Manchem gilt er als bester japanischer Fussballer, und der FC Basel hat sich ins Zeug gelegt, um Yoichiro Kakitani zu verpflichten. Ein 24-jähriger Stürmer, der in seiner Heimat den Status eines Popstars geniesst und dort soviel Aufregung erzeugen wird, wie zuletzt Mohamed Salah in Ägypten.
Die Vorstellung von Yoichiro Kakitani hat in Basel den erwarteten kleinen Rummel ausgelöst. So darf man das wohl bezeichnen, wenn ein Dutzend Journalisten – schreibende, fotografierende, filmende – eigens anreist. Das Gros aus Deutschland, aus Berlin, Köln und Herne, von wo über die Sakais, Uchidas, Kiyotakes, Hasebes, Okazakis in der Bundesliga berichtet wird. Und über Yuya Osaka, der neu beim Aufsteiger 1. FC Köln spielt und zur Kategorie Kakitani zählt: zu den Popstars des japanischen Fussballs.
Zu berichten aus Basel gibt es ein Training am Dienstagvormittag im strömenden Regen. Dann von einem FCB-Präsidenten, der diesen Transfer «etwas ganz Besonderes» nennt, von einem Trainer, der schon einmal ein klein wenig vom Speed und von den Abschlussqualitäten Kakitanis schwärmt, und vom Spieler selbst, der den «starken Herzenswunsch» des FC Basel gespürt hat, als es um seine Verpflichtung ging.
Und für Kakitani selbst erfüllt sich der Kindheitstraum. Die Champions League sei immer ein «Objekt der Bewunderung» für ihn gewesen. «Aber es stimmt nicht, dass ich nur deshalb nach Basel gewechselt bin. Mit Osaka habe ich nie einen Titel gewonnen, und es nimmt mich wunder, wie es ist, in einem Team zu spielen, das immer gewinnt.» Sagts, lächelt ein erstes Mal und erntet dafür eine Salve der Fotografen.
Mit 16 Jahren der jüngste Profi in Osaka
Yoichiro Kakitani, 24, gehörte seit seinem vierten Lebensjahr Cerezo Osaka an, ein Club mit dem schönen Namen Kirschbaum, der seine besten Jahre in den 70ern hatte. Erst zwei Jahre nach Kakitanis Geburt in der zweitgrössten Metropolregion Japans wurde die Profiliga J-League gegründet.
Kakitani war mit 16 der jüngste Spieler in der Vereinsgeschichte, der einen Profivertrag erhielt. Man erkor ihn 2006 bei der asiatischen U17-Meisterschaft zum wertvollsten Spieler, und an der U17-WM ein Jahr später machte er sich mit einem fantastischen Tor aus 50 Metern einem breiteren Youtube-Publikum bekannt:
Im Herbst vergangenen Jahres sind sie beim FC Basel auf Kakitani aufmerksam geworden. Eigentlich durch eine Meldung, wonach sich Werder Bremen die Ablöse für Kakitani – es war von umgerechnet knapp zwei Millionen Franken die Rede – nicht leisten konnte. Der vertiefte Blick in die Datenbanken dieser Fussballwelt machte den Stürmer auch in Basel zum Subjekt der Begierde.
Anfangs des Jahres, als sich Mohamed Salahs spektakulärer Wechsel in die Premier League abzuzeichnen begann, versuchten die FCB-Verantwortlichen den Transfer voranzutreiben, erkannten aber schnell, dass dieses Unterfangen «komplexer war, als einen Spieler aus der Schweiz zu holen», so FCB-Präsident Bernhard Heusler.
Ein Transfer mit der Pincette
Sportdirektor Georg Heitz nennt die Annäherung an Berater, Club und schliesslich Spieler einen «Transfer mit der Pincette». Und Heusler sagt: «Wir müssen ehrlich sein: Aufmerksam geworden sind wir auf den Spieler ohne Kenntnis seiner Popularität in Japan. Uns ist nicht bewusst gewesen, welche Rolle er neben dem Platz hat.»
Als Heitz im Frühjahr mit Chefscout Ruedi Zbinden nach Osaka reiste, erhielt er beim Einchecken im Hotel eine erste Ahnung davon: Der Rezeptionist erwies sich zwar nicht als Fan von Cerezo Osaka, antwortete aber auf Heitz‘ Frage nach dem aktuell besten japanischen Fussballer eindeutig: Yoichiro Kakitani.
Japans gegensätzliche Fussballkultur
Um der Popularität Kakitanis auf die Spur zu kommen, helfen die am Dienstag in Basel anwesenden Journalisten, von denen auffallend viele Frauen sind. Yoku Kimura arbeitet für Kyodo News, vergleichbar mit der Agentur Reuters, und sie sagt: «Sport wird in Japan anders betrachtet. Es gibt viele Menschen, die sind nicht Fan eines Clubs, sondern eines Spielers. Und deshalb werden sie wie Popstars gefeiert.» Nur so lässt sich der grosse Bahnhof begreifen, der Kakitani bei seiner Verabschiedung in Osaka bereitet wurde:
Claudia Romberg hat in Herne im Ruhrpott eine Beratungsfirma, die zunächst in den deutsch-japanischen Wirtschaftsbeziehungen tätig war, ehe vor sechs, sieben Jahren die Bundesliga eine Rolle zu spielen begann. Romberg berichtet am Dienstag aus dem St.-Jakob-Park gleich für fünf Fernsehstationen, darunter TBS in Tokio. Sie erklärt, dass im japanischen Fussball die Gewichtung andersherum sei als in Europa mit der grossen Tradition der Vereine: «Zuerst kommt der Spieler, dann das Team und an dritter Stelle erst der Club.»
Im japanischen Kollektivgedanken, so Romberg, werde bewundert, wer sich aus einer Gruppe heraushebt. Das tut Kakitani, und die Journalistin Yuko Kimura nennt noch einen weiteren Grund: «Für japanische Verhältnisse, zumindest für mich, sieht er gut aus.»
Kakitani und die Vermarktung
Kakitani ist der zweite Japaner in den Reihen des FC Basel. Nach Koji Nakata, der 2006 der erste Japaner überhaupt im Schweizer Fussball war, Verteidiger im FCB-Dress und ebenfalls Nationalspieler, aber daheim noch populärer dafür, mit einer beliebten TV-Moderation liiert zu sein. Mit 35 Jahren lässt Nakata nun bei den Kashima Antlers seine Karriere ausklingen.
Kakitani wird im Facebook-Zeitalter noch einmal eine andere Dimension erreichen. So wie Mohamed Salah, mit dem der FC Basel seine Reichweite bei den Social Media verzehnfacht hat. «Natürlich kann man sich davon nichts kaufen», so Bernhard Heusler, «aber es ist ein weiteres Mosaiksteinchen, um die Bekanntheit zu steigern. Es ehrt uns, dass Kakitani sich für uns entschieden hat, denn es er ist von verschiedenen europäischen Vereinen umworben gewesen.»
«Man darf nicht ständig den Taschenrechner vor sich haben»
Heusler berichtet, dass es sogar schon Anfragen nach Jahreskarten aus Japan gebe. Martin Blaser, der Direktor für Marketing, Verkauf und Business Development beim FCB, sieht es ganz nüchtern: «Die Basis ist der sportliche Erfolg. Und im besten Fall spielt Yoichiro Kakitani eine Rolle wie Mohamed Salah.»
Verkaufen sich in Japan etwa FC-Basel-Trikots mit dem Namen Kakitani, profitiert davon zu allerst Ausrüster Adidas, für den FCB fallen dann Lizenzgebühren ab. «Die Frage ist», sagt Blaser, «wie nachhaltig das sein kann, wenn Kakitani nach eineinhalb Jahren wieder weg ist.»
An dem Punkt wie Bayern München oder Borussia Dortmund, die Fanshops in New York und Singapur eröffnen, ist der Schweizer Meister längst nicht. Auch wenn sich ein japanischer Sender umgehend nach Bekanntwerden des Kakitani-Transfers die Übertragungsrechte an der Super League sicherte.
Davon, so Heusler, profitiert in erster Linie die gesamte Liga. Und Blaser kann sich im Moment als höchstes der Vermarktungsgefühle eine Reise der ersten Mannschaft nach Japan vorstellen. «Es ist vor allem imagemässig eine Chance. Aber man darf deshalb nicht ständig den Taschenrechner vor sich haben.»
Turbo-Integration bis Sonntag?
Zunächst einmal muss der junge Mann beweisen, wie er sich in der europäischen Kultur, in der Schweiz und im FCB zurechtfindet. Oder, wie es Bernhard Heusler ausdrückt: «Ich hoffe, dass er vor allem ein Fussballstar wird bei uns. Das ist mir lieber als ein Popstar.» Bei der Nachfrage, dass er einst als schwererziehbares Fussballtalent galt und an einen anderen Club ausgeliehen wurde, kratzte Kakitani sich erst einmal etwa verlegen an der Nase und entgegnete: «Woher wissen Sie das?»
Paulo Sousa liegt daran, Kakitani so rasch wie möglich zu integrieren, was heisst, dem Spieler die Prinzipien seines Fussballs und die Trainingsinhalte zu vermitteln. Die Sprachbarriere hilft für unabsehbare Zeit der Dolmetscher Jonathan Wüst überwinden, und Sousa sieht darin kein Problem: «Wir haben im Fussball eine Sprache, und Kakitani ist ein intelligenter Spieler.»
Der Trainer geht sogar so weit zu sagen: «Jeder Spieler, der voll mittrainiert, hat die Chance unter die ersten 18 oder die erste 11 zu kommen. Wir werden während der Woche sehen, ob es vielleicht schon für Sonntag reicht.» Dann empfängt der FCB in der zweiten Super-League-Runde den FC Luzern (16.00 Uhr).
Bis dahin wird sich in Kabine und auf dem Trainingsplatz klären, ob Kakitani von seinen neuen Kollegen «Yo» oder, weniger elegant in den Ohren Deutschsprachiger, «Kaki» gerufen wird. «Wie es ihnen passt», sagt Kakitani, «das ist mir egal.» Sagt’s, lächelt, und die Fotoapparate klackern in Serie.
hat in der ersten und zweiten japanischen Liga, im Cupwettbewerb und in der asiatischen Champions League 216 Spiele bestritten und 61 Tore erzielt. Sein bestes Jahr war 2013, als er in 34 Einsätzen für seinen Stammverein Cerezo Osaka 21 mal traf.
In dieser Saison lief es nicht optimal für ihn. Beobachter sagen, der uruguayische Alt-Star Diego Forlan, der seinen Karriereherbst in Osaka verbringt, habe ihm an Wirkung genommen. Am 15. Juli, bei der 1:2-Heimniederlage gegen Kawasaki Frontale, gab Kakitani seinen tränenreichen Abschied (siehe Video oben) von Osaka, das in der laufenden Saison auf Platz 14 (von 18) liegt; Kakitani traf in 13 Spielen ein Mal.
Mit seinen beiden Teileinsätzen an der WM in Brasilien (Vorrunden-Aus) bringt es Kakitani auf 14 Länderspiele und fünf Tore. In der asiatischen Champions League steht er mit vier Toren in acht Spielen zu Buche.
» Die Leistungsdaten von Yoichiro Kakitani bei Transfermarkt und bei Soccerway