Am Mittwoch (20.30 Uhr, SF2 live) kehrt die Schweizer Nationalmannschaft ins Stade de Suisse zurück. Den Glanz verleiht diesem Testländerspiel allerdings zunächst einmal der Gegner: Argentinien und Weltfussballer Lionel Messi.
Die Hauptstadt ist verzückt, zumindest ein paar Fussballfans, die seit Montag das Hotel Schweizerhof am Bahnhof belagern, um einen Blick von ihm zu erhaschen: von Lionel Messi. Dem grossartigsten Fussballer der Gegenwart.
Zumindest ist er das im Trikot des FC Barcelona und an der Seite der Xavi und Iniesta. Sein jüngstes Meisterwerk schuf er vergangenes Wochenende mit einem fantastischen Freistosstor (siehe Video in der Bildergalerie). Im Land des Weltmeisters von 1978 wartet man jedoch noch auf den nachhaltigen Nachweis, der den kleinen Weltstar endgültig in den Rang von Diego Maradona stellt. Und das wird er nur mit einem Weltmeistertitel schaffen.
Die nächste Gelegenheit dazu kommt 2014, aber für Ottmar Hitzfeld besteht kein Zweifel daran, wohin Lionel Messi im Fussballolymp gehört. «Er ist auf eine Stufe mit Pelé und Maradona und Cruyff zu stellen.» Jahr für Jahr bestätigt Messi seine Leistungen, was ihn in den Augen des Schweizer Nationaltrainers schlicht zum Phänomen macht.
Hitzfelds Premiere gegen Messi
Ein Phänomen, dem der weitgereiste Hitzfeld im Stade de Suisse am Mittwoch zum ersten Mal begegnet. Als er vergangene Woche in Riehen sein Aufgebot benannte, musste Hitzfeld kurz grübeln: «Ich weiss gar nicht, ob er schon mal gegen eine Mannschaft von mir gespielt hat.» Um im nächsten Atemzug festzustellen: «Jedenfalls nicht erfolgreich, sonst wäre es mir in Erinnerung geblieben.»
Natürlich dreht sich auch in der Aufwärmphase des ersten Länderspiels des Jahres alles um das Phänomen Messi. Und natürlich hebt auch Hitzfeld all die Vorzüge des genialischen Fussballers hervor. Und er scheint – «ohne die argentinischen Spieler schlecht zu reden» – erleichtert, dass es gegen die Südamerikaner geht und nicht gegen den FC Barcelona: «Zum Glück hat Messi in der Nationalmannschaft nicht die Passgeber wie Xavi und Iniesta in Barcelona. Sie sind ein wesentlicher Punkt, um das Phänomen Messi zu erklären.»
Die Albiceleste: Raus aus der Top 10
Die Argentinier – bisher fünfmal Gegner der Schweiz bei zwei Remis und drei Niederlagen – befinden sich nicht ihrer besten Phase. Sie haben die WM-Ausscheidung mit einer Niederlage in Venezuela, einem Unentschieden daheim gegen Bolivien sowie zwei Siegen begonnen und sind in der Fifa-Rangliste, die sie 2008 noch angeführt hatten, erstmals seit Jahren aus den Top 10 herausgefallen. Von der Schweiz – auf den zuweilen verschlungenen Wegen dieser Wertung auf Platz 16 vorgerückt – trennen die Südamerikaner nur noch fünf Ränge.
Für Hitzfelds Weg mit der verjüngten Schweizer Nationalmannschaft wird Argentinien ein wichtiger Gradmesser sein. Zwar beginnt erst im September der Ernst der WM-Qualifikation mit den Spielen in Slowenien und daheim gegen Albanien. Dazwischen liegen jedoch nur noch die Tests gegen den EM-Favoriten Deutschland (am 26. Mai in Basel) und Rumänien (30. Mai in Luzern).
Beim letzten Kräftemessen gegen Argentinien im Juni 2007 im St.-Jakob-Park (Tore von Tevez und Streller zum 1:1) schafften es die Schweizer, den mächtigen, aber mässig motivierten Gegner einigermassen in Schach zu halten. Auf argentinischer Seite sind in Bern nur noch Fernando Gago (AS Roma) und Messi dabei, bei der Schweiz Benaglio, Senderos, Inler und Ziegler.
Im Verbund gegen Messi
«Wichtig ist, nicht nur auf Messi zu achten», sagt Hitzfeld, «sehr wichtig ist, die Räume eng zu machen, viel Laufarbeit zu verrichten und im Verbund eine kompakte Einheit herzustellen, um Messi in ein Netz laufen zu lassen.» So soll gelingen, was Hitzfeld eine Tradition nennt: gute Leistungen gegen starke Gegner wie zuletzt in Holland beim 0:0.
«In so einem Spiel hat man nichts zu verlieren«, sagt Hitzfeld, «auch in so einem Spiel kann man versuchen mitzuhalten und zu zeigen, was man drauf hat.»
Die grösste Sorge im eigenen Laden bereitet Hitzfeld ebenso traditionell das Abwehrzentrum. Während Stephan Lichtsteiner rechts seinen Stammplatz hat und Ricardo Rodriguez links derzeit die Nase vor Reto Ziegler, muss der Trainer in der Innenverteidigung jonglieren. Wie immer eigentlich, weil Philippe Senderos und Johan Djourou die Dauersorgenkinder bleiben.
Affolter und das Wunschkonzert
Eigentlich, sagt Hitzfeld, seien sie gesetzt – wenn sie denn fit sind und regelmässig spielen. Aber wann waren sie das zuletzt und erst noch gemeinsam? Man erinnert sich kaum. «Ich bin abhängig von den Spielern. Wir haben das Problem, das wir verletzungsanfällige Spieler haben, und ich hoffe, dass sie konstanter werden, nicht nur in ihrer Leistung, sondern generell, in ihrer körperlichen Robustheit», sagt Hitzfeld.
Diesmal ist Djourou (Zerrung) ausser Gefecht, und Senderos sitzt beim FC Fulham nach einer Verletzung nur auf der Bank. Wäre die Zusammenstellung einer Nationalelf ein «Wunschkonzert» (Hitzfeld), würden die beiden spielen, so aber kann er auch im 16. Länderspiel seit der WM-Endrunde 2010 zum 13. Mal nicht seine Wunschmelodie spielen
Dafür wird – neben Senderos – François Affolter zu seinem fünften Länderspiel kommen. Hitzfeld freut sich, dass der von den Young Boys ausgeliehene Affolter bei Werder Bremen seine Chancen bekommt. «Ich hoffe, dass er sich als Stammspieler durchsetzen kann, denn er ist ein Mann der Zukunft, der alles hat, was es als Abwehrspieler braucht: Er ist kopfballstark, schnell, hat ein gutes Stellungsspiel und einen guten Pass nach vorne – wenn er Selbstvertrauen hat. Er kann das vertikale Spiel nach vorne forcieren und ist ein Spieler, der uns weiterhelfen kann.»
Da fragt sich der Unbeteiligte, was Hitzfeld in Affolter, der im März 21 wird, sieht, aber Christian Gross offenbar als YB-Trainer nicht genug zu schätzen wusste?
Behrami abgereist
Im defensiven Mittelfeld wird neben Captain Gökhan Inler Clubkollege Blerim Dzemaili beginnen, da Valon Behrami gestern aus dem Berner Quartier zur Fiorentina zurückgereist ist. Auch er ist ein Nationalspieler mit ellenlanger Liste an Fehlzeiten (Sperren, Verletzungen), nun macht ihm eine Muskelverletzung in der Kniekehle zu schaffen.
Auf den Flügeln und im Offensivzentrum läuft es auf das junge Basler Dreigestirn Xherdan Shaqiri (rechts), Granit Xhaka (Mitte) und Fabian Frei (links) hinaus. Auf einen Teileinsatz darf Rückkehrer Valentin Stocker hoffen, und daneben ist Goalie Yann Sommer der fünfte FCB-Spieler im Kader.
Als einzige Spitze wird anstelle des gerade aus einer Fussverletzung zurückgekommenen Eren Derdiyok der ebenfalls im März 21 Jahre alt werdende Admir Mehmedi beginnen. Mehmedi hat seinem Wintertransfer vom FCZ zu Dynamo Kiew zwar noch keinen Ernstkampf in den Knochen, weil die Saison in der Ukraine erst am Wochenende fortgesetzt wird. In der Vorbereitung kam Mehmedi aber regelmässig zum Einsatz.
Hitzfeld ruft zum Aufbruch auf
Das Ziel, das Hitzfeld gestern am Vortag des Spiels ausgerufen hat, ist hehr: «2012 soll für den Aufbruch und eine erfolgreiche Zukunft stehen.» Mitreissende Vorstellungen wie etwas das 2:2 in England gehören zu den wenigen identifikationsstiftenden Ereignissen der Ära Hitzfeld. Bern, wohin die Nationalmannschaft nach fünfeinhalb Jahren zurückkehrt, und die Albiceleste werden die Gelegenheit bieten, sich am «internationalen Topniveau zu orientieren», wie es der Nationaltrainer nennt
Nun darf man noch gespannt sein, ob das der über dem Kunstgrün verlegte Naturrasen zulässt. In den ersten beiden Spielen des Jahres wurde der Platz jedenfalls bereits arg strapaziert.
Erneuerter Staff
Ottmar Hitzfeld hat den Stab seiner Mitarbeiter verjüngt. Beim Länderspiel in Bern arbeiten erstmals Patrick Foletti (37) als Goalietrainer und Dominik Baumgartner (36) als Athletiktrainer an seiner Seite. Foletti, der als Profi für GC, Luzern und Derby County spielte und seit Juli vergangenen Jahres vollamtlich für die Ausbildung von Torhütertrainern im SFV zuständig ist, ersetzt den Tessiner Willi Weber (61), den Hitzfeld 2008 zum Amtsantritt ebenso mitgebracht hatte wie Konditionstrainer Zvonko Komes (53). Der Kroate arbeitet nun für Dinamo Zagreb; seinen Job übernimmt der Basler Baumgartner, der beim FC Zürich als Konditionstrainer angestellt ist.
Willi Weber war sehr erstaunt über seine Absetzung. Den Generationswechsel im Trainerstab begründet der 66-jährige Hitzfeld unmissverständlich mit der Kraft der Jüngeren: «Es sind junge Trainer, die ihre Idee einbringen sollen und eine andere Generation sind, die sehr gut mit den jüngeren Spielern kommunizieren können.»
Mögliche Schweizer Aufstellung
Benaglio; Lichtsteiner, Senderos, Affolter, Rodriguez; Inler, Dzemaili; Shaqiri, G. Xhaka, F. Frei; Mehmedi.
Zum kompletten Schweizer Aufgebot geht es hier (noch mit den verletzten Djourou und Behrami).
Für die Partie im 29’500 Zuschauer fassenden Stade de Suisse waren am Montag 28’500 Tickets verkauft.
Das Aufgebot Argentiniens
Tor: Sergio Romero (Sampdoria), Mariano Andújar (Estudiantes de La Plata).
Abwehr: Daniel Díaz (Getafe), Hugo Campagnaro (Napoli), Federico Fernández (Napoli), Pablo Zabaleta (Manchester City), Luciano Monzón (Nizza), Ezequiel Garay (Benfica), Marcos Rojo (Spartak Moskau).
Mittelfeld: Javier Mascherano (Barcelona), Fernando Gago (Roma), Maximiliano Rodríguez (Liverpoool), José Sosa (Metalist), Erik Lamela (Roma), Rodrigo Braña (Estudiantes de La Plata).
Angriff: Rodrigo Palacio (CFC Genua), Sergio Agüero (Manchester City), Gonzalo Higuaín (Real Madrid), Lionel Messi (Barcelona), Eduardo Salvio (Atlético Madrid).
Trainer: Alejandro Sabella (57, seit Juli 2011)