Ein in Beton gegossenes Vermächtnis

Von seiner Ehrenpräsidentin erhält der FC Basel die modernste Fussballschule der Schweiz zur Verfügung gestellt. Der 20 Millionen Franken teure Nachwuchs-Campus ist ein Segen für den Club und Herausforderung zugleich.

Talentschmiede mit der Aura einer Trutzburg: Der Nachwuchs Campus Basel von Norden her gesehen mit dem Eingang von der Grösse eines Fussballtores und der Fassade mit den Öffnungen, die die Platzierungen des FC Basel bis 2010 darstellen. (Bild: R. Walti)

Von seiner Ehrenpräsidentin erhält der FC Basel die modernste Fussballschule der Schweiz zur Verfügung gestellt. Der 20 Millionen Franken teure Nachwuchs-Campus ist ein Segen für den Club und Herausforderung zugleich.

Einem jugendlichen, talentierten Fussballspieler schmackhaft zu machen, zum FC Basel zu kommen, ist nicht sonderlich schwierig. Man trifft sich in den Geschäftsräumen des Glasturms neben dem St.-Jakob-Park, zeigt den Eltern die betreuten Wohnhäuser in der Lehenmatt, und natürlich lässt man den Gang ins Joggeli wirken. «Geschämt hat man sich aber dann», erinnert sich Peter Knäbel, «wenn man bei den Kabinen angekommen ist.» Draussen, auf den Sportanlagen St. Jakob, herrscht «Fusspilzgefahr», wie der ehemalige Nachwuchschef des FCB die Zustände in den in die Jahre gekommenen Holzbaracken beschreibt.

Bis 2009 war Knäbel sechs Jahre lang in der Juniorenarbeit beim FCB tätig, zuletzt als Chef, und in diese Zeit fällt die Idee für den Nachwuchs-Campus, der nun am 17. August feierlich eingeweiht und ab 1. September in Betrieb genommen wird.

Professionell, erfolgreich und mit den Zürcher Clubs führend in der Schweiz ist der FCB seit Jahren in der Ausbildung junger Fussballer – «Nachwuchsarbeit auf höchstem Niveau mit bescheidenen Mitteln», wie Benno Kaiser, lange Jahre administrativer Leiter dieser FCB-Abteilung, das nennt. «Aber», sagt Peter Knäbel, «wir liefen Gefahr, infrastrukturell in Rückstand zu geraten.»

FCB-Ehrenpräsidentin Gigi Oeri erfüllt sich mit dem Campus einen Traum

Möglich gemacht hat den Campus Gigi Oeri, die einst von René C. Jäggi in den Verein geholt wurde und sich zunächst für die Jugend engagierte, ehe sie als Präsidentin, Transferchefin und Mäzenin den Aufschwung des FCB nach der Jahrtausendwende befeuerte. Beim Aufrichtfest des Campus im Spätjahr 2012 sagte Gigi Oeri: «Einer meiner grössten Träume, seit ich den FCB kenne, geht in Erfüllung.» Der Campus ist auch das in Beton gegossene Vermächtnis der Ehrenpräsidentin.

Vor fünf Jahren wurde das Projekt angeschoben mit einem Planungskredit, den Oeri gewährte. Knäbel nennt den Weg zur Verwirklichung kompliziert: «Man ging anfangs von grösstmöglichem Widerstand aus.» Unvergesslich ist Knäbel deshalb ein Auftritt mit Kaiser und Oeri vor dem Münchensteiner Gemeinderat in nicht öffentlicher Sitzung: «Da haben die Leute verstanden, dass es Gigi Oeri ernst ist mit dem Projekt.»

Den Löwenanteil der Kosten trägt Gigi Oeri

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Das galt dann auch während der Bauphase, als zum Beispiel Altlasten im Boden entdeckt wurden. Die Entsorgung verschlang eine weitere Million Franken, nicht budgetierte Zusatzkosten, die sich Kanton, Christoph Merian Stiftung und Gigi Oeri teilten. Insgesamt hat der Bau der Anlage mehr als 20 Millionen Franken gekostet.

Der Löwenanteil davon kommt von Gigi Oeri, und nebst privaten Spendern wie Unternehmer Emanuel Burckhardt, Bankier Eric G. Sarasin, Novartis oder Bernhard Burgerners Constantin Film Schweiz AG, haben auch die Kantone Basel-Stadt (1 Million) und Baselland (0,5 Millionen) Zuschüsse aus dem Swisslos-Fond gewährt.

Für dieses Geld gab es einerseits das von den Basler Architekten Luca Selva entworfene Hauptgebäude, ein sich in die Brüglinger Ebene einfügender Bau, der sich nach Süden hin öffnet. Markant ist zum einen eine grosszügige überdachte Lobby, die in ein strahlend blaues Tartanfeld übergeht, zum anderen sind in die Weissbetonfassade runde Öffnungen eingelassen, die sämtliche Platzierungen des FC Basel seit seiner Gründung 1893 darstellen.

Eine Infrastruktur, die keinen Vergleich scheuen muss

Auf Ästhetik und Gestaltungsfragen bis ins Detail haben Stiftungspräsidentin Gigi Oeri und Stiftungsrat Jacques Herzog viel Wert gelegt, und auch bei der Funktionalität der Anlage wurde nicht gespart. Die Nachwuchsmannschaften des FCB von U14 bis U21 beziehen im Campus jeweils eine eigene Garderobe, die Trainer erhalten Büros, es gibt einen Kraftraum, ein Kaltwasserbecken, Platz für die Physiotherapeuten, ein Auditorium, einen Aufenthaltsbereich für die Junioren, Sitzungszimmer, eine Kantine und ausserdem ein öffentlich zugängliches Restaurant.

Zudem sind vier Fussballplätze frisch angepflanzt, einer davon neuerdings im Winter beheizbar, es wurde ein seit Jahresbeginn bereits genutzter Kunstrasen gebaut, Flutlichtanlagen wurden installiert, und eines der Felder ist mit elf Kameras für die Leistungsdiagnostik ausgerüstet, die nicht vielen Proficlubs in Europa zur Verfügung steht.

Erstmals hat die Jugendarbeit des FC Basel damit eine Art Begegnungsstätte, wobei der Campus den Buben und jungen Männern vorbehalten ist. Auf den Trainingsfeldern 10 und 11 der Sportanlage St. Jakob, direkt an der Grün 80 gelegen, werden ausserdem wie früher auch wieder die Profis unter Murat Yakin üben, vor allem im Winter auf dem beheizten Platz – und dafür Miete bezahlen. Die Mädchen- und Frauenmannschaften des FCB genies-sen im Campus Gastrecht für einzelne Trainings oder Spiele, sie haben im Gebäude aber keine eigenen Räume.

Vizepräsident Adrian Knup: «Der Campus ist ein Segen für den FCB.»

Vom Campus verspricht sich Adrian Knup, der als Vizepräsident des FCB für die Nachwuchsarbeit zuständig ist und als Ex-Nationalspieler selbst noch wöchentlich mit Junioren auf dem Trainingsplatz steht, einen Austausch der Trainer, wie er im Leistungsbereich bisher nur umständlich möglich war und von den Praktikern immer wieder eingefordert wurde: «Das wird intern noch einmal einen richtigen Schub geben.»

Das alles hätte sich der Verein selbst nicht leisten können, sagt Knup: «Der Bau ist ein Segen für den FCB.» Das vor allem auch deswegen, weil die Talentschmiede den Club auch in Zukunft nichts kosten wird. Spieler und Trainer können frei über die Infrastruktur verfügen. Für den Unterhalt des Baus und der Plätze, für Wasser und Strom und für die beiden Wohnhäuser an der Lehenmattstrasse für auswärtige Nachwuchsspieler trägt die vom FC Basel unabhängige Stiftung Nachwuchs-Campus Basel die Kosten, ja selbst für die Schulgelder der Junioren kommt sie auf.

Die teure Talentschmiede

Rund drei Millionen Franken wird so das Jahresbudget des Campus betragen. Und auch dieses Geld wird grossmehrheitlich von Gigi Oeri kommen, die eine jährliche Zahlung von 2,6 Millionen zugesagt hat. Es wird für die Campus-Stiftung also überlebenswichtig sein, dass die FCB-Ehrenpräsidentin nicht irgendwann die Freude an ihrem Projekt verliert. Bislang soll sie jeweils sogar mehr als die versprochene jährliche Summe zur Verfügung gestellt haben.

Der FC Basel seinerseits «hat keine finanzielle Verpflichtung der Stiftung gegenüber», wie Knup sagt. Mit einer Ausnahme: Wenn ein Spieler, der durch den Campus ging, einen Transfer macht, erhält die Stiftung vom FCB einen kleinen, fixen Beitrag.

Trotzdem bleibt der Nachwuchs ein bedeutender Posten im Budget des FCB. Trainer, Betreuer und Physiotherapeuten sind weiter bei der FC Basel 1893 AG angestellt; insgesamt sind es rund 50 Funktionsträger, darunter 13 Trainer, die im FCB-Nachwuchs arbeiten. «Wir stellen die Infrastruktur, der FCB nutzt sie», erklärt Benno Kaiser das System. Ihm wurde von der Stiftung die Geschäftsführung im Campus übertragen, wo weitere zehn festangestellte Kräfte tätig sind.

Zwischen fünf und sechs Millionen Franken lag das offiziell nicht konkret ausgewiesene Budget für den FCB-Nachwuchs vor der Gründung der Stiftung. Nun wird die gesamte Summe, die FCB und Stiftung zusammen für die Nachwuchsförderung ausgeben, bei sechs Millionen veranschlagt.

Der Campus erhöht den Druck beim FC Basel, Talente zu Profis zu machen.

Das sind Investitionen, die sich der FCB nur leisten kann, wenn immer wieder eigene Junioren den Sprung in die erste Mannschaft schaffen – und danach am besten auch noch mit einer netten Transfersumme den Wechsel ins Ausland. Wenn Knup darüber spricht, dann klingt er schon fast wie ein CEO eines Basler Pharma-Unternehmens: «Wir haben schon den Druck, dass unsere Pipeline nicht austrocknet.»

Nur, dass in dieser Pipeline nicht neue Medikamente stecken, sondern Jugendliche, die neben dem Fussball auch noch eine sinnvolle Ausbildung erhalten und in ihrer persönlichen Entwicklung gefördert werden sollen.

Fast zwangsläufig kommt es da zu Konflikten zwischen sportlichen und pädagogischen Ansprüchen. Was, wenn ein Jugendlicher sich im FCB-Wohnheim daneben benimmt, aber der Torjäger seines Nachwuchsteams ist und am Wochenende das Spitzenspiel ansteht? Wird er dann diszipliniert, indem er aus dem Kader gestrichen wird – oder zählt das Streben nach sportlichem Erfolg mehr?

Menschlich noch schwieriger und anspruchsvoller in der Betreuung wird es, wenn Teenager aus dem Ausland verpflichtet werden, die dann nach ein paar Jahren als nicht gut genug für eine Profikarriere beim FCB taxiert werden. Dass die Arbeit in diesem Spannungsfeld in Basel in jüngerer Vergangenheit zu grundsätzlichen Auseinandersetzungen geführt hat, zeigen die personellen Wechsel in diesem Bereich.

Die wohlüberlegte Trennung von Stiftung und Club

Doch gerade in diesem Bereich sieht Benno Kaiser den grossen Vorteil der Trennung zwischen FCB-Nachwuchs-Abteilung und Campus. In diesem Konstrukt habe die durch die Stiftung vertretene pädagogische Seite weit mehr Gewicht: «Wir sind ganz bewusst abgetrennt, damit wir überwachen können, ob gewisse Grundwerte eingehalten werden.»

FCB-Präsident Bernhard Heusler findet gar, durch die Trennung sei die Gefahr gebannt, dass im Falle einer finanziellen Schräglage des Vereins bei der Betreuung der Jugendlichen der Sparstift angesetzt wird: «Es ist ein ganz grosses Glück, dass die sozialen Kompetenzen in der Stiftung sind. So kann dieser Bereich nicht einfach zusammengestrichen werden.»

Vorderhand hat sich der FCB, wie Adrian Knup erläuert, «auf die Fahnen geschrieben, die Nachwuchsarbeit vermehrt regional zu verankern». Durch das vom Verband vorgegebene Ausbildungssystem mit Labels und Partnervereinen sind die Claims abgesteckt, Talente von anderen Super-League-Clubs abzuwerben, ist kostspielig geworden, und deshalb will der FCB mehr Energie innerhalb eines 50-Kilometer-Radius aufwenden.

Peter Knäbel: «Mit dem Campus übernimmt Basel eine Vorreiterrolle»

Für Peter Knäbel, der 2009 als Technischer Direktor zum Schweizerischen Fussballverband wechselte und den Überblick über die Nachwuchsförderung im Land hat, steht fest: «Der Campus ist in der Schweiz einmalig. Damit übernimmt Basel eine Vorreiterrolle.»

Im europäischen Vergleich, einem Umfeld, in dem der FCB mit seinen Profis im Wettbewerb steht, hält der Ausbildungsexperte Knäbel auch die luxuriöse Ausstattung für nicht übertrieben: «Wer auf diesem Niveau der Nachwuchsförderung nicht mitmachen kann, ist langfristig nicht mehr konkurrenzfähig.»

 

  • Eingeweiht wird der Nachwuchs-Campus Basel am Samstag, 17. August, mit geladenen Gästen. Am selben Wochenende findet auf den Plätzen der Sportanlagen St. Jakob das grosse Sommerturnier des Fussballverbandes Nordwestschweiz statt. Rund 3500 Kinder und Jugendliche werden erwartet und der Campus soll so weit wie möglich Teilnehmern und Gästen offen stehen.
  • In den diesem Artikel angefügten Dokumenten (siehe auch Rückseite) wird in einem Prospekt das Projekt Campus der Architekten Luca Selva vorgestellt, und eine Bildersammlung zeigt unter anderem eine Luftaufnahme zur Situation in der Brüglinger Ebene.
  • Ein Dokument aus dem Jahr 2009 beschreibt das Nachwuchs-Förderungskonzept des FC Basel.
  • Die Website des Nachwuchs-Campus Basel ist – wie der Campus selbst – noch eine Baustelle, hat aber mit einer Webcam die zweijährige Bauzeit im Zeitraffer schön eingefangen.
  • Der Campus auf der Website des FC Basel.
  • Aus dem Handelsregistereintrag lassen sich der Zweck der Stiftung und die Zusammensetzung des Stiftungsrates nachvollziehen.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 02.08.13

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