Bis Sommer 2017 hat der FC Basel seinen neuen Stürmer Raul Bobadilla an sich gebunden. Der 25-jährige Argentinier hatte sein Temperament in der Vergangenheit nicht immer im Griff. Die Basler aber freuen sich auf die Energie, die Bobadilla aufs Feld bringen soll.
Ein Glitzern und Funkeln. Ein Bling-Bling, ein Schillern und Glänzen, das fast blendet. Das ist der erste Eindruck, der dem Zuschauer ins Auge springt, als Raul Bobadilla den sonst so nüchternen Presseraum im St.-Jakob-Park betritt. Die Zähne gebleckt, der ganze Körper auf dem Sprung, die muskulösen Pranken zum Angriff bereit. Nein, nicht Bobadilla – ein in silbernen Pailletten auf seinem T-Shirt prangender Tiger ist es, der in diesem Moment Aggressivität ausstrahlt.
Bobadilla selbst, mit seinem Körper, für dessen Beschreibung das Wort bullig erfunden werden müsste, hätte es nicht schon jemand getan, dieser 25-jährige Argentinier, er wirkt in diesem Moment eher wie ein Schmusekätzchen denn als wilde Raubkatze.
Ruhig, zurückhaltend, dankbar. Dankbar, dass der «Señor Presidente», Bernhard Heusler, der rechts von ihm sitzt, um ihn gekämpft hat, dass der ganze Club um ihn gekämpft hat. Weil er das spüren konnte, sagt er: «Vom ersten Tag an, an dem wir uns getroffen haben, war mir klar, dass ich zum FC Basel will.»
Yakin war da, als Bobadilla ganz alleine war
Dankbar ist er auch, dass er Murat Yakin wieder trifft, der für ihn «ganz, ganz, ganz wichtig» war in seinen ersten Jahren in Europa. Am Anfang seiner Auslandkarriere im Sommer 2006, als er noch ein unbekanntes 19-jähriges Talent beim FC Concordia war, auf das keiner gewartet hatte und Yakin ein Assistenztrainer mit grossen Zielen. Damals, als er niemanden hatte, der sich um ihn kümmern konnte oder wollte, war Yakin da, um sich seiner anzunehmen.
Beide zogen sie danach zu den Grasshoppers weiter. Und auch als Bobadilla einen richtig fetten Transfer in die Bundesliga machte, als er im Sommer 2009 für gegen fünf Millionen Franken zu Borussia Mönchengladbach wechselte, liess ihn Yakin nicht aus den Augen. «Ich durfte ihn trainieren, als er vor sechs Jahren erstmals nach Basel gekommen ist», sagt der Trainer des FCB, «und ich habe seine Entwicklung danach weiter verfolgt.»
Der zweite Raul Bobadilla
Yakin weiss darum so gut wie alle anderen beim FCB, dass es noch einen anderen Raul Bobadilla gibt. Irgendwo drinnen in diesen offiziell 82 Kilogramm, die sich auf 1,80 Meter verteilen, da schlummert er. Es gibt Bilder, auf denen sieht Bobadilla dem Tiger auf seinem Shirt sehr ähnlich. Etwas weniger glitzernd ist er da, dafür um einiges lauter.
Es sind Bilder, auf denen zwei bis drei Berner Betreuer im Mai 2012 den damaligen YB-Stürmer mit Gewalt in die Kabine drängen. Wütend ist Bobadilla da, unkontrolliert. Er beleidigt den Schiedsrichter so sehr, dass er danach für sechs Spiele gesperrt wird.
Es ist nicht das erste Mal, dass Bobadilla den Unparteiischen angeht. Er tat es schon 2010 im Dress von Gladbach im Anschluss an eine Tätlichkeit: fünf Spielsperren. Und es ist nicht das letzte Mal: Im November 2012 ist es, als Bobadilla nach einem Schlag gegen Gegenspieler Guillaume Katz wieder den Schiedsrichter beleidigt: sieben Spielsperren, von denen er vier noch beim FCB abzusitzen hat.
Das Adrenalin in die richtigen Bahnen leiten
Einem Kind auf dem Pausenhof würde bei so einer Vita schnell das Prädikat «schwer erziehbar» umgehängt. Beim FCB aber sind sie sich sicher, dass ihnen gelingt, was weder in Gladbach noch in Bern gelungen ist: Dass sie mit Bobadilla so zu umzugehen wissen, dass der sein Adrenalin ganz in die Jagd nach Toren legt und nicht wie eine fehlgeleitete Rakete Schaden in den eigenen Reihen anrichtet.
Yakin jedenfalls wirkt nicht ansatzweise beunruhigt, im Gegenteil. «Ich bin glücklich, wenn ich solch temperamentvolle Jungs haben darf», sagt er, «ich kenne Raul. Er braucht viel Vertrauen, viele Gespräche und auch Respekt.»
Präsident Heusler lässt zwar keinen Zweifel daran aufkommen, dass er keine weiteren Entgleisungen gegen Schiedsrichter tolerieren wird: «Das geht ganz einfach nicht.»
«Dieser Mann lebt Fussball»
Lieber aber spricht Heusler von anderen Bildern, die er von Bobadilla im Kopf hat. Wie dieser nach einem harten Zweikampf mit seinem neuen Teamkollegen Aleksandar Dragovic absolut fair geblieben sei: «Wir haben solche Szenen ganz genau analysiert.»
Und vor allem, wie ihm Bobadilla ein erstes Mal aufgefallen ist, noch im Concordia-Dress damals. Verletzt an der Seitenlinie sei der Argentinier gelegen, als im Cup-Spiel gegen Lausanne noch einmal ein Basler Angriff rollte. Aufgesprungen sei Bobadilla, um noch einmal eine Flanke zu schlagen: «Da habe ich gesehen: Dieser Mann lebt den Fussball. Und solche Spieler, Spieler, die brennen, braucht der FCB.»
Spätestens da ist klar: Der FCB will den Tiger, den er sich geschätzte 3,5 Millionen Franken Ablösesumme kosten lässt und den er gleich bis Sommer 2017 an sich gebunden hat, gar nicht zähmen. Er will genau die Leidenschaft, die rohe Kraft, die von Bobadilla auf dem Feld ausgehen kann. Und er hofft, dass er diese wilde Energie in die richtigen Bahnen lenken kann.
Der Konkurrenzkampf kann beginnen
Wenn das gelingt, dann ist den Baslern ein hervorragender Transfer gelungen. Denn wer ein Tor schiesst, wie es Raul Bobadilla im Herbst gegen den FC Liverpool getan hat, wer den Ball nach einer Drehung um die eigene Achse mit dem rechten Oberschenkel annehmen und dann mit dem linken Vollspann ins Netz dreschen kann, der hat fussballerische Qualitäten, von denen andere nicht einmal träumen (siehe Video oben).
Bleibt die Frage nach dem Konkurrenzkampf im Team. Marco Streller, Alex Frei, Raul Bobadilla – im System von Yakin kann es ganz vorne nur einen geben. Bloss wen? Noch geben sich alle ganz gelassen bei dieser Frage. «Wenn Streller fit ist, spielt er», sagt Yakin, «und wenn Bobadilla nicht mehr gesperrt ist, spielt er auch.»
Raul Bobadilla sitzt daneben und sagt mit ernstem Blick: «Es ist toll, so starke Konkurrenten zu haben wie Alex Frei und Marco Streller. Konkurrenz ist positiv.» Der Tiger, er ruht in sich in diesem Moment.
Raul Bobadilla | |||
Saison | Club | Spiele | Tore |
2012/2013 | BSC Young Boys | 11 | 5 |
2011/2012 | BSC Young Boys | 13 | 7 |
2011/2012 | VfL Borussia Mönchengladbach | 15 | 1 |
2010/2011 | Aris Saloniki (Grie) | 7 | 2 |
2010/2011 | VfL Borussia Mönchengladbach | 14 | 3 |
2009/2010 | VfL Borussia Mönchengladbach | 30 | 4 |
2008/2009 | Grasshoppers | 14 | 8 |
2007/2008 | Grasshoppers | 33 | 18 |
2006/2007 | FC Concordia (Challenge League)0 | 28 | 18 |
Jugend-Clubs: River Plate, Belgrano, Boca Juniors, Tigre (alle Arg) |