Marcel Koller scheint wenig aus der Ruhe zu bringen. 57 Jahre ist er alt, bald 58, und mit zur Schau gestellter Gelassenheit sowie einer gehörigen Portion trockenem Humor manövriert sich der Zürcher durch seine ersten Wochen beim FC Basel, die beim einstigen Serienmeister zu den schwierigsten der letzten Jahre gehören. Sein Alter hilft Koller in dieser turbulenten Zeit bestimmt, und die damit einhergehende Erfahrung aus rund 20 Jahren Dasein als Trainer, in denen er nach diversen Stationen im deutschsprachigen Raum wieder in der Schweiz gelandet ist.
Koller steht mit seiner Persönlichkeit für die Ruhe, die der FC Basel dringend benötigt. Aber er steht nicht für den Erfolg, den sich die fussballbegeisterte Region so sehnlichst zurückwünscht. Die Hälfte aller Liga-Spiele hat der FCB unter Koller nicht gewonnen, diese Bilanz liegt deutlich unter den Erwartungen eines selbsternannten Titelaspiranten, der vor Wochenfrist gegen einen FC Lugano von überschaubarer Qualität gerade mal einen Punkt holte.
Immerhin hat der FCB in der zehnten Runde gegen den FC St. Gallen erstmals in dieser Saison auswärts gewonnen. Doch Koller sagt nach dem 3:1-Sieg vor 14’503 Zuschauern im Kybunpark: «Das Selbstverständnis fehlt uns noch.»
Ein Unentschieden gegen den FCB reicht der Konkurrenz nicht mehr
Der zweite Trainer seit dem Besitzerwechsel im Sommer 2017 spricht das Selbstverständnis an, jeden Schweizer Gegner in jeder Verfassung bezwingen zu können. Stattdessen hat längst die ganze Super League das Signal empfangen, dass der FCB aktuell für kein Team ein unüberwindbares Hindernis darstellt.
«Wir hätten mit einem 1:1 auch zufrieden sein können. Aber wir haben auf Sieg gespielt», sagt beispielsweise Peter Zeidler. Und zwischen den Worten des St. Galler Trainers schwingt die Nachricht mit: Gegen diesen FC Basel streben die hiesigen Gegner mehr als nur einen Punkt an.
Dass die Basler trotzdem als Sieger vom Platz gingen, hat auch mit der bescheidenen Offensivleistung der Ostschweizer in der zweiten Halbzeit zu tun. Sie liessen nach der Pause ihre zwei Möglichkeiten aus, während die Basler aus vier Chancen zwei weitere Tore erzielten. Das entspricht einer deutlichen Steigerung der Effizienz, die den Baslern im ersten Durchgang einmal mehr in dieser Saison fehlte, trotz des Trainers Worte in der Vorbereitung: «Ich habe die ganze Woche darauf hingewiesen, dass wir effizienter und konstanter werden müssen. Es hat leider nicht gereicht.»
Es harzt im Defensivbereich
Auch wenn die angestrebte Effizienz fehlt, weisen die Basler hinter den 34 Treffern der Young Boys mit 19 Toren die zweitbeste Ausbeute der Liga auf. Also hilft bei der Suche nach den Gründen für den grossen Abstand zur Tabellenspitze eher der Blick in die Defensivreihen: Kein Team ausser Aufsteiger Xamax (21) hat mehr Gegentore erhalten als der FC Basel (20), gegen den bisher jede Mannschaft mindestens einmal getroffen hat.
Auch gegen den FC St. Gallen wirkte die Basler Abwehr zuweilen unsortiert. Sowohl das Duo Blas Riveros/Kevin Bua auf der linken als auch Silvan Widmer/Ricky van Wolfswinkel auf der rechten Seite hatten Mühe bei langen Diagonalbällen der Ostschweizer. Die Innenverteidigung, wegen Verletzungen und Sperren das Herz der Basler Abwehrschwierigkeiten, war nicht über alle Zweifel erhaben. Und zudem strahlt Goalie Martin Hansen noch immer nicht die Sicherheit aus, die dieser Defensive gut tun würde, auch wenn der Däne rund 20 Minuten vor Spielende mit einer starken Parade beim Stand von 1:1 den St. Galler Führungstreffer verhinderte.
Und so nimmt der FCB zwar drei Punkte mit aus St. Gallen – aber angesichts der vielen fussballerischen Baustellen nicht mehr als ein Quäntchen Zufriedenheit.
In den kommenden Wochen übernehmen die Nationalmannschaften den Wettbewerbsbetrieb, in St. Gallen zieht die Olma die Massen an und in Basel hat Marcel Koller zwei Wochen Zeit, in Ruhe mit seinem Kader zu arbeiten. Am 21. Oktober geht es weiter mit dem Heimspiel gegen Neuchâtel Xamax.
Noch elf Punkte Rückstand auf YB
Der FCB hat bis dahin elf Punkte Rückstand auf die Young Boys. Der Abstand ist kleiner geworden, weil die Berner in der zehnten Runde zu Hause gegen den FC Luzern die erste Saisonniederlage erlitten. Aus der Ruhe bringt freilich auch das einen Marcel Koller nicht: «Es ist einfach für die ganze Liga gut, dass mal jemand YB gestoppt hat. Jetzt müssen andere nachziehen.»
Es dürfte ein frommer Wunsch der Konkurrenz bleiben, dass diese Niederlage der Beginn einer anhaltenden Berner Schwäche ist. Und mit den Young Boys befasst man sich in Basel aktuell ohnehin kaum. Auch nicht nach dem Sieg gegen St. Gallen.