkurve: «Ihr seid die Besten.»

Vorhang.

«Hau den Ueli um»

Bis dahin sind also einige zehntausend Anschläge zusammengekommen – inklusiver dieser Übersicht. Inzwischen darf man zum Schluss kommen: Schön, ist diese Kuh vom Transfereis. Nicht vergessen werden wir selbstverständlich, welche unvergesslichen Momente uns Aleksandar Dragovic auf und neben dem Spielfeld beschert hat:

Zuoberst der Cupfinal 2012, die Pokalübergabe, Aleksandar Dragovic und Ueli Maurer: «Erschwischt, Herr Bundesrat!». Daraus wurde ein Skandal (wenn man dem «Blick» und auch anderen folgte), oder die «Hubba-Bubba-Affäre», wie wir das genannt haben.
Damit war aber noch nicht genug: Wenige Tage später, bei der Meisterfeier, sprach Dragovic vom Balkon zu den Fans auf dem Barfüsserplatz, was er eigentlich nicht hätte tun sollen und dann halt doch tat, und die Fans sangen «Hau den Ueli um!».

Das ganze endete dann in Bundesbern, wo sich Aleksandar Dragovic beim «Gang nach Canossa» in aller Form für seine Flegeleien bei Maurer entschuldigte.

Und dann ist da natürlich noch seine Wette mit Assistenztrainer und Landsmann Markus Hoffmann, die dem Doppeltorschützen Dragovic in Genf einen Platzverweis eintrug. Auch das muss man erst einmal hinkriegen.

Haben wir etwas vergessen? Viel Spass in Kiew jedenfalls, Aleksandar Dragovic.

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