Eine 630 Minuten lange Momentaufnahme

Die Super League hat einen neuen Tabellenführer und einen Torhüter, der einen Rekord aufgestellt hat: Roman Bürki machte sich mit einem gehaltenen Elfmeter zum Helden des Abends und die Grasshoppers zum 1:0-Sieger über den FC St. Gallen.

Matchwinner: Roman Buerki pariert den Penalty von St. Gallens Pa Modou, während Vero Salatic noch reklamiert. (R) during their Swiss Super League soccer match in Zurich October 1, 2012. REUTERS/Michael Buholzer (SWITZERLAND - Tags: SPORT SOCCER) (Bild: Reuters/MICHAEL BUHOLZER)

Die Super League hat einen neuen Tabellenführer und einen Torhüter, der einen Rekord aufgestellt hat: Roman Bürki machte sich mit einem gehaltenen Elfmeter zum Helden des Abends und die Grasshoppers zum 1:0-Sieger über den FC St. Gallen.

630 Minuten lang ist Roman Bürki nicht mehr bezwungen worden in der Super League und so verwundert es nicht, dass seine Mannschaft im Schweizer Fussball derzeit eine Sonderstellung einnimmt. Nach exakt sechs Jahren zieren die Grasshoppers wieder die Tabellenspitze. Für sie war das 1:0 im Nachtragspiel am Montagabend vor der Saison-Rekordkulisse von 14‘400 Zuschauern der siebte Sieg in Folge; für Aufsteiger St. Gallen in der elften Runde die erste Niederlage.

Es war ein Spitzenkampf zweier Mannschaften, die zu Saisonbeginn niemand auf der Rechnung gehabt hatte. Es war das Aufeinandertreffen zweier Teams, die Fussball redlich arbeiten, ohne dabei grossen Glanz zu verbreiten. GC operiert gerne mit dem langen, hohen Ball; St. Gallen versucht schnell umzuschalten In einem hoch intensiven, aber chancenarmen Spiel reichte dem zweitplatzierten GC eine Standardsituation und das dritte Saisontor von Nassim Ben Khalifa in der ersten Halbzeit, um die Ostschweizer vom Tabellenthron zu stürzen. Im zweiten Abschnitt schossen die Zürcher nur noch einmal aufs Tor – in der 90. Minute.

Bürki hält den Sieg fest

Vier Schiedsrichter treten ab, ein Neuer pfeift im Letzigrund

Als die Ansetzungen vor vier Wochen gemacht wurden, war noch nicht abzusehen, welchen Stellenwert GC-St. Gallen haben würde. So also kam der Waadtländer Sébastien Pache im Letzigrund zu seiner Premiere in der Super League. Der 37-Jährige aus Prilly machte sein Sache gut, auch wenn es  zwei Situationen im GC-Strafraum gab, die man anders hätte taxieren können oder ein Foul von Grichting (siehe unten), dass er so nicht taxieren wollte. Und es gab jenen heiklen Elfmeter, bei dem Bürki mit seiner Parade dem Referee einiges abnahm.

Pache wird nicht der letzte Nachrücker sein. Am Wochenende wurde bekannt, dass von den etablierten Super-League-Schiedsrichtern zum Jahresende gleich vier abtreten: Daniel Wermelinger (41), Damien Carell (30), Cyril Zimmermann (36) und Ludovic Gremaud (32). Im «Sonntag» geisselt Zimmermann die Rahmenbedingungen für Schiedrichter im Schweizer Fussball als «amateurhaft», Carell fühlt sich com Verband «im Stich gelassen», und Wermelinger klagt: «Wir Schiedsrichter kommen uns bisweilen vor wie ein Baum, an den jeder hinpinkeln darf». (cok)

In der 73. Minute war es soweit, hatte Roman Bürki eine Marke von David Zibung aus der Saison 2007/08 gebrochen, als der Luzern-Goalie mehr als 600 Minuten ohne Gegentor geblieben war. Nur eine Zeigerumdrehung später stand für den neuen Rekordmann Bürki schon die Bewährung an: Schiedsrichter Sébastien Pache wertete eine Intervention von Milan Vilotic gegen Oscar Scarione als penaltyreif.

Bürki parierte, doch die Ausführung des Elfmeters sorgte für Diskussionen. Scarione, der am 4. August beim 1:1 zwischen den beiden Kontrahenten in St. Gallen einen Elfmeter gegen die Querlatte geschossen hatte, legte sich den Ball zwar auf dem Kreidepunkt zurecht, es lief aber unvermittelt Franck Etoundi an.

Regelquiz am Elfmeterpunkt

Nach den Regeln muss für Schiedsrichter und Torhüter klar erkennbar sein, wer schiesst. Das war es in diesem Fall nicht – zumindest nicht mit dem Blick von ausserhalb, es war aber auch nicht mehr relevant, als Bürki den Ball unter sich begraben hatte.

Der Unparteiische liess quasi Vorteil laufen. Hätte Etoundi in das Tor vor der mit gut 2500 Fans besetzten Gästekurve getroffen, wäre eine Annullierung des Treffers fällig gewesen, die Partie mit einem Freistoss für GC vom Elfmeterpunkt fortgesetzt worden und die Aufregung riesengross gewesen. Veroljub Salatic jedenfalls hatte den Braten gleich gerochen: Der GC-Captain reklamierte mit erhobenen Arm bei Etoundis Schuss (siehe Fotogalerie).

Saibene beklagt unnötige Niederlage

Es war unter dem Strich die einzige echte, klare Ausgleichschance der Sankt Galler, die in der zweiten Halbzeit zwar das Spieldiktat übernahmen, das GC-Tor aber nicht wirklich in Bedrängnis bringen konnten. «Die Chancen haben gefehlt», räumte Keeper Daniel Lopar ein. Das sah sein Captain Philippe Montandon genauso, trat aber dennoch «mit einem guten Gefühl» die Heimreise an: «Wir haben gezeigt, dass wir Qualität in der Mannschaft haben. Auch wenn es nicht viele Chancen gab: Vom hohen Tempo, vom Kampf und Leidenschaft her war es ein würdiges Spitzenspiel.»

Sein Trainer beklagte eine «bittere und unnötige Niederlage», die erste für St. Gallen seit der Rückkehr ins Oberhaus. «Wir waren viel präsenter als beim 2:0-Sieg vergangenen Mittwoch hier gegen den FC Zürich», sagte Jeff Saibene. Von einer Abmachung, dass Etoundi einen allfälligen Elfmeter treten würde, wusste der Trainer nichts: «Ich dachte auch, dass Scarione schiesst.» Es sei, so Saibene, «eine ganz spezielle Variante», die die beiden Spieler gewählt hätten – «aber sie ist nicht aufgegangen». Uns sie wäre auch nicht regelkonform gewesen.

Die GC-Formel

Die Formel, mit der die Grasshoppers ihren unverhofften Aufschwung in Worte kleiden, heisst: Momentaufnahme. Der Goalie spricht von ihr, seine Kollegen und natürlich Uli Forte. «Machen wir kein grosses G‘schiss daraus. Ob die Mannschaften, die jetzt oben sind, am Ende auch dort stehen, werden wir sehen. Es ist eine weitere Momentaufnahme.» Der Trainer der Grasshoppers hätte zwar nichts dagegen, sich oben festzusetzen, aber angesichts von elf gespielten Runden von insgesamt 36 sagt auch: «Davon können wir uns nichts kaufen.»

Dass dem Siegtreffer – ein zu flach vors Tor getretener Corner, den Ben Khalifa mit seiner Klasse volley veredelte – etwas Zufälliges anhaftete, erklärte Forte unumwunden: «Das ist so nicht einstudiert. Aber am Schluss können wir das als Variante stehen lassen.» Der Ex-Trainer der Sankt Galler merkte aber auch an, dass seine Mannschaft in der zweiten Halbzeit Mühe hatte. «Wir haben uns zu wenig aus der Umklammerung gelöst.» Und die Kontermöglichkeiten wurden lausig gespielt.

Der eigene Charme einer Serie

Immerhin kann eine Serie, wie sie die Grasshoppers gerade erleben, eine eigene Dynamik freisetzen. Dann gewinnt eine Mannschaft Spiele ohne hinterher zu wissen, warum sie gewonnen hat, dann fällt der Ball auf wundersamen Wegen in des Gegners Tor und bleibt das eigene wie von Geisterhand vernagelt. Und wenn der Torwart dann auch noch Elfmeter hält – dann ist einiges möglich.

Die Säulen des GC-Spiels sind neben Torhüter Bürki der fast fehlerfreie Salatic im zentralen Mittelfeld sowie Routinier Stéphane Grichting. Der aus Frankreich in die Super League zurückgekehrte Ex-Nationalspieler hatte Glück, dass der Schiedsrichter ein Laufduell mit Armeinsatz gegen Dzengis Cavusevic in der 22. Minute nicht einmal als Foul taxierte – es hätte Gelb geben können für den Innenverteidiger und bei strengster Regelauslegung auch Rot.

Zur zweiten Halbzeit kehrte Grichting nicht mehr auf den Platz zurück: Bei ihm besteht der Verdacht auf einen Bänderriss im Sprunggelenk. Am Samstag in Thun könnte also die erfolgreiche GC-Formation, die nun sieben Siege ohne Gegentor aneinander gereiht hat, gesprengt werden – und das junge Team einer Nagelprobe unterzogen werden.

Daa Video zum Spiel auf sf.tv

Super League, 11. Runde
Grasshoppers–FC St. Gallen 1:0 (1:0)
Letzigrund. – 14’400 Zuschauer. – SR Pache.
Tor: 38. Ben Khalifa 1:0 (lenkt einen flach getretenen Ekball von Hajrovic am ersten Pfosten direkt ins Tor).
Grasshoppers: Bürki; Michael Lang, Vilotic, Grichting (46. Toko), Pavlovic; Salatic; Hajrovic (71. Feltscher), Abrashi, Taulant Xhaka, Zuber; Ben Khalifa (82. Gashi).
St. Gallen: Lopar; Mutsch, Montandon, Stocklasa, Pa Modou; Mathys (82. Nushi), Nater (72. Abegglen), Janjatovic, Regazzoni; Scarione; Cavusevic (66. Etoundi).
Bemerkungen: Grasshoppers ohne Adili, Coulibaly und Hossmann, St. Gallen ohne Ivic und Lehmann (alle verletzt). – Verwarnungen: 19. Regazzoni. 33. Pavlovic (beide wegen Fouls). 63. Mutsch (Unsportlichkeit). 75. Etoundi (Unsportlichkeit). – 74. Bürki hält Foulpenalty von Pa Modou. – Nach Ausscheiden von Grichting (Verdacht auf Bänderriss im Sprunggelenk) Lang in der Innenverteidigung, Xhaka Rechtsverteidiger und Toko im zentralen Mittelfeld.

 

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