Eine Basler Nacht für die Unsterblichkeit

Basel hat eine grosse, laute und weitgehend friedliche Fussball-Sause erlebt, die in die Fussballgeschichte eingehen wird. Mit dem Sieger Sevilla Futbol Club, dem es als erstem Verein überhaupt gelingt, die Uefa-Trophäe dreimal hintereinander zu gewinnen. Nach Turin und dem Sieg im Elfmeterschiessen gegen Benfica Lissabon im Jahr 2014 sowie Warschau ein Jahr später und dem […]

Football Soccer - Liverpool v Sevilla - UEFA Europa League Final - St. Jakob-Park, Basel, Switzerland - 18/5/16 Sevilla's Jose Antonio Reyes lifts the trophy as they celebrate after the game Reuters / Marcelo del Pozo Livepic EDITORIAL USE ONLY.

(Bild: Reuters/Marcelo del Pozo)

Basel hat eine grosse, laute und weitgehend friedliche Fussball-Sause erlebt, die in die Fussballgeschichte eingehen wird. Mit dem Sieger Sevilla Futbol Club, dem es als erstem Verein überhaupt gelingt, die Uefa-Trophäe dreimal hintereinander zu gewinnen.

Nach Turin und dem Sieg im Elfmeterschiessen gegen Benfica Lissabon im Jahr 2014 sowie Warschau ein Jahr später und dem 3:2 gegen Dnipro Dnipropetrowsk war Basel zum Sehnsuchtsort für die Sevillanos geworden. Und sie mussten in dem mit 35’000 Zuschauern pickepackevollen St.-Jakob-Park einem Gegner widerstehen, der in dieser Kampagne Manchester United aus dem Weg geräumt und grosse Comebacks gefeiert hatte gegen Villarreal und vor allem gegen Borussia Dortmund.

Liverpool: erst kraftvoll, dann ratlos

Gespeist aus diesem neuen, unter Jürgen Klopp gewonnenen und zelebrierten Grundvertrauen – so trat Liverpool zum Showdown der Saison an, der über Himmel und Hölle entscheiden sollte. Am Ende des Basler Abends standen Klopp und seine Mannschaft mit leeren Händen da. In der Premier League haben die Reds die Qualifikation für den nächsten Europacup verpasst, und Klopp muss mit dem Makel leben, nun schon das fünfte Endspiel in Serie verloren zu haben.

Liverpool's head coach Juergen Klopp touches his head after the soccer Europa League final between England's Liverpool FC and Spain's Sevilla Futbol Club at the St. Jakob-Park stadium in Basel, Switzerland, on Wednesday, May 18, 2016. (Ennio Leanza/Keystone via AP)

Geschlagen in Basel: Jürgen Klopp verliert mit Liverpool; für den Trainer war es die fünfte Finalniederlage hintereinander. (Bild: Keystone/ENNIO LEANZA)

Dabei sah es an diesem Endspieltag, der zwei Stunden vor Spielbeginn feuchte Züge annahm und im Dauerregen endete, eine Halbzeit lang blendend aus für die Engländer. Mit ihrem aufwendigen Pressing und ihrem überfallartigen Umschaltspiel stürzten sie den Titelverteidiger von einer Verlegenheit in die andere. Phasenweise herrschte helle Panik in Sevillas Hintermannschaft.

Das Führungstor durch Daniel Sturridge nach 35 Minuten war verdienter Lohn für dieses Investment. Über die in der ersten Hälfte herausragenden Firmino und Coutino landete der Ball beim englischen Nationalspieler, der mit einem endspielwürdigen Aussenristschuss traf.

Sevilla setzt die Regeln ausser Kraft und leistet die «Extra-Meile»

In Führung zu gehen, das reicht statistisch gesehen in vier von fünf Endspielen, um den Pokal zu erobern. Sevilla hat diese Regel schon im Vorjahr gegen Dnipro ausser Kraft gesetzt. Und der Titelhalter hatte auch in Basel zuzulegen, in einem Final, der alle sportlichen Erwartungen einlöste – mit zwei Halbzeiten von sehr unterschiedlichem Charakter.

Von entscheidender Bedeutung war der Ausgleich, nur 17 Sekunden nach Wiederanpfiff durch den schwedischen Referee Jonas Eriksson. Kevin Gameiro, für den es in Frankreichs Nationalmannschaft keinen Platz hat, verwertete in echter Goalgettermanier die Hereingabe von Aussenverteidiger Mariano. Es war Gameiros 29. Saisontor.

Auf dem Gleichstand ruhten sich die Spanier nicht aus. So frappierend Liverpools Dominanz im ersten Durchgang war, so selbstsicher spielte Sevilla nach Seitenwechsel. Und das vor einer elektrisierenden Kulisse im St.-Jakob-Park, der den ersten Europacupfinal in der Schweiz seit 27 Jahren erlebte.

Die «Extra-Meile», die Sevillas Trainer Unai Emery am Vortag als einen Schlüssel für dieses Endspiel genannt hatte, die «Extra-Anstrengung», die hatte diesmal Liverpools Gegner zu bieten. St. Jakob war nicht die Anfield Road.

Sevilla's head coach Unai Emery, left, celebrates with the club's president Jose Castro after the final whistle of the soccer Europa League final between England's Liverpool FC and Spain's Sevilla Futbol Club at the St. Jakob-Park stadium in Basel, Switzerland, on Wednesday, May 18, 2016. (Laurent Gillieron/Keystone via AP)

Der Trainer und sein Präsident: Unai Emery (links) und José Castro feiern auf dem Rasen des St.-Jakob-Park. (Bild: Keystone/LAURENT GILLIERON)

Dem Liverpooler Plus an Ballbesitz (54 Prozent) und der grösseren Passgenauigkeit (83 Prozent zu 77 Prozent) stand unter dem Strich die eindeutig höhere Anzahl von Szenen entgegen, die Sevilla im letzten Drittel kreieren konnte. Und die Extra-Meile lief Sevilla auch: Fast 110 Kilometer spulten die Spanier ab, Liverpool kam auf 106,5.

Irgendwo auf dem Rasen des Joggeli war der Power verpufft, den Liverpool in der ersten Halbzeit abrufen konnte. Keine einzige wirklich gefährliche Situation konnte Klopps ratloses Team mehr schaffen, verflogen war der Zauber der ersten 45 Minuten. Und Sevilla schlug im Stile eines Champions zu, für den die Europa League längst zur Obsession geworden ist.

Sevilla players celebrate after the soccer Europa League final between England's Liverpool FC and Spain's Sevilla Futbol Club at the St. Jakob-Park stadium in Basel, Switzerland, on Wednesday, May 18, 2016. (Ennio Leanza/Keystone via AP)

Von den Fans getragen: Sevillas Spieler feiern vor ihren Fans nach dem Finalsieg im Basler St.-Jakob-Park. (Bild: Keystone/ENNIO LEANZA)

Zum Mann des Abends avancierte Coke, der 29-jährige Captain der Andalusier, der in seiner Karriere als Verteidiger zwei Europacup-Tore auf seinem Konto hatte. In Basel fügte er zwei weitere, spielentscheidende hinzu. Dass an der Kombination zum 2:1 mit Vitolo und Gameiro zwei Spieler beteiligt waren, die auch schon in den beiden vorangegangenen Finals mit dem Torschützen auf dem Platz standen, ist eine schöne Fussnote. Cokes präziser Abschluss von der Strafraumkante trägt dagegen ein Ausrufezeichen.

Dass Emery seinen Captain eine Reihe weiter vorne aufgestellt hatte als gewohnt, war ein perfekter taktischer Schachzug. Wie Coke dann auch noch das 3:1 markierte, die Krönung. Liverpools Proteste wegen einer Abseitsstellung waren so vergeblich wie unberechtigt. Und drei kitzlige Hands-Situationen im ersten Durchgang im Strafraum von Sevilla schon weit weg.

Coke, seine Mitspieler und Unai Emery dagegen haben sich mit dem Basler Endspiel unsterblich gemacht. «Wir nehmen den Wettbewerb in der Europa League an und gehen in dieser Rolle auf», sagte Emery nach dem Spiel und sprach davon, seine Mannschaft sei getragen worden von den Fans. Diese Erfahrung hatte auch schon der FC Basel bei seinem Achtelfinal-Aus gegen Sevilla gemacht.

Am Ende jubiliert Sevilla, Liverpool weint, und Basel hat sich als guter Gastgeber für diesen Final erwiesen.

 

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