Waghalsigen Sport an der Grenze der Vernunft und einen Rummel drumherum an der Grenze des Vertretbaren – das bieten alljährlich die Hahnenkammrennen in Kitzbühel. Und an der Spektakelschraube wird immer weiter gedreht.
Der Moment wird kommen. Er ist noch in jedem Winter gekommen, jedes Mal, wenn Hannes Reichelt im Starthaus der Hahnenkammabfahrt steht und auf die Streif hinunter schaut. Mit Ehrfurcht, mit Entsetzen, mit dem Drang, sich umzudrehen, und mit der Gondel wieder ins Tal zu fahren. Hannes Reichelt sieht den Starthang, in dem die Läufer in vier Sekunden von 0 auf 100 beschleunigen, er hat freie Sicht auf die berüchtigte Mausefalle, mit 85 Prozent Gefälle die steilste Stelle der Abfahrt von Kitzbühel. Er sieht den Gefahren ins Auge, die hier an jeder Ecke lauern.
Freitag
11.30 Uhr: Super-G
16.45 Uhr: Kombinations-Slalom
Samstag
11.45 Uhr: Abfahrt
Sonntag
10.15 Uhr: Slalom, 1. Durchgang
13.30 Uhr: Slalom, 2.Durchgang
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Es ist der Moment, in dem sich Hannes Reichelt immer wieder die Sinnfrage stellt. «Du stehst am Start und denkst dir: Wie können Leute da nur freiwillig runterfahren?», erzählt der Sieger aus dem Vorjahr.
Da runter, das ist die Streif, die wohl berühmteste Abfahrt der Welt. Es gibt Rennläufer, die behaupten die eisige Stelvio-Piste von Bormio (Italien) sei noch anspruchsvoller, weil sie einem von Start bis Ziel keine Sekunde zum Verschnaufen gebe. Und es gibt Athleten, die Wengen für das absolute Nonplusultra halten, weil die Läufer auf der Lauberhornabfahrt gleich zweieinhalb Minuten durchhalten müssen. Aber die Streif schlägt alles. Vielleicht auch deshalb, weil kein Skirennen auf der Welt so inszeniert wird, wie das Abfahrtsspektakel in Kitzbühel, das an diesem Wochenende sein 75. Jubiläum feiert.
Nirgends ist der Weltcup so schrill und penetrant
Das hängt auch mit den Nebengeräuschen zusammen, die hier so schrill, laut und so penetrant sind wie nirgendwo sonst im Ski-Weltcup. Nirgends ist die Promidichte so gross wie in Kitzbühel. Nirgends steht das Après Ski so im Mittelpunkt wie in dem Nobelskiort in Tirol. Nirgends ist für die Läufer der Slalom zwischen Empfängen, Presseterminen und Partys so anstrengend wie am Fusse des Hahnenkamms.
Dass Kitzbühel sich zum Monte Carlo des Skiweltcups entwickelt hat, ist auch einem ehemaligen Streif-Sieger zu verdanken. Harti Weirather, Hahnenkammgewinner von 1982 aus Österreich, hat Kitzbühel erst zu dem Hotspot des Weltcups gemacht. Der PR-Profi, der mit seiner weltweiten Agentur WWP Kunden wie den FC Barcelona, Real Madrid oder die Formel 1 betreut, vermarktet seit zwei Jahrzehnten die Rennen auf der Streif. Wie sehr die Hahnenkammrennen in dieser Zeit gewachsen sind, lässt sich am deutlichsten am mondänen VIP-Zelt im Zielraum ablesen.
Als Konsequenz auf die beiden Unfälle war der Zielsprung in den folgenden Jahren entschärft und abgetragen worden. Doch bei der Jubiläumsauflage der Hahnenkammrennen erlebt das Schlusshindernis heuer wieder ein Comeback. «Das gehört zu Kitz dazu und ist auch nichts Gefährliches», meint Rennleiter Peter Obernauer. Zumal den schweren Stürzen in der Vergangenheit immer Fahrfehler vorausgegangen wären.
«Daniel Albrecht ist mit Rücklage zum Sprung gekommen, das darf man nicht. Auch ein Skispringer kommt nicht mit Rücklage zum Schanzentisch», sagt er lapidar. Durch den Einbau des Zielsprungs sei die Streif nun sogar «sicherer» geworden. Denn: «Die Läufer werden nicht von oben bis unten mit den Stöcken unter den Armen fahren, sondern mehr balancieren und ausgleichen müssen.»
Die Heldenverehrung im Kino
Das klingt nach einem Gladiatorenkampf der Moderne. Und so sehen sie sich in Kitzbühel durchaus auch am liebsten. Der Film «Streif – One Hell of a Ride», der anlässlich des 75. Geburtstags der Hahnenkammrennen im Dezember in die Kinos kam, glorifiziert mit viel Pathos den Mythos Streif samt seiner Gefahren.
Einer der Hauptdarsteller dieser Dokumentation ist auch Didier Cuche, mit fünf Triumphen der Rekordsieger der Kitzbühel-Abfahrt und eine Streif-Legende. «In Kitzbühel stehst du mit dem Rücken zur Wand», erklärt er im Interview, «du hast keine andere Wahl, als voll anzugreifen und der Streif den Herren zu zeigen. Ich gratuliere allen, die hier heruntergefahren sind. Ich glaube, wir spinnen.»
«Komplett gestörte Typen»
Die Helden von heute können selbst nicht immer nachvollziehen, wie sie die Streif bezwingen. Sie wären alle miteinander «komplett gestörte Typen», behauptet etwa Hannes Reichelt. Auf wen könnte das besser zutreffen, als auf den Routinier aus Salzburg. Reichelt hatte im Vorjahr das Abfahrtsrennen gewonnen, obwohl er einen akuten Bandscheibenvorfall hatte und ihm einige von einem Start abrieten. Er selbst wollte wegen der heftigen Schmerzen noch im Starthaus einen Rückzieher machen.
«Verrückt, während der Fahrt hatte ich dann null Schmerzen», erinnert sich Reichelt. Die Abfahrtshocke war offenbar die schonenste Position für seine beleidigten Bandscheiben, dazu das Adrenalin – das ist der Stoff, aus dem die Hahnenkamm-Legenden sind.
Im Ziel konnte sich Reichelt kaum mehr auf den Beinen halten und musste 48 Stunden nach dem Sieg an der Bandscheibe operiert werden. Heute weiss er, wie knapp bei ihm damals Niederlage und Sieg zusammen gelegen waren. «Ich hätte gelähmt sein können.»
Das Geld und die Gondel
Für einen Triumph auf der Streif riskieren manche Rennläufer dann aber offensichtlich doch Kopf und Kragen. Das Rekordpreisgeld (70’000 Franken für den Sieg) ist da freilich nur nebensächlich, die eigene Gondel, die jeder Hahnenkammsieger erhält, ist das wahre Objekt der Begierde. Wie sagte doch gleich der Norweger Aksel Lund Svindal. «Dein Name auf einer Gondel in Kitzbühel, das ist wie ein Stern auf dem Walk of Fame. Nur besser.»
Die Hahnenkammrennen von 2014 | ||||
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Sieger | 2. | 3. | Weitere | |
Super-G | Didier Défago | Bode Miller | Max Franz und Aksel Lund Svindal |
8. Carlo Janka |
Abfahrt | Hannes Reichelt | Aksel Lund Svindal | Bode Miller | 6. Carlo Janka 10. Didier Défago |
Slalom | Felix Neureuther | Henrik Kristoffersen | Patrick Thaler | 5. Luca Aerni 7. Daniel Yule |
Kombination | Alexis Pinturault | 2. Ted Ligety | 3. Marcel Hirscher |
5. Mauro Caviezel |
Der Stand im Abfahrts-Weltcup
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