Manchmal ist ein Sieg mehr als ein Sieg. Das 4:2 der Young Boys über den FC Basel soll den Bernern den Glauben daran schenken, dass sie doch noch in das Meisterrennen eingreifen können. Offiziell allerdings wird bei YB nur von Rang zwei geredet.
Das Stadion hat sich längst geleert, als Fredy Bickel die Treppenstufen hoch steigt, die vom Plastikrasen auf die Haupttribüne des Stade de Suisse führen. Getragen wird der Sportchef der Berner Young Boys von einem guten Gefühl. Er ahnt: Das 4:2 seiner Mannschaft gegen den FC Basel kann viel mehr wert sein als die drei gewonnenen Punkte. Der starke Auftritt soll den Bernern endlich jenen Glauben an die eigenen Fähigkeiten verleihen, der unabdingbar ist auf dem Weg zu höheren Weihen.
Bickel sagt: «So ein Spiel kann dem Team einen Ruck geben.» Und er spricht aus Erfahrung. Schon einmal hat er miterlebt, was es braucht, um scheinbar uneinholbar entrückte Basler doch noch abzufangen. 2006 war das, als Bickel als Sportchef des FC Zürich am Ende der Saison den Meistertitel feiern durfte.
Natürlich, in Bern geht niemand so weit herumzuposaunen, man wolle nun dem FCB in die Meistersuppe spucken. Niemand, ausser vielleicht die «Berner Zeitung», die am Tag nach dem Spiel schreibt: «Der Sieg lanciert die Jagd auf Basel neu.»
Brav reden alle vom zweiten Platz
Aber das ist nicht die Diktion, der sich YB verschrieben hat. Die Berner halten sich alle an die gleiche Formulierung. «Uns ging es darum, Platz zwei zu verteidigen», sagt Doppeltorschütze Alexander Gerndt in den Katakomben des Stade de Suisse brav. Und benutzt exakt denselben Satz, den sein Trainer Uli Forte kurz darauf oben im Presseraum ins Mikrofon spricht. «Wording» heisst es auf Neudeutsch, wenn Firmen ihren Mitarbeitern mitgeben, mit welchen Worten sie etwas zu benennen haben. Die Young Boys scheinen ihr Sätzchen gelernt zu haben.
Warum auch sollten sie sich eine unnötige Bürde in Form überhöhter Erwartungen aufladen? Fünf Punkte liegt YB noch immer hinter dem FCB; der «Bund» schreibt von einem «robusten Vorsprung». Echte Spannung im Titelrennen sieht jedenfalls anders aus. Und wie sehr der Druck, gewinnen zu müssen, ein Team lähmen kann, wissen sie in Bern nur all zu gut.
So mag auch Bickel nicht gleich in Euphorie verfallen, spricht von «bloss einem Schritt auf dem richtigen Weg». Doch ebenso sehr weiss er um die Macht der Psyche im Fussball. Gerade in einem Club wie dem BSC Young Boys, der nun seit 28 Jahren keinen Titel mehr gewonnen hat und zuletzt als grösste Konstanz vor allem anderen ein labiles Nervengerüst vorzuweisen hatte.
Der Glaubenskampf der Young Boys
«Du kämpfst immer mit dem Glauben an die eigenen Fähigkeiten», erzählt Bickel von seiner Arbeit in Bern. Und beschreibt, wie er und Trainer Forte den Spielern immer wieder einbläuten, zu welchen Taten sie eigentlich fähig wären. Aber Worte sind flüchtig. Viel nachhaltiger ist ein auf dem Feld erspielter Erfolg, wie dieses 4:2 vom Sonntag. «Du brauchst solche Siege, um im Kopf einen Schritt weiter zu kommen», ist sich Bickel sicher.
Sind diese Young Boys also vielleicht doch schon bereit, um dem FC Basel in mehr als bloss einem Spiel ein ebenbürtiger Gegner zu sein? Jetzt, da mit Alexander Gerndt ein Spieler zurück ist, dessen Tore in Bern schmerzlich vermisst wurden? Zusammen mit dem spielintelligenten Turm im Sturm Guillaume Hoarau und dem wirbelwindigen Renato Steffen auf der rechten Seite dürfte er einen Angriff bilden, der jede Verteidigung der Super League vor Probleme stellt.
YB braucht auch einen schwachen FCB
Ein erstes Ausrufezeichen hat YB mit dem Sieg über die Basler gesetzt. Ob es zu mehr reicht, hängt aber nicht alleine davon ab, ob die Berner den Rest der Saison ohne einen ihrer ebenso regelmässigen wie rätselhaften Leistungseinbrüche überstehen. Was die Young Boys ebenso sehr brauchen, ist ein schwächelnder FC Basel. Einer, der so auftritt wie an diesem Sonntag in Bern, als im laut Trainer Paulo Sousa so ziemlich alles gefehlt hat: «Intensität, Tempo, Charakter».
Auch das weiss Fredy Bickel aus seiner Zürcher Zeit.