Eine grosse Bewährungsprobe für das Basler Sammelalbum

Ist dieser FC Basel schon parat für eine nächste grosse Überraschung auf der Insel? Das Spiel gegen Arsenal London ist ein Lackmustest für Urs Fischer und seine Mannschaft. Antworten auf viele spannende Fragen gibt es heute ab 20.45 Uhr.

27.09.2016; London; Fussball Champions League - Training FC Basel; Trainer Urs Fischer (Basel) waehrend dem Training (Christian Pfander/freshfocus)

(Bild: Christian Pfander/freshfocus)

Ist dieser FC Basel schon parat für eine nächste grosse Überraschung auf der Insel? Das Spiel gegen Arsenal London ist ein Lackmustest für Urs Fischer und seine Mannschaft. Antworten auf viele spannende Fragen gibt es heute ab 20.45 Uhr.

Man kann den Europacup ja auch wie ein grosses Sammelalbum betrachten oder wie eine Landkarte. Man klebt hier mit Freude ein schon ewig fehlendes Bildchen ein und steckt dort ein Fähnchen an einen bisher noch unentdeckten Ort. So geht es dem FC Basel in dieser Champions-League-Kampagne.

In London hat Basel schon ein paar Duftmarken hinterlassen: an der Themse im Craven Cottage gegen den FC Fulham, an der White Hart Lane bei den Tottenham Hotspurs, zweimal an der Stamford Bridge gegen Chelsea. Nun wird im Norden Londons im mächtigen Emirates Stadion ein Fähnchen gepflanzt – und im Oktober kommt Paris dazu, eine Destination, die der FCB in der Neuzeit noch nie bereist hat.

Ein Gegner in prächtiger Verfassung

Zunächst jedoch: der Besuch beim englischen Hochadel. Arsenal, das ist nicht nur ein Club mit klingendem Namen und mächtiger Patina, hochgezüchtet zu einer ultramodernen Fussballmaschinerie. Ganz aktuell ist die Mannschaft von Arsène Wenger auch in prächtiger Verfassung.




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Dieses Gefühl beschlich Urs Fischer schon, als der FCB-Trainer die 90 Minuten im ersten Gruppenspiel bei PSG (1:1) studiert hatte: «Ein dominantes Arsenal hatte das Spiel in Griff.» Und seine Einschätzung verfestigte sich unter dem Eindruck der jüngsten Auftritte in der Premier League, die im 3:0 von Arsenal am Samstag gegen Chelsea gipfelten.

London schwärmt seither von den Gunners, und Fischer sagt über den Wenger-Fussball, der einst Avantgarde war auf der Insel: «Das ist eine Mannschaft, die im Strumpf ist. Wie sie das 2:0 gegen Chelsea herausspielt – da sind wir in der Nähe von Barcelona.»

Ist der FCB schon bereit für den nächsten Coup?

Nun ist der FC Basel gerade in jüngerer Vergangenheit auswärts mehrfach auf englische Teams getroffen, die übermächtig wirkten und ihm sportlich punkto Qualität, Kadertiefe und Wucht überlegen schienen. Und wie bei den Unentschieden in Manchester (2011) und Tottenham (2013), wie beim Sieg bei Chelsea (ebenfalls 2013) oder dem Remis in Liverpool (2014) wird es einerseits an der Widerstandskraft des Schweizer Meisters liegen und andererseits daran, selbst etwas Kreatives auf die Beine zu stellen.

Die Ausrufezeichen, die er international zu setzen vermag, sind inzwischen zur Messlatte für den FC Basel geworden. Daheim sind die fatalistischen Abgesänge auf die noch junge Saison ja schon formuliert, ist der FCB zum achten Mal in Serie zum Meister ausgerufen worden angesichts von neun aneinandergereihten Siegen und 13 Punkten Vorsprung.

Und da die nationale Dominanz längst in Monotonie umgeschlagen ist, kann der FCB Ehre quasi nur noch in den beiden europäischen Wettbewerben einlegen. Die spannende Frage vor dem Anpfiff im Emirates ist deshalb auch: Ist diese Ausgabe des FCB gut genug dafür? Ist die Mannschaft, ist der Trainer schon so weit, um einen Coup zu landen?

Maskottchen Marco Streller

In der Super League hat die Mannschaft sämtliche Proben mit einmal mehr und einmal weniger überzeugenden fussballerischen Vorträgen bestanden. Das 1:1 daheim gegen Razgrad zum Auftakt der siebten Teilnahme an der Champions League war ein zwar enttäuschendes Resultat, aber eine solide Leistung. Zum Lackmustest wird deshalb Arsenal. «Ein grosse Herausforderung», wie Sportdirektor Georg Heitz auf dem Weg nach London sagte.



FC Basel's president Bernhard Heusler, left, and former player Marco Streller are pictured at the London Stansted Airport, on Tuesday, September 27, 2016, in London. FC Basel will face England's Arsenal FC on Wednesday, September 28, for an UEFA Champions League Group stage Group A matchday 2 soccer match. (KEYSTONE/Gian Ehrenzeller)

Achtung, Streller ist gelandet! Der Ex-Captain am Dienstag in London-Stansted, links FCB-Präsident Bernhard Heusler. (Bild: Keystone/GIAN EHRENZELLER)

Nun sind die Basler, wie erwähnt, schon etliche Male mit gehörigem Respekt auf der Insel gelandet – und sind mit noch gehörigeren Überraschungen im Gepäck wieder heimgekehrt. Fast wie ein Maskottchen kam einem deshalb Marco Streller vor, der am Dienstag eine ihm so angenehme Flugreise unternahm, wie immer auf einem Sonderplatz im Cockpit.

Der Ex-Captain, der mit Heitz in der Transferkommission sitzt, gehörte zu den Protagonisten der jüngsten Erfolgsserie gegen Premier-League-Grössen, und der Sportdirektor erlaubte sich nach der Ankunft einen kleinen Scherz: «England ist in Schockstarre, weil Streller gelandet ist.»

Was zaubert der Trainer aus dem Hut?

Streller kann der Mannschaft jedoch nur noch moralische Unterstützung zuteil werden lassen. Einer Manschaft, von der sich gar nicht so leicht voraussagen lässt, in welcher Besetzung und in welcher Formation Fischer gedenkt, sie auflaufen zu lassen.

Kann er auf den angeschlagenen Matias Delgado zurückgreifen? Wer ersetzt den Captain nominell? Ist es der zuletzt ebenfalls verletzte Luca Zuffi, der diese Position auch international schon gespielt hat? Setzt der Trainer auf das erfahrene Element? Oder zaubert er zum Beispiel Mohamed Elyounoussi aus dem Hut? Lässt er im üblichen 4-2-3-1-System spielen? Oder greift er auf die in der Europa League praktizierte 3-5-2-Grundformation zurück? Und wer spielt dann an den Seiten?

Für den Trainer ist die Champions League Neuland, die Insel quasi auch. Mit dem FCZ hat er mal in Schottland gespielt, und als es gegen Newcastle ging, erinnert Fischer sich, fehlte er verletzt. Aber mit der Vergangenheit ist es so eine Sache. Dass der FCB gegen englische Teams zuletzt eine gute Figur gemacht hat, «soll der Mannschaft vertrauen geben», sagt Fischer und mahnt zugleich: «Es wäre aber ein Trugschluss, auf früheren Zeiten und Ergebnissen aufzubauen.»

Fischers grosser Anforderungskatalog

Das soll auch heissen: Den Zugang zu diesem Spiel muss die aktuelle Zusammensetzung finden. Und die 90 Minuten werden Bewährungsproben werden für sämtliche Spieler und für einige mit wenig bis keiner Erfahrung auf diesem Level wie Eder Balanta oder Renato Steffen, für Adama Traoré oder Birkir Bjarnason.



Basel's head coach Urs Fischer holds up two fingers during a training session on Tuesday, September 27, 2016, in the Emirates Stadium in London, England. FC Basel will face England's Arsenal FC on Wednesday, September 28, for an UEFA Champions League Group stage Group A matchday 2 soccer match. (KEYSTONE/Gian Ehrenzeller)

Aufgepasst! Urs Fischer am Dienstag mit seiner Mannschaft beim Abschlusstraining im Emirates Stadium, wo den FC Basel eine – einmal mehr grosse – Herausforderung erwartet. (Bild: Keystone/GIAN EHRENZELLER)

Damit sind nur einige genannt aus einem Kader, das insgesamt auf 117 Champions-League-Einsätze kommt. 587 sind es bei Arsenal, was kein Wunder ist, wenn man zum 19. Mal in Folge für die Königsklasse qualifiziert ist. Interessant ist in diesem Zuammenhang, dass Arsenals Spieler zwar kumuliert auf die Erfahrung von 896 Europacupspielen zurückgreifen können, dabei aber weniger Tore kumulieren (86) als die Spieler des FC Basel mit ihren 512 internationalen Einsätzen und 91 Treffern.

Ein Tor – das würde dem FCB auch im Emirates helfen. Und deshalb hat Urs Fischer so etwas wie eine Vorwärtsstrategie mit eingebauten Sicherheitsanweisungen ausgerufen:

«Wir müssen schon auf ihre schnellen Offensivspieler achten, wir müssen gut organisiert sein, aber wir müssen auch ein Gleichgewicht herstellen, um das Kombinationsspiel von Arsenal zu unterbinden. Wir müssen aggressiv nach vorne verteidigen, müssen in Ballbesitz den Ball zirkulieren lassen, wir müssen die richtigen Entscheidungen auf dem Platz treffen, müssen mit Überzeugung selbst etwas kreieren und mutig sein.»

Heitz: «Es verträgt nicht viele Fehler»

Das ist ein grosser Anforderungskatalog des Trainers, und sein Sportdirektor weiss aus Erfahrung: «Gegen einen solchen Gegner kann es schnell gehen. Da verträgt es wenig Fehler.» Die vorletzte internationale Aufgabe, das Achtelfinal-Rückspiel in der Europa League in Sevilla war so ein Beispiel, als ein paar schwache Momente vor der Pause reichten, um die Partie mit 3:0 zu verlieren.

Wenn der FCB diesmal einem nominell ähnlich starken Gegner widerstehen kann, meldet sich auch die aktuelle Mannschaft für den nächsten Ritterschlag im Europacup an. Alles andere entspräche den Kräfteverhältnissen, wäre also als normal einzuordnen. So wie ein Basler Sieg in der Super League.

Basler Reisegruppe(n)

Auf die Fans üben Reisen des FC Basel auf die Insel einen besonderen Reiz aus. Etwas über 2000 werden am Mittwoch im Stadion gegen Arsenal dabei sein. Darunter auch jene, die mit dem dem FCB seit jeher verbundenen Reiseunternehmen Frossard gekommen sind.

150 Fans reisen am Spieltag in einer Maschine von Basel-Mulhouse nach London, eine Reise, die Frossard für 650 bis 800 Franken angeboten hat. Einen zweiten Flieger gibt es auch aus dem Grund nicht, weil es in der Ferienzeit schwierig sei, verfügbare Maschinen zu finden, erklärt Firmeneigner André Frossard.

Ausserdem lassen sich rund 60 sogenannte Top-Supporter drei Tage London 2200 Franken kosten  – samt Besuch der Harry-Potter-Filmstudios, einem Talk mit FCB-Präsident Bernhard Heusler und einem mitternächtlichen Mahl nach dem Spiel mit den Spielern im Mannschaftshotel. Die Teilnehmer sind meistens dieselben, die Reisegruppe sei inzwischen «fast wie eine Familie», sagt Frossard.

Ob es Mittwochnacht etwas zu feiern gibt, wie so oft in den vergangenen Jahren, wenn der FCB auf englische Teams getroffen ist?


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