Dragovic: «Ich sehe Kiew auch als grosses Abenteuer»

Ex-FCB-Spieler Aleksandar Dragovic wechselte 2013 zu Dynamo Kiew. Im Interview erzählt vom schwierigen ersten Jahr in der Ukraine und wie er die Krise in seinem Gastgeberland erlebt hat: Er blieb einfach zuhause.

Den Präsidenten Igor Surkis doch noch ein bisschen versöhnt: Aleksandar Dragovic (Mitte) gewinnt mit Dynamo Kiew nach enttäuschender Meisterschaft den ukrainischen Pokal.

Aleksandar Dragovic, der mit dem FC Basel drei Mal Meister wurde, ehe er im Sommer 2013 zu Dynamo Kiew wechselte, erzählt im TagesWoche-Interview vom schwierigen ersten Jahr in der Ukraine und wie er die Krise in seinem Gastgeberland erlebt hat: Er blieb einfach zuhause.

Am Abend, als der FC Basel in Aarau den fünften Meistertitel in Serie fixieren konnte, hatte 2000 Kilometer weiter östlich auch ein ehemaliger FCB-Leistungsträger Grund zum Jubeln. Aleksandar Dragovic, der Ende Juli 2013 Basel Richtung Ukraine verlassen hatte, gewann mit Dynamo Kiew den Landespokal durch ein 2:1 gegen Meister Schachtar Donezk.

Damit endete eine turbulente Saison, zu deren Beginn der Österreicher noch zu einem Einsatz im Trikot des FC Basel gekommen war, ehe er für eine Transfersumme von rund zehn Millionen Franken nach Kiew wechselte. Es sei, sagt der 23-Jährige, schwer gefallen, sich bei seinem neuen Club voll und ganz auf den Fussball zu konzentrieren. In 21 von 28 Partien der Premyer Liga kam er zum Einsatz; Platz vier unter dem Strich ist jedoch weit hinter den Erwartungen des Clubs.

Mittlerweile hat Dragovic der ukrainischen Krisenregion den Rücken gekehrt und bereitet sich mit der österreichischen Nationalmannschaft auf zwei freundschaftliche Länderspiele gegen Island und Tschechien vor.

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Aleksandar Dragovic, mal ehrlich: Sind Sie froh, dass diese Saison vorbei ist und Sie Abstand von der Ukraine gewinnen können?

Aleksandar Dragovic: Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass dieses Jahr einfach gewesen wäre. Diese Saison war einfach nur turbulent, und das vom ersten Tag an. Wir hatten einen Trainerwechsel, die Liga ist nicht so gelaufen, wie sich der Verein das vorgestellt hat – offen gesagt haben wir da sogar versagt. Unser Präsident Igor Surkis ist mit dem vierten Platz nicht zufrieden, aber der Cupsieg hat ihn zumindest ein bisschen glücklich gemacht. Und dass es sich politisch hier dann so abspielen wird, das hat keiner wissen können.

Wie haben Sie die Entwicklungen wahrgenommen? Erst die Demonstrationen auf dem Maidan in Kiew, dann die russischen Soldaten auf der Krim, die Abspaltung, die anhaltenden Unruhen?
Als Spieler versuchst du dich natürlich auf deine Arbeit zu konzentrieren, dafür werden wir ja auch bezahlt. Aber das ist uns allen zuletzt immer schwerer gefallen. In der Kabine ist in den letzten Wochen sehr oft über die aktuelle Situation gesprochen worden, aber auch über die Zukunft und darüber, wie es hier überhaupt weiter geht. Jeder Spieler hat das im Hinterkopf. Wobei ich eines schon betonen möchte.

Nämlich?
Dass sich der Verein sehr um uns gekümmert hat und die Spieler sehr gut abgeschirmt hat. Es hat in der ganzen Zeit nie einen Moment gegeben, in dem ich persönlich Angst oder Sorge gehabt hätte. Aber ich muss auch zugeben, dass ich mein Verhalten verändert habe.

Sie haben sich daheim verbarrikadiert?
Das jetzt nicht unbedingt, aber ich war in den letzten Monaten sicher nicht mehr so oft in der Stadt unterwegs, wie vielleicht noch im Herbst. Die Freizeit habe ich zum grossen Teil zu Hause verbracht, und ich habe einen Bogen um das Zentrum gemacht und die Innenstadt gemieden. Aber da war ohnehin die meiste Zeit alles abgeriegelt.

Es gab kurz vor Spielende des Cup-Finals in Poltrava ein Handgemenge unter den Spielern, an dem Aleksandar Dragovic auch beteilgt war, ansonsten scheint die Siegerehrung für den Ueli-Maurer-erprobten ehemaligen FCB-Spieler ganz ordentlich über die Bühne gegangen zu sein:

Wenn man das so hört: Bereuen Sie es, das Angebot von Dynamo Kiew angenommen zu haben?
Keine einzige Sekunde. Ich war noch nie einer, der den einfachsten Weg geht, und mir ist es auch egal, was die anderen Leute über mich sagen. Kiew sehe ich als riesige Herausforderung, in gewisser Weise auch als grosses Abenteuer. Ich bin sogar froh, dass ich diesen Schritt gemacht habe und dass es hier einige Herausforderungen gibt.

Was meinen Sie damit konkret?
Ich bin der Meinung, dass mir dieses eine Jahr in der Ukraine extrem viel gebracht hat. Vielleicht habe ich mich hier sogar am meisten weiterentwickelt. Weil ich eine neue Sprache lernen musste, weil ich hier sehr viel Verantwortung übernehmen musste, weil es eine schwierige Saison war. Ich habe mich in allen Belangen weiterentwickelt.

«Der Kontakt zum FCB ist nie abgerissen. Es ist wieder ein beeindruckende Saison gewesen, und von Basel können sich viele Vereine etwas abschauen.»

Ihr Name wird mit namhaften Vereinen zumindest in Verbindung gebracht. Juventus, Manchester City, AS Roma.
Das ehrt mich, aber ich beschäftige mich damit nicht. Es zeigt allerdings, dass ich offenbar meine Leistungen gebracht habe. Ich kann nur so viel sagen: ich fühle mich durchaus wohl in der Ukraine, ich habe hier Vertrag, will mit Dynamo Meister werden. Klar ist auch, dass wir alle einmal schauen müssen, wie es im Land weiter geht. Deshalb lebe ich im Moment eher von Tag zu Tag.

An jenem Tag, an dem Sie mit Dynamo den Cupsieg geholt haben, wurde der FC Basel zum fünften Mal Meister. Hatten Sie schon Zeit, Ihren ehemaligen Kollegen zu gratulieren?
Der Kontakt ist nie abgerissen. Ganz ehrlich: das war wieder eine beeindruckende Saison, auch international. Vom FCB können sich viele Vereine was abschauen. Die verlieren jedes Jahr die besten Spieler und dann holen sie am Ende doch wieder den Titel. Aber da sieht man auch einmal, was sich dort über Jahre entwickelt hat, auch im Nachwuchs. Man muss einfach sagen: Beim FC Basel treffen die Verantwortlichen seit Jahren die richtigen Entscheidungen. Die Qualität und das Herzblut, die in diesem Verein stecken, können sich sehen lassen.

Der sechste Titel

Für Aleksandar Dragovic ist der Gewinn des ukrainischen Pokals mit Dynamo Kiew nach den Pokalerfolgen mit Austria Wien (2009) und dem FC Basel (2012), sowie drei gewonnenen Meisterschaften in der Schweiz (2011, 2012, 2013) bereits der sechste Titelgewinn innerhalb der letzten fünf Jahre.

In 21 von 28 Liga-Spielen kam Aleksandar Dragovic (rechts) bei Dynamo Kiew zum Einsatz. Dazu in der Europa League wie hier gegen Valencia, das später auf Dragovic Ex-Club, den FC Basel traf.

In 21 von 28 Liga-Spielen kam Aleksandar Dragovic (rechts) bei Dynamo Kiew zum Einsatz. Dazu in der Europa League wie hier gegen Valencia, das später auf Dragovic Ex-Club, den FC Basel traf. (Bild: Imago) (Bild: Imago)

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