Beim 1:4 gegen Napoli zahlt der Champions-League-Kandidat VfL Wolfsburg Lehrgeld für seine fehlende internationale Erfahrung. Für die Bundesliga war es ein zweiter Paukenschlag nach der Niederlage der Bayern.
Klaus Allofs ist einer der grossen Charmebolzen der Bundesliga. Und so setzte der Geschäftsführer des VfL Wolfsburg auch sein freundlichstes Gesicht auf, als er auf die Ursachen dieses für die Niedersachsen höchst unerfreulichen Abends in der Europa League zu sprechen kam. Schliesslich dürfte nach der italienischen Ohrfeige für die Nummer zwei der Liga das Rückspiel am kommenden Donnerstag beim ssC Neapel nur noch ein Pflichttermin für die Grün-Weissen sein.
Der Schweizer Meister 2016 hat seinen Platz in der Champions League auf sicher
Wohin danach die Reise geht, daran liess die 1:4-Heimniederlage im Europa-League-Viertelfinalhinspiel gegen den Tabellenvierten der Serie A keinerlei Zweifel. Der VfL, dem zur kommenden Saison der internationale Aufstieg in die Champions League so gut wie sicher ist, wird sich kommende Woche vorerst wohl aus dem Europacup verabschieden.
Die Wolfsburger zahlten am Donnerstagabend vor 25’000 Zuschauern in der heimischen Arena zu viel europäisches Lehrgeld für einen Auftritt, der nichts mehr gemein hatte mit den zuletzt teils spektakulären Leistungen der Mannschaft von Trainer Dieter Hecking.
Dennoch lächelte Allofs tapfer, als er der durch die Treffer von Higuain (15. Minute), Hamsik (23./64.) und Gabbiadini (77.) besiegelten Klatsche bei einem Gegentor von Bendtner (80.) noch etwas Aufbauendes abzugewinnen versuchte: «So etwas gehört auch dazu, auch das ist ein Bestandteil unserer Entwicklung.»
Wie vom Donner gerührt
Die Wolfsburger schienen wie vom Donner gerührt, als es nach fünfzehn Minuten Geplänkel ernst wurde und der VfL Higuains Treffer und knifflige Entscheidungen des spanischen Schiedsrichters Lahoz hinnehmen musste: Eine schwer erkennbare Abseitsposition des argentinischen Angreifers und eine dikussionswürdige Ballannahme, bei der der Oberarm im Spiel schien.
Das war ärgerlich, aber doch kein Grund, den eigenen Widerstandsgeist derart früh aufzugeben. Warum die in der Liga sehr robust anmutenden Wolfsburger danach keine gescheite Flanke mehr an den Mann brachten, bis auf Perisics Vorlage auf Bendtner vor dem 1:4, warum die Standardsituationen weit unter dem sonstigen Standard des VfL verpufften, warum Kevin de Bruyne, Herz und Hirn des Teams, seiner Mannschaft keine Stütze war, warum die Abwehr samt Ricardo Rodriguez und das defensive Mittelfeld den Neapolitaner Offensivschwung nie bremsen konnten, das fragte sich auch Allofs.
Ernüchtert konstatierte er: «Wir hatten heute keine Antwort. Das liegt auch an der fehlenden internationalen Erfahrung.»
«Wir alle haben richtig naiv gespielt»
Trainer Dieter Hecking, auch er nur ein milder Kritiker seiner seit langem mal wieder aus den Fugen geratenen Spieler, bemängelte dazu die fehlende internationale Härte seiner Profis. «Wir haben sehr spät gemerkt, dass der Schiedsrichter eine lange Leine bei der Bewertung der Zweikampfsituationen liess. Wir wollten das fussballerisch lösen, aber wenn es in Richtung Finale geht, muss man auch mehr körperlich dagegenhalten.»
Abwehrchef Naldo brachte die Dinge auf den Punkt, als er zugab: «Wir alle haben richtig naiv gespielt.» Beim vierten Gegentor machte dann auch Diego Bengalio keine sonderlich gute Figur.
Es war eine günstigenfalls lehrreiche, auf jeden Fall aber ernüchternde Woche, in der die Bundesliga schon nach dem 1:3 der Bayern in Porto zur Kenntnis nehmen musste, dass sie das Prädikat «Weltmeisterliga» rasch vergessen sollte.
Umstrittene Szene, wegweisend für Napoli: Gonzalo Higuain schüttelt Ricardo Rodriguez ab und trifft zum 0:1. (Bild: Keystone/MICHAEL SOHN)
Die Bayern können ihren portugiesischen Fehltritt in der Champions League beim Viertelfinalrückspiel am Dienstag in München vielleicht noch korrigieren, die Wolfsburger aber, zuvor hoffnungsfroh auf das Europa-League-Endspiel in Warschau schielend, sind bei ihrer internationalen Reifeprüfung in diesem Frühjahr mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit schon durchgefallen.
Was ihnen noch fehlt, um demnächst in der Champions League mehr als nur ein Punktelieferant zu sein, haben ihnen die ausgebufften Kollegen aus Neapel brutal vor Augen geführt.
Eine Niederlage, die hilfreich sein soll
Trainer Hecking versuchte wie Allofs das Beste aus einem verkorksten Abend zu machen und glaubte, dass dieses 1:4 die Sinne seiner Mannschaft für das, was in dieser Saison noch vor ihr liegt, schärfen werde. «Wir sind noch nirgendwo am Ziel, da ist es gar nicht so verkehrt, wenn man auch mal so ein Spiel drin hat.»
Am Sonntag steht beim Heimspiel gegen den FC Schalke 04 die Probe aufs Exempel bevor. Was gegen Neapel war, wird, glaubt Allofs, keine Spuren hinterlassen: «Ich denke nicht», sagt der Manager, «dass uns das einen Knacks gibt.» Den Beweis für diese These müssen die am Donnerstag noch so fahrlässigen und in ihrer Harmlosigkeit überforderten Spieler nachliefern.
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Rückspiele am 23. April | Halbfinals: 7./14. Mai | Final: 27. Mai in Warschau | |
Die Viertelfinals in der Europa League | |
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VfL Wolfsburg–SSC Napoli | 1:4 |
Dynamo Kiew–Fiorentina | 1:1 |
FC Sevilla–Zenit St. Petersburg | 2:1 |
FC Brühgge–Dinpro Dnipropetrovsk | 0:0 |