Ein Sieg gegen den «Grössten», Kumpel Roger

Der Final begann wie so viele Auseinandersetzungen zwischen den beiden Schweizern. Doch dann legte Stanislas Wawrinka zu – und schlug Roger Federer im Finale von Monte Carlo. Es scheint ganz, als kämen wunderbare Zeiten auf unser Tennis zu.

Roger Federer und Stanislas Wawrinka – vor dem Final. (Bild: Keystone)

Der Final begann wie so viele Auseinandersetzungen zwischen den beiden Schweizern. Doch dann legte Stanislas Wawrinka zu – und schlug Roger Federer im Finale von Monte Carlo. Es scheint ganz, als kämen wunderbare Zeiten auf unser Tennis zu.

Was hat die Schweiz in den letzten Monaten nicht alles erlebt in der Welt des Tennis-Wanderzirkus? Es begann damit, dass mit Stanislas Wawrinka und Roger Federer erstmals zwei Schweizer bei einem WM-Halbfinale in London auftauchten, letzten November. Dann gewann ein Schweizer einen der begehrten Grand Slam-Pokale – und sein Name war, ebenso ein Novum, nicht Roger Federer. Sondern Stanislas Wawrinka. So geschehen in Australien, auf dem Centre Court von Melbourne, in der Rod Laver-Arena.

Und jetzt auch noch dies, nach Monaten, in denen sich die alte Schweizer Hackordnung langsam, aber sicher wieder auszuformen begann: Ein eidgenössisches Tennisfest im Fürstentum Monte Carlo, das erste Masters 1000-Endspiel zweier Schweizer überhaupt in der Historie dieses Sports. Und Stanislas Wawrinka war nicht nur der Sieger. Sondern auch der König eines Turniers, das sein Freund und Idol Roger Federer noch nie in seiner Karriere gewonnen hat – und bei dem er nun schon zum vierten Mal im Finale nur zweiter Sieger blieb. «Ich bin überwältigt von diesem Sieg. Von diesem Moment. Das kommt mir alles fast unwirklich vor», sagte Wawrinka nach dem 4:6, 7:6, 6:2-Erfolgserlebnis über Federer, mit dem er in der Jahres-Ranglistenwertung 2014 der Tennisprofis wieder die Führung übernahm. Und mit dem er auch Platz 3 in den ATP-Charts vor Federer verteidigte, der Nummer 4.

Der klassische Anfang

Dabei sah auf dem Centre Court mit dem schönsten Panorama der Welt anfangs alles nach einer Kräfte- und Ergebnisverteilung aus, die Federers und Wawrinkas Verhältnis zueinander in den letzten zehn Jahren prägte. Bis zum 6:4-Zwischenstand für Federer nach gut einer Dreiviertelstunde wirkte der Grandseigneur wie ein kühler Meister der Effizienz, dessen nötigstes Tennis allemal ausreichte, um den befangenen, gehemmten Wawrinka auf Distanz zu halten. «Ich habe lange gebraucht, um irgendwie in den Rhythmus zu kommen», gab Wawrinka hinterher zu Protokoll. Die nicht überragende Partie schien da auf dem besten Weg, in den gewohnten, vertrauten Bahnen zu laufen, schliesslich hatte Federer 13 der vorherigen Vergleiche mehr oder weniger souverän gewonnen.
«Ein vehementer Sieg»

Umso kurioser, dass Wawrinka mit seiner couragierten Aufholjagd dann aber das Kunststück fertigbrachte, auch seinen zweiten Karriereerfolg gegen Federer auf den Sandplatz des Monte Carlo Country Club zu zaubern – fünf Jahre nach dem wenig und schwach beachteten Viertelfinalsieg an dieser traditionsreichen Stätte. «Stan hat das völlig verdient gewonnen. Er hat das Spiel am Ende schon bestimmt», sagte Federer, den auch eine Regenpause im zweiten Satz aus dem Siegmodus herausriss. Während Wawrinka nach der Unterbrechung so richtig auf Touren kam und in immer höhere Gänge schaltete, stagnierte Federers Niveau. Wawrinka pokerte, riskierte viel, machte Druck – und wurde zurecht belohnt für seine Aggressivität und Angriffslust. Plötzlich machte Wawrinka den Eindruck, als habe er einfach vergessen, wer ihm da auf der anderen Seite des Netzes gegenüberstand – jener Mann, den er auch später in der Siegeransprache auf dem Court wieder einmal als «grössten Spieler aller Zeiten» bezeichnete, eben Kumpel Roger Federer.

Alle anderen mit Problemen

Der Dynamik Wawrinkas hatte Federer im Schlussakt wenig entgegenzusetzen. Schnell geriet der Maeatro gegen den jüngeren Landsmann, mit dem zusammen er kürzlich noch ins Davis Cup-Halbfinale eingezogen war, mit 0:4 in Rückstand. Um 17.23 Uhr war dann ein weiterer historischer Tennismoment für die Schweiz an diesem Ostersonntag des Jahres 2014 perfekt, die erste gravierende Niederlage Federers gegen Wawrinka, die zunächst auch die ungewöhnliche interne Hierarchie zementierte – «Stan, the Man», im Welttennis vor dem erfolgreichsten Spieler dieser Epoche, wenn nicht aller Zeiten.

Und wohin kann das noch führen in dieser verrückten Saison? Wawrinka, der seine kleine Formkrise nach dem Melbourne-Coup überwunden hat, gehört nun allemal zu den Mitfavoriten auf die French Open-Krone, bei den härtesten Ringschlachten im Grand Slam-Tennis. Federer hat er in dieser Turnierwoche geschlagen, davor auch den unbequemen spanischen Dauerläufer David Ferrer. Djokovics nähere Tenniszukunft ist nach seiner Handgelenksverletzung unklar, Murray kämpft bei seinem Comeback erst noch um den wirklichen Anschluß an die Weltspitze, seine alte Klasse hat der Schotte noch längst nicht erreicht. Wen würde es da wundern, wenn es in Roland Garros zu einer Neuauflage des Australian Open-Finales kommen würde – zwischen Wawrinka, dem Mann, den sie damals Stanimal nannten. Und Rafael Nadal, dem Matador und ewigen Paris-Champion. Spannende Zeiten stehen der Schweiz im Tennis bevor.

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