Duell unter Freunden

Trotz der 1:0-Niederlage gegen Deutschland zieht das amerikanische Team in den Achtelfinal. Für dessen Trainer Jürgen Klinsmann war das Spiel eine Zitterpartie.

«Es gab schon viele Überraschungen, wir wollen eine davon sein»: US-Nationaltrainer Jürgen Klinsmann. (Bild: SRDJAN SUKI)

Trotz der 1:0-Niederlage gegen Deutschland zieht das amerikanische Team in den Achtelfinal. Für dessen Trainer Jürgen Klinsmann war das Spiel eine Zitterpartie.

Es lag eine Menge Erleichterung in der kleinen Kuscheltour, in die Jürgen Klinsmann sich nach der 0:1-Niederlage seiner Amerikaner hineinstürzte. Er umarmte Bundestrainer Joachim Löw, die deutschen Assistenztrainer Hansi Flick und Andreas Köpke, lief dann auch auf den Platz, plauderte ein wenig mit Philipp Lahm und Per Mertesacker, und eine halbe Stunde später gewährte er einen kleinen Einblick in die Welt seiner Gefühle.

Er sei «erlöst», sagte der US-Trainer, und zwar nicht nur weil seine Mannschaft trotz der Niederlage im Achtelfinale steht, sondern auch, «weil so viel Wind um dieses Spiel gemacht wurde, ich bin froh, dass das jetzt abgehakt ist».
 
Offenbar hatte die Aussicht auf dieses Duell mit seiner ehemaligen Mannschaft, in der ja immer noch viele seiner Ideen stecken, und mit seinem Freund Joachim Löw angestrengt. Zumal ja aufgrund der etwas unübersichtlichen Konstellation in der Gruppe unklar war, welches Ergebnis fürs Weiterkommen erforderlich sein würde.

«Deutschland war ja schon zu 95 Prozent durch, aber für uns stand wirklich wahnsinnig viel auf dem Spiel», sagte Klinsmann, aber diese ganze Last haben der Trainer und seine amerikanischen Fussballer nun abgeschüttelt.

«Jetzt geht das Turnier erst richtig los», sagte er, die Freude auf die nächste Aufgabe war nicht zu übersehen. Und die Ausgangslage vor dem Achtelfinale findet er ohnehin erheblich angenehmer als die Gruppenphase mit ihrer Tabellenarithmetik. «Jetzt haben wir ein klares Bild. Jetzt geht es darum, ein Spiel zu gewinnen, und das ist ein gutes Gefühl.»

Zähe Amerikaner

Klinsmann ist ein alter WM-Fuchs, und ihm ist anzumerken, wie sehr er sich nun in dieses Turnier hineingearbeitet hat. Irgendwie scheinen dem 49-Jährigen die besonderen Umstände und auch der Umgang mit den Komplikationen bei Weltmeisterschaften zu liegen. Es ist sein fünftes Turnier, drei absolvierte er als Spieler, dies ist sein zweites als Trainer, und bis ins Viertelfinale ist er bisher immer gekommen.

Das ist auch diesmal möglich, obgleich die deutschen Teams, mit denen Klinsmann bei früheren Turnieren unterwegs war, vermutlich besser gewesen sind als diese Amerikaner, die eher beschränkte Potenziale zur Verfügung haben.

«Wir müssen den Ball länger halten», sagt Jürgen Klinsmann.

Das Team steht defensiv rech stabil, ist auch robust, aber die spielerische Qualität ist doch arg limitiert. Für die Partie gegen Deutschland hatte Klinsmann den etwas verwegen wirkenden Plan ausgeheckt, den ehemaligen Schalker Jermaine Jones im Offensivzentrum hinter der einzigen Spitze Clint Dempsey spielen zu lassen.

Jones ist ein robuster Kämpfer, der in seiner Karriere bislang nicht durch Ideenreichtum, kreative Pässe und raffinierte Torabschlüsse aufgefallen ist.

Die Amerikaner waren zäh, aber das bessere Team war Deutschland. «Wir müssen den Ball länger halten, wir müssen ruhiger bei eigenem Ballbesitz werden», monierte Klinsmann, während sein Assistent Andreas Herzog diesen Auftritt sogar «unser schlechtestes Spiel in der Gruppenphase» nannte.

Kein glanzvolles Turnier

Bis auf einen Fernschuss von Graham Zusi in der Anfangsphase (19.) und zwei halbe Chancen in der Nachspielzeit erzeugte diese amerikanische Mannschaft keine einzige Torszene, schon gegen Ghana war sie über weite Strecken des Spiels schlechter und gegen Portugal verschenkte sie den  fast schon vollendeten Sieg. Es ist beileibe kein glanzvolles Turnier, das die USA spielen, nur waren weder Portugal noch Ghana in der Lage, das zu nutzen.
 
In Kenntnis dieser Probleme hat Klinsmann gesagt: «Es gab schon so viele Überraschungen bei diesem Turnier, wir wollen eine davon sein.» Das klang nach Realitätssinn, vielleicht sogar nach einer eher unamerikanischen Demut. Am Ende stand er aber vor den Fans und warf die Fäuste in die Luft, die Amerikaner riefen ihren einzigen Schlachtruf: «U-S-A!»

Nach einer Niederlage macht man so etwas selten, aber vielleicht hat Klinsmann ganz heimlich ja auch ein wenig sein Ex-Team gefeiert.

table

Nächster Artikel