Ein Final, zwei Welten – die Gefühlslagen nach dem Final in Paris

Nach dem Final in Paris schritten Nadal und Djokovic zur Pressekonferenz – in unterschiedlicher Stimmung, aber richtig glücklich wirkte auch der Sieger nicht.

epa04245354 Rafael Nadal of Spain (R) at the net with Novak Djokovic of Serbia whom he defeated in the men's final of the French Open tennis tournament at Roland Garros in Paris, France, 08 June 2014. EPA/ETIENNE LAURENT (Bild: Keystone/ETIENNE LAURENT)

Rafael Nadal gewinnt zum neunten Mal die French Open, sein Finalgegner Novak Djokovic verpasst es, diese zum ersten Mal für sich zu entscheiden. Einblicke in die unterschiedlichen Welten von Gewinner und Verlierer, die geprägt sind von Glück und Erschöpfung, Enttäuschung und Zuversicht – und dem grossen Wunsch nach Ferien.

Der Kameramann des serbischen TV-Senders RTS korrigierte die Ausrichtung seines Arbeitsgeräts so, dass nur noch Novak Djokovic, der Verlierer des French-Open-Finals, zu sehen war. Zuvor schien es, als habe die Kamera im Hintergrund Rafael Nadal eingefangen, den nunmehr neunmaligen Gewinner des Grand-Slam-Turniers von Paris. 

Vielleicht wollte das serbische Fernsehen nicht, dass im Bild diese zwei Welten aufeinander treffen: im Vordergrund der Verlierer, im Hintergrund der Gewinner.

«Ich fühle mich total leer.»

Rafael Nadal

In der Welt des Gewinners Nadal, der den Final in knapp dreieinhalb Stunden mit 3:6, 7:5, 6:2 und 6:4 für sich entschieden hatte, dominierten erst einmal die physischen Qualen. Bereits beim Fototermin auf dem Platz plagten die spanische Weltnummer eins Rückenbeschwerden. Sie verunmöglichten einige der von den Fotografen geforderten Posen mit der Coupe des Mousquetaires. Nadal winkte ab, dehnte seinen Oberkörper und beschränkte sich darauf, sich neben seiner liebsten Trophäe sitzend ablichten zu lassen.

Interviews an der frischen Luft als medizinische Massnahme

Wie mitgenommen der Spanier nach dem Gewinn seines 14. Grand-Slam-Titels wirklich war, wurde aber erst spät abends an der Pressekonferenz deutlich: Nadal verlangte nach den Fragen in englischer Sprache eine Auszeit, verliess den Raum, traf sich für wenige Sekunden mit dem Arzt und einem Mitglied seines Teams und kehrte für die spanische Presse in den Saal zurück. Allerdings nur für kurze Zeit: Er wünschte, die anschliessenden TV-Interviews draussen an der frischen Luft führen zu dürfen.

Nadal schien nach dem historischen Sieg völlig benebelt. «Ich fühle mich total leer», sagte er und legte erschöpft den Kopf in den auf den Tisch gestützten Arm. Ein Bild der Entkräftung nach dem aufopfernden Kampf unter der Pariser Sonne, ein Bild, das er während der zwei Wochen zu keinem Zeitpunkt abgegeben hatte.

Die Erschöpfung war aber nicht nur physischer Natur. Der Druck der Geschichtsbücher dürfte dem Spanier ebenfalls stark zugesetzt haben – auch wenn er immer wieder betonte, dass er nicht an die Tennishistorie denke: Noch nie gewann ein Spieler die French Open fünf Mal in Serie, noch nie wurde der gleiche Name neunmal in die Siegerliste eines Grand-Slam-Turniers eingetragen.

Die Geschichte interessiert Nadal nicht

Diese Marken hat Nadal mit dem Sieg an der Porte d’Auteuil wenige Tage nach seinem 28. Geburtstag erreicht. Er egalisiert damit auch Pete Sampras’ Marke von 14 Grand-Slam-Titeln. Nadal liegt in dieser Rangliste mit dem Amerikaner auf Platz zwei, hinter Roger Federer, der 17 Titel der höchsten Turnierstufe aufweist.

Solche Meilensteine interessierten Nadal in diesem Moment nicht. «Ich mag derartige Vergleich nicht. Roland Garros ist für mich das wichtigste Turnier des Jahres, nur das zählt für mich. Über alles andere werde ich nachdenken, wenn meine Karriere zu Ende ist.»

Diese Aussage war bezeichnend für Nadals Haltung nach dem Final gegen seinen serbischen Widersacher, gegen den zu spielen er als «die vermutlich grösste Herausforderung in meiner Karriere» bezeichnet. Weder war der Spanier für Ausblicke in die Zukunft zu begeistern, noch zu tiefgreifenden Rückblicken auf das eben Geschehene zu ermutigen.

«Es tut mir leid für Djokovic»

Immerhin liess er sich entlocken, dass er die Pfiffe des Publikums beim Matchball als «unfair» erachtete: Djokovic musste im letzten Game der Partie über den zweiten Aufschlag gehen; zwei, drei, vielleicht vier der insgesamt rund 15’000 Zuschauer konnten sich nicht zurückhalten und störten den Service der serbischen Nummer zwei der Welt. Djokovic‘ Doppelfehler beendete die Partie auf dem Court Philippe Chatrier.

«Es tut mir leid für Novak. Aber das spricht nicht gegen das Publikum, in grossen Stadien passiert das eben», sagte Nadal und fügte an: «Für mich macht es keinen Unterschied, ob ich so gewinne oder anders. Ich fühlte in diesem Moment einzig und allein den Gewinn des Turniers.»

«Es ist weder das erste, noch das letzte Mal, dass ich ein Tennisspiel verliere.»


Novak Djokovic

Hält Nadals Körper den Strapazen auf der Tour stand, ist der zehnte Titel im Bois de Boulogne wahrscheinlich; zu dominant ist die Spielweise des Spaniers auf der Terre battue, dem roten Sand, auf dem er als bester Spieler aller Zeiten gilt.

Djokovic verpasst den fehlenden Grand-Slam-Titel

Dass aber auch Djokovic diesen Titel dereinst gewinnen kann, bewies der Serbe nicht nur im Final gegen Nadal, sondern bei all seinen Auftritten während der Pariser Quinzaine. Der sechsfache Grand-Slam-Sieger würde mit dem Gewinn der French Open erreichen, was Nadal und Federer bereits geschafft haben: alle Trophäen an Grand-Slam-Turnieren mindestens einmal zu gewinnen. Es wäre ein weiterer Beleg dafür, dass derzeit drei Grosse der Tennisgeschichte auf der Herrentour um Ruhm, Ehre, Punkte und Geld spielen.

Djokovic konnte nach der Partie nicht verbergen, dass er sich der verpassten Chance bewusst war. Nadals bisherige Saison auf Sand war weniger beeindruckend als in früheren Jahren; er galt als verwundbar, auch, weil ihn Djokovic im Final von Rom unlängst auf Sand bezwungen hatte.


Djokovics Sieg gegen Nadal im Final von Rom 2014

Djokovic: ausdruckslos, leer, seufzend

Enttäuscht und anders als in den Gesprächen nach den Runden zuvor vermied der Serbe den Blickkontakt mit den Fragenden. Die Augen des Verlierers suchten immer wieder den hinteren Teil des Pressesaals ab, tiefes Seufzen prägten die Redepausen, die Hände vergruben das ausdruckslose Gesicht. «Es ist weder das erste, noch das letzte Mal, dass ich ein Tennisspiel verliere», versuchte Djokovic der Niederlage eine Normalität abzugewinnen.

«Ferien wären wahrscheinlich besser.»

Rafael Nadal

Zu dieser Normalität gehört auch, dass ein Sieg gegen Nadal in Paris einer Sensation gleich kommt. Einzig der Schwede Robin Söderling bezwang den Spanier 2009. Im Jahr, als Federer den langersehnten Titel an den French Open gewonnen hat. «Es fühlt sich auf diesem Platz so an, als sei es hier schwerer als anderswo, gegen Nadal zu gewinnen», sagte Djokovic, der zuvor vier Partien in Folge gegen den Spanier gewonnen hatte.

Überlegen war Djokovic seinem spanischen Rivalen einzig in der Ansprache nach der Partie. In erstaunlich gutem Französisch, um Längen besser als Nadals limitierte Bemühungen, wandte sich der Serbe an die Franzosen und erntete dafür stehende Ovationen: «Diese Anerkennung war phantastisch», strich Djokovic einen positiven Aspekt dieser Niederlage heraus.

Wimbledon ist das nächste Kapitel

Der eine mit dem Titel im Gepäck, der andere mit viel Frust und doch erhobenen Hauptes: Nadal und Djokovic verlassen Paris, um nach dem 42. Aufeinandertreffen einer der grössten Rivalitäten der Tennisgeschichte in London ein weiteres Kapitel zuzufügen. In zwei Wochen beginnt in Wimbledon das dritte Grand-Slam-Turnier des Jahres.

Während Federer bereits in der ersten Woche nach der Niederlage gegen den Letten Ernests Gulbis in Paris die Segel streichen musste und sagte: «Meine Gedanken sind nun beim Rasen, der Sand braucht mich nicht mehr», beginnt für die beiden Finalisten von Paris nun die Umstellung auf die schnellere Unterlage.

«Ich gehen jetzt nach Halle», sagte Nadal, der in Deutschland das gleiche Vorbereitungsturnier wie Federer bestreiten wird, «und hoffe, dass mein Knie halten wird.» Das Knie ist eine der beiden Problemzonen Nadals, die sich auf anstehenden Turnieren auf den schnelleren Belägen noch stärker bemerkbar machen als auf Sand. Das andere Problem ist der Rücken, «mit dem ich während des ganzen Turniers zu kämpfen hatte».

Sich darüber Gedanken machen, was in Wimbledon für ihn möglich sein könnte, mochte Nadal nicht. Er sagte nur: «Das Resultat wird vermutlich nicht das gleich sein wie hier in Paris.»

Doch insgeheim scheint Nadal im Moment anderes im Kopf zu haben als auf dem Rasen von London Höchstleistungen zu vollbringen: «Ferien wären wahrscheinlich besser.»

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