Zum Tagessieg hat es Dario Cologna bei seinem Auftritt in der Heimat nicht ganz gereicht. Aber der Schweizer Langläufer hat seinen Heimvorteil im Val Müstair so weit ausgereizt, dass die Norweger nervös zu werden scheinen.
Wer die Krönung verpasst, wird üblicherweise nicht König. Bei Dario Cologna ist das anders. 1552 Einwohner wurden 2011 im Val Müstair gezählt. Am Dienstag hatte sich diese Zahl wenigstens für ein paar Stunden vervier- bis verfünffacht. Zwischen 6000 und 8000 Zuschauer waren nach Tschierv gekommen, um die erste Etappe der Tour de Ski in der Schweiz mitzuerleben. Ihnen war egal, dass Cologna wegen eines Missgeschicks im Finaldurchgang den Sieg im Sprint verpasste und Vierter wurde. Für sie ist der Bündner auch so König.
Schliesslich ist Cologna in Tschierv aufgewachsen. Und er ist auch der Grund, weswegen die Tour de Ski überhaupt in der Schweiz Halt macht. Seine Fans, die ihn an früheren Austragungen der Tour jeweils lautstark angefeuert hatten, sorgten für die Initialzündung des Projektes.
Der Fanclub bringt das Rennen in Colognas Heimat
Die Fans begeisterten vor Jahren den damaligen Fis-Renndirektor Jürg Capol. Zusammen mit Marco Müller aus ebendiesem Fanclub entwickelte er die Vision, eines Tour-de-Ski-Rennens in der Schweiz. Und Müller sorgte für den Input Münstertal. «Ich folgte einer blöden Idee und stellte plötzlich fest, dass diese so blöd gar nicht ist, sondern vielmehr äusserst reizvoll», erinnert sich Müller zurück.
Zu den Ersten, die eingeweiht wurden, zählte Remo Cologna, der Vater von Dario. Das Duo Müller/Cologna verstand es, dieses Mammutprojekt – es handelt sich um einen Anlass in der Grössenordnung von 800’000 Franken – auf gesunde Beine zu stellen. Zusammen mit Lenzerheide erhielt das Münstertal von Swiss Ski 2009 den Zuschlag für die Schweizer Rennen. Alternierend werden diese nun in den beiden Bündner Gemeinden durchgeführt.
Obwohl die Rennstrecke am Dienstag praktisch vor der Haustür seiner Eltern vorbeiführte, hatte Cologna vor dem Rennen darauf verzichtet, in seiner Heimat zu übernachten. Lieber verbrachte er zwei Nächte in seiner eigenen Wohnung in Davos. «Abschalten, Distanz gewinnen und für einige Stunden Ruhe geniessen», wollte er.
Genervte Norweger
Dafür nahm er auch in Kauf, dass er nicht allen Erwartungen in seinem Heimattal ensprach. Bei der Präsentation der Läufer am Vorabend des Rennens fehlte der 26-Jährige. Und auch die offiziellen Trainings verpasste Cologna.
Dass er deswegen vor dem Sprint noch ein paar Runden auf der Rennstrecke absolvieren durfte, stösst nun den Norwegern sauer auf. Der «Blick» berichtet, wie sich der norwegische Cheftrainer Vidar Løfshus in «Aftenposten» über die Sonderbehandlung des Schweizers beklagt: «Es sollte aus Prinzip jeder gleich sein.»
Im Duell zwischen Cologna und dem Norweger Petter Northug hat der Schweizer derzeit allerdings höchstens einen psychologischen Vorteil. Am Donnerstag wird Cologna mit 6,9 Sekunden Vorsprung auf Northug in die längste Etappe der Tour von Toblach nach Cortina starten.
Cologna spricht von einer steigenden Formkurve
Als Leader startet der Russe Maxim Wylegschanin, überraschender Zehnter des Sprints. Doch seine 2,1 Sekunden Vorsprung auf Cologna können diesen nicht beeindrucken: «Diese Differenz bringt keinen Vorteil.» Er geht davon aus, dass er und Northug zu Wylegschanin aufschliessen werden.
Die Aufgabe dieses Trios wird es sodann sein, das nachfolgende Duo mit dem Kanadier Alex Harvey und dem Russen Alexander Lekow in Schach zu halten. Die beiden liegen 27,2 und 28 Sekunden hinter dem Leader.
«Das Szenario, wie es sich nun bietet, passt mir», sagt Cologna, «mir ist ein starkes Rennen geglückt, ich habe mir die erwünschten Bonussekunden gesichert, ich bin gesund, und die Formkurve steigt an.»
Gute Voraussetzungen also, dass Cologna bereit sein wird, wenn die eigentliche Krönungszeremonie dieser Tour de Ski abgehalten wird: Am 6. Januar, auf der Schlussetappe mit dem fast schon unglaublich steilen Aufstieg zur Alpe Cermis.