Ein Fragebogen hilft GC auf dem bescheidenen Weg der Kontinuität

Die Grasshoppers gehen als erster Verfolger des FC Basel in die Winterpause. Trainer Pierluigi Tami und Sportchef Manuel Huber ziehen eine positive Bilanz, ohne in Euphorie auszubrechen.

02.12.2015; Niederhasli; Fussball Super League - Grasshopper Club Zuerich; Trainer Pierluigi Tami (GC) anlaesslich einer Medienkonferenz (Steffen Schmidt/freshfocus)

(Bild: Steffen Schmidt/freshfocus)

Die Grasshoppers gehen als erster Verfolger des FC Basel in die Winterpause. Trainer Pierluigi Tami und Sportchef Manuel Huber ziehen eine positive Bilanz, ohne in Euphorie auszubrechen. Zu viel trenne GC vom FCB – auch wenn die Zürcher in einer Hinsicht die Nase vorne haben und mit besonderen Methoden ihre Spieler überwachen.

An der Gemeindegrenze von Niederhasli trennt eine Strasse Mensch und Tier. Auf der einen Seite galoppieren Pferde auf der Rennanlage, auf der anderen liegt der Campus der Grasshoppers. Um Wettkampf geht es auf beiden Seiten, aber bei den Fussballern hätte vor dem Saisonstart kaum einer auf eine derart gute Platzierung gewettet, auf einen zweiten Platz hinter Meister Basel.

«Wer hätte das gedacht! Ich jedenfalls nicht», sagt Manuel Huber. Der Geschäftsführer und Sportchef sitzt im Medienraum des Campus und zieht an diesem Mittwochnachmittag mit dem Cheftrainer Pierluigi Tami Bilanz.

Tami übernahm im Januar die Mannschaft von Michael Skibbe, verhinderte mit Platz acht den Abstieg, verabschiedete 14 Spieler, begrüsste zehn neue und startete mit grossen Unsicherheiten in die Saison. «Wir wussten nicht, was mit diesem Team möglich ist», sagt der 54-Jährige.

Und als der Trainer nach ein paar Runden die Stärke seiner Mannschaft besser einschätzen konnte, da machte sich bereits die nächste Angst breit: «Meine Sorge war, dass wir diesen Fussball einen Monat spielen können. Aber nicht länger.»

Der neue Fussball von GC: «offensiv» und «kreativ»

Tamis Bedenken gründeten im schmalen Kader. Hinter der ersten Elf klafft eine Lücke, das ganze Konstrukt droht auseinanderzufallen, wenn sich die Stammspieler verletzen oder gesperrt sind. Doch das Szenario traf nicht ein: Nach dem Sieg gegen den FC Basel fehlten vier Spieler (gesperrt), den FC Vaduz bezwangen die Zürcher trotzdem mit 2:0.



Der Zuercher Caio, vorne, freut sich ueber sein Tor im Fussball Meisterschaftsspiel der Super League zwischen dem FC Basel 1893 und dem Grasshopper Club Zuerich, im Stadion St. Jakob-Park in Basel, am Sonntag, 8. November 2015. (KEYSTONE/Georgios Kefalas)

Caios Jubel nach dem Tor beim 3:2-Sieg gegen den FC Basel im St.-Jakob-Park Anfang November. GC brachte dem Meister die erste Heimniederlage unter Trainer Urs Fischer bei. (Bild: Keystone/GEORGIOS KEFALAS)

Sportchef Huber ist nach der ersten Saisonhälfte «besonders froh, dass wir jetzt ein Team haben», was Tamis Verdienst sei. Der ehemalige langjährige Trainer der U21-Nationalmannschaft stellte dem von Spartak Moskau kommenden Kim Källström den ebenfalls neuverpflichteten Marko Basic zur Seite und formte so das defensive Mittelfeld, das Herz des GC-Spiels. Tami paarte dieses mit der bewährten Offensive der letzten Saison, dem Quartett mit Yoric Ravet, Shani Tarashaj, Caio und Munas Dabbur.

Mit diesem Personal spielt Tami einen «neuen Fussball», der «offensiver und kreativer» ist als zuletzt, einen Fussball, von dem er und seine Spieler «überzeugt sind», wie er sagt.

Tami liegen Angebote aus der Bundesliga vor

Dank der Auftritte mit GC liegen auf Tamis Schreibtisch nun Angebote aus der Bundesliga. «Das ist schön», mehr will der Tessiner dazu nicht sagen, denn er fühle sich bei GC wohl. Verein und Trainer sind im Gespräch über einen neuen Kontrakt und wollen noch vor Jahresende einen gemeinsamen Nenner gefunden haben.

Vieles deutet darauf hin, dass der Trainer bleibt. Huber sagt jedenfalls ohne Umschweife: «Wir wollen mit Pierluigi Tami verlängern», und Tami sagt: «Ich bin zu hundert Prozent einverstanden damit, wie hier gearbeitet wird.»



08.11.2015; Basel; Fussball Super League -FC Basel - FC Grasshopper Club Zuerich; Schiedsrichter Sascha Amhof und Kim Kaellstroem (GC) (Daniela Frutiger/freshfocus)

Kim Källström ist der Dreh- und Angelpunkt im Spiel der Grasshoppers. (Bild: Daniela Frutiger/feshfocus)

Ob der Trainer mit dem gleichen Kader weiterarbeiten kann, ist derweil offen. GC versteht sich als Ausbildungsverein, der darauf angewiesen ist, die Marktwerte seiner Spieler zu steigern und das Personal dann zu verkaufen. Am einträglichsten wäre momentan der Verkauf des Liga-Topscorers Dabbur, wie Sportchef Huber sagt.

Mit einem Fragebogen kontrolliert Tami seine Spieler täglich

Die Grasshoppers schliessen nicht aus, dass es zu Veränderungen im Kader kommt. Aber die Mannschaft werde nicht komplett verändert, betont Huber, weil GC auch ohne Transfereinnahmen in diesem Winter im Budget liege. Das ausgegebene, hochgesteckte Ziel ist es, sportliche Entscheide dereinst losgelöst von betriebswirtschaftlichen Gegebenheiten zu treffen.

Noch hat GC dieses Ziel nicht erreicht. Auch deswegen will man auf dem Campus nicht in Euphorie verfallen nach der erfolgreichen Hinrunde, gar vermessen wäre es, sich mit dem FCB zu vergleichen, sagt Huber. Irgendwann soll die Mannschaft wieder an der Gruppenphase eines europäischen Wettbewerbs teilnehmen. Wann, ist unklar, präziser kann oder will das Ziel niemand formulieren.



02.12.2015; Niederhasli; Fussball Super League - Grasshopper Club Zuerich; Trainer Pierluigi Tami (GC) und CEO Manuel Huber anlaesslich einer Medienkonferenz (Steffen Schmidt/freshfocus)

Manuel Huber (rechts) hat mit Pierluigi Tami einen Trainer gefunden, mit dem er den Arbeitsvertrag verlängern möchte. Vor Jahresende soll entschieden werden. (Bild: Steffen Schmidt/freshfocus)

Sowohl Tami als auch Huber benutzen immer wieder die Wörter «Kontinuität» und «Bescheidenheit». Den eingeschlagenen Weg will man nicht verlassen; die Jungen, die noch nicht an dem Punkt sind, an dem die Grasshoppers sie haben wollen, sollen weiter gefördert werden – und sie sollen bescheiden bleiben.

Dafür sorgt unter anderem ein Überwachungssystem, das Tami beim Rekordtitelhalter installiert hat. Die Spieler beantworten täglich eine Handvoll Fragen. So weiss Tami, wie gut seine Fussballer geschlafen haben, wie viel Spass ihnen das Training bereitet oder wie sie ihre Leistung selbst beurteilen.

Die Prävention, die wenige Muskelverletzungen zur Folge hat

Je nach Antwort auf die Frage der Selbstbeurteilung holt Tami seine Akteure auf den Boden der Realität zurück. Es käme vor, dass ein Spieler sich überschätze, nachdem er ein Tor geschossen oder einem Gegner den Ball zwischen den Beinen durchgespielt habe. In diesen Fällen greift der Trainer ein, gerade bei jungen Spielern, und zeigt ihnen auf, was im Fussball ebenfalls wichtig ist.

«Wir hatten fast keine muskulären Verletzungen», sagt Tami und erwähnt Caio, der deswegen gerade mal ein Spiel verpasst habe.

So kontrolliert und führt Tami seine Spieler und überprüft gleichzeitig, ob sich die Ziele des Trainerstabs mit denjenigen der Mannschaft decken. Zudem liefern ihm die Antworten Hinweise darauf, ob einer eine Trainingspause braucht und «mal lieber einen Nachmittag mit der Familie verbringt», wie Tami es umschreibt.

Diese Vorgehensweise ist Teil der präventiven Arbeit, die zum Erfolg beiträgt. «Wir hatten fast keine muskulären Verletzungen», sagt Tami und erwähnt Caio, der deswegen gerade mal ein Spiel verpasst habe.

In der Winterpause kommen die Fragen der Zwischensaison wieder auf

Was die Ausfälle wegen muskulärer Probleme betrifft, so sind die Grasshoppers dem FCB voraus. Gesundheit allein gewinnt jedoch noch keine Spiele.

Und deswegen zieht GC kurz vor dem Ende der Hinrunde zwar eine positive Bilanz. Die Winterpause droht aber zu dem zu werden, was die Zwischensaison im Sommer war: zu einer Zeit der grossen Unsicherheiten. Bleibt die Mannschaft zusammen? Und wenn ja, bleibt sie auch in der Rückrunde von Verletzungen verschont?

Unabhängig von den Veränderungen im Winter heisst es für die Konkurrenz: Mit den Grasshoppers ist zu rechnen. Und der FC Basel hat, wie in der Saison 2013/14, in den Zürchern seinen stärksten Gegner gefunden.

Um mit den Grasshoppers richtig Geld zu machen, waren die Wettquoten jedenfalls schon besser als nach dieser Hinrunde. Gut nur, dass es im Zürcher Unterland für alle Spielfreudigen gleich über die Strasse eine Pferderennanlage gibt.



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