Ein Sommer für alle Fälle – der FCB im Viertelfinal der Europa League

Am Ende stand eine 0:1-Niederlage. Aber das war ein gefühlter triumphaler Sieg für den FC Basel gegen Zenit St. Petersburg. Über eine Halbzeit lang zu zehnt verteidigen die Basler das 2:0 aus dem Hinspiel. Goalie Sommer hält einen Penalty und Basel steht im Viertelfinal der Europa League.

Zenit St. Petersburg's Roman Shirokov (R) fails to score a penalty past FC Basel's (FCB) goalkeeper Yann Sommer (front) who makes a save during the Europa League soccer match at the Petrovsky stadium in St. Petersburg, March 14, 2013. REUTERS/Alexander De (Bild: Reuters/Alexander Demianchuk)

Am Ende stand eine 0:1-Niederlage. Aber das war ein gefühlter triumphaler Sieg für den FC Basel gegen Zenit St. Petersburg. Über eine Halbzeit lang zu zehnt verteidigen die Basler das 2:0 aus dem Hinspiel. Goalie Sommer hält einen Penalty und Basel steht im Viertelfinal der Europa League.

Yann Sommer hat Glück, dass er nicht zur Zeit der Spanischen Inquisition lebt. Ihm wäre sonst mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit unterstellt worden, er habe einen Pakt mit dem Teufel geschlossen. Aber wir leben ja in einer aufgeklärten Zeit – glücklicherweise. Und so dürfen wir unschuldig bewundernd rufen: Teufelskerl! Hexer!

Ja, dieser Yann Sommer. Wo wäre der FC Basel ohne ihn? Kaum im Viertelfinal der Europa League. Da kämpfen und krampfen die Basler in ihrem Rückspiel des Achtelfinals. Sie rennen sich die Lunge aus dem Leib, denn sie sind seit der 45. Minute bloss noch zu zehnt, nachdem sich Marcelo Diaz auf eher blöde Art und Weise innerhalb von vier Minuten eine gelb-rote Karte abgeholt hat.

Die eiskalte Luft im Petrowski-Stadion muss in den Bronchien stechen. Zenit rennt an und rennt an. Hulk, immer wieder der 55-Millionen-Euro-Mann, versucht es über links. In der Mitte macht der zehn Millionen Euro günstigere Axel Witsel Druck, dem nach einer halben Stunde das 1:0 für das Heimteam gelungen war.

Und dann passiert es

Die Basler schwanken, die Basler wanken. Noch sind sie dank ihres 2:0-Heimsiegs im Hinspiel eine Runde weiter. Wladimir Bistrow trifft aus vielleicht zehn Metern den rechten Innenpfosten, Hulk schiesst knapp am linken oberen Toreck vorbei. Noch fünf Minuten müssen die Basler überstehen.

Und dann passiert es. Joo Ho Park, dieser beinahe zierliche Südkoreaner, der sich im Duell mit dem neben ihm noch viel riesiger erscheinenden Hulk so bravourös gehalten hat, verliert für einen kurzen Moment den Überblick. Er denkt, er könne einen hohen Ball aus der Drehung heraus aus dem eigenen Strafraum dreschen.

Kann er nicht. Denn da ist Bistrow, der schneller an der Kugel ist. Park haut trotzdem zu, trifft Bistrow mit voller Wucht. Nein, man kann Schiedsrichter Pawel Gil keinen Vorwurf machen, dass er auf den Elfmeterpunkt zeigt.

Dieses Buch würde er nicht einmal mit Handschuhen anfassen

Es legt sich den Ball bereit – nein, nicht Hulk. Obwohl ihm zugetraut werden kann, dass er den Ball bei einem Elfmeter ohne Federlesens einfach mit dem gegnerischen Goalie zusammen durchs Netz hindurch dreschen könnte. Es ist Roman Schirokow, die Nummer 15 des russischen Meisters.

Hat er einen Plan? Vielleicht. Ganz sicher aber hat er einen Mann gegen sich, dem wir jetzt einfach mal unterstellen, dass er von Peter Handke vielleicht ein paar Bücher gelesen hat. Aber «Die Angst des Tormanns beim Elfmeter»? Nein, dieses Buch würde Sommer nicht einmal mit seinen Handschuhen anfassen.

Denn Sommer hat keine Angst bei Elfmetern. Er nicht. Im Gegenteil. Ihm scheinen sie allergrösstes Vergnügen zu bereiten. Schon einmal in dieser Saison stand der FCB mit eineinhalb Beinen vor dem Aus in einem Europacup-Duell. Magne Hoseth vom FK Molde war damals sein Gegenspieler im Rückspiel der dritten Runde in der Qualifikation zur Champions League. Sommer hielt.

Diesmal ohne Zunge

Schirokow trabt an, Sommer macht Faxen. Nicht mit Zunge, wie im Mai 2012, als er im Cupfinal den Ball des Luzerners Florian Stahel hielt. Aber offenbar genug, um Schirokow aus dem Konzept zu bringen. Oder hatte der Russe gar nie eins? Egal.

Schirokow versucht sich mit irgendwas. Halb ist es ein Panenka, halb ist es ein einfach schlecht getretener Elfmeter. Sommer ist schon auf dem Weg in seine linke Ecke, als er den Ball in die Mitte seines Tores fliegen sieht. Sein linkes Bein schnellt in die Höhe. Sommer hält, hält, hält.

Es ist der Moment, in dem das Herz der Russen gebrochen wird. Acht Minuten werden danach noch gespielt. Aber die Schüsse, die Dribblings, die Flanken von Zenit kommen nur mehr mit Verzweiflung statt Überzeugung.

All die natürlichen Dopamine, die den Körper fluten

Und dann ist es soweit. Schiedsrichter Gil pfeift ab. Die blauen St. Petersburger sinken zu Boden. Die weissen Basler mit ihren feschen rotblauen Streifen auf den Trikots können sich wohl nur dank des Adrenalins und all der natürlichen Dopamine, die ihren Körper fluten, auf den Beinen halten.

Sie haben es geschafft, tatsächlich. Mit letzter Kraft und Glück und Yann Sommer. Der FC Basel steht im Viertelfinal der Europa League. Das Abenteuer geht weiter. Und immer dabei: Ein Sommer für alle Fälle.

Europa League, Achtelfinal-Rückspiel
Zenit St. Petersburg–FC Basel 1:0 (1:0)

Petrowski. – SR Pawel Gil (Polen).

Tore: 30. Witsel 1:0 (Hulk tritt die Ecke, Lombaerts verlängert mit dem Kopf auf Witsel, der einköpfelt).
Verwarnungen: 15. Kerschakow (Foul), 41. Diaz (Halten), 56. Degen (Foul/im nächsten Spiel gesperrt), 72. Denisov (Halten), 78. Schirokow (Unsportlichkeit), 78. Fabian Frei (Foul), 78. Witsel (Foul). 85. Park (Foul/im nächsten Spiel gesperrt).
Platzverweis: 45. Diaz (Foul).

Aufstellung FCB: Sommer; P. Degen (90. Steinhöfer), Schär, Dragovic, Park; Cabral,  Elneny; Salah, Diaz, Stocker (18. Fabian Frei); Streller (65. Sauro).
Aufstellung Zenit: Schewnow; Anyukow, Alves (73. Bistrow), Lombaerts, Hubocan; Witsel (90. Bucharow), Denisow, Schirokow; Hulk, Danny (Fajzulin); Kerschakow.
Bemerkungen: FCB ohne D. Degen, Jevtic (beide verletzt), Serey Die (gesperrt) und Bobadilla (nicht spielberechtigt). Zenit ohne Luis Neto (gesperrt) und Wjatscheslaw Malafejew (verletzt). – 86. Sommer hält einen Penalty von Schirokow.

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Auslosung (Viertel- und Halbfinals): 15. März, 12.40 Uhr
Viertelfinals: 4./11. April | Halbfinals: 25. April/2. Mai
Final: 15. Mai in Amsterdam
Europa League
Achtelfinals Hinspiele Rückspiele
FC Basel Zenit St. Petersburg 2:0 0:1
Viktoria Pilsen Fenerbahçe 0:1 1:1
Benfica Lissabon Girondins Bordeaux 1:0 3:2
Anschi Machatschkala Newcastle United 0:0 0:1
VfB Stuttgart Lazio Rom 0:2 1:3
Tottenham Hotspur Inter Mailand 3:0 1:4
Levante UD Rubin Kasan 0:0 0:2
Steaua Bukarest Chelsea FC 1:0 1:3

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