Wawrinkas Startniederlage an den Swiss Indoors ist ein kleiner Rückschlag im Qualifikationsrennen für die ATP-Finals – die Ausgangslage für den Romand ist in seiner besten Saison aber weiterhin gut.
Seit Turnierbeginn waren alle mit der grossen Rechnerei beschäftigt. Es ging unter anderem um die Frage, wie weit Stanislas Wawrinka an den Swiss Indoors kommen muss, um Punkte für das Rennen um die Qualifikation zu den ATP World Tour Finals zu sammeln – für das Turnier, an dem nur die acht besten Spieler der Saison teilnehmen.
Die Rechnerei hat sich nach der 6:4-6:3-Niederlage gegen den Franzosen Edouard Roger-Vasselin (ATP 65) erübrigt. Wawrinka verlor in Basel zum sechsten Mal in der Startrunde – bei zehn Teilnahmen.
Erst die Halbfinals hätten Wawrinka weitergebracht
Dass er sein erstes Spiel verlor – dies sei als Resultat der ganzen Rechnerei vermerkt – ist nicht schlimmer als eine Niederlage in der zweiten Runde gewesen wäre, denn aufgrund seiner guten Resultate in dieser Saison hätte Wawrinka bis in den Halbfinal einziehen müssen. Dann hätte er ein Resultat erzielt, das ein schlechteres in seinem Punktetotal verdrängt hätte.
Fehlende Zuschauer…
Auch am zweiten Tag war die St.-Jakobs-Halle nicht ausverkauft. Bereits am Montag vermochte Rogerer Federer bei seinem Startsieg die Halle nicht restlos zu füllen: 200 Tickets fanden keinen Abnehmer. Waren diese 200 auf die insgesamt 9’200 Plätze nicht sichtbar, so waren die nicht besetzten Sitze am Dienstag klar ersichtlich. Lediglich 7’400 Zuschauer wollten Wawrinkas Partie vor Ort verfolgen.
…Chiudinellis vergebene Chance…
Marco Chiudinelli (ATP 175) verpasste die Chance, zumindest einen Satz mehr vor heimischem Publikum zu spielen. Kei Nishikori (ATP 18), der beste japanische Tennisspieler aller Zeiten und einstige Finalist an den Swiss Indoors, gewann die Partie in zwei Sätzen 6:2, 6:4. Bei 4:4 im zweiten Satz hatte Chiudinelli gar mehrere Breakbälle, nutzte keinen, und verlor schliesslich. «Wenigstens konnte ich phasenweise gutes Tennis zeigen», sagte er.
…und auch Berdych draussen
Tomas Berdych, der an Nummer zwei gesetzte Tscheche, musste sich dem Aufschlagriesen Ivo Karlovic in drei Sätzen geschlagen geben (6:4, 6:7, 6:7). Damit fehlen dem Turnier nach der ersten Runde bereits die Nummern zwei und vier (Wawrinka) der Setzliste. Die Niederlage Berdychs öffnet das Feld in Federers Tableauhälfte.
Einerseits bekundete Wawrinka Mühe mit Roger-Vasselins offensivem Spiel. Die stärkste Waffe des Franzosen, dessen Vater Christophe Roger-Vasselin 1983 die Halbfinals der French Open erreicht hatte, war der Aufschlag – und der Volley, mit dem er oftmals gleich darauf den Punkt am Netz abschloss.
Andererseits verzeichnete Wawrinka seinerseits zu viele unerzwungene Fehler, brachte nur rund einen Drittel seiner ersten Aufschläge ins Feld und machte insgesamt zu wenig Druck auf den zweiten Service des Franzosen. Die Konsequenz: Die Nummer 4 der Setzliste erspielte sich keinen einzigen Breakball.
Von Rahmenbällen über Doppelfehler bis zur Schlägermalträtierung
Den Match aus der Hand gab Wawrinka schliesslich mit drei Fehlern in Serie: Den ersten Ball verschlug er mit dem Rahmen, den zweiten unnötig mit der Rückhand – und den Matchball schenke er seinem Gegner mit einem Doppelfehler.
Die Fehlermenge resultierte dann und wann darin, dass Wawrinka mit dem Schläger die Stabilität der Werbebanden prüfte. «Heute dachte ich zuviel, machte alles falsch und habe nie die richtigen Entscheidungen getroffen», analysierte er selbstkritisch.
Das Lachen ist Wawrinka aber nicht vergangen, was er an der Pressekonferenz eindrücklich klar macht: Er scherzt mit den welschen Journalisten, weiss, «dass ich immer noch in den Top-Ten klassiert bin» und kommentiert sein Spiel so: «Ich habe fast Lust, darüber zu lachen.»
«Ich habe mein Tennis nicht verloren»
Die nominelle Nummer zwei der Schweiz, die auf seine beste Saison zurückblickt, wird nun «früher nach Paris Bercy reisen, dort so viele Bälle wie möglich schlagen und mich gut vorbereiten.» Am letzten Turnier, eines der zweithöchsten Kategorie, werden nochmals 1000 Punkte vergeben – die Qualifikation für das Saisonfinale wird dann entschieden.
Wawrinka weiss, «dass ich mein Tennis nicht verloren habe» und ist sich bewusst, dass die Ausgangslage nach wie vor sehr gut ist. In der massgebenden Rangliste Race-to-London liegt er auf Platz sieben – ein neunter Rang reicht nach der Absage Andy Murrays für die Qualifikation.
Wird Wawrinka nach Hlasek und Federer der dritte Schweizer?
In Basel wird er von Roger Federer überholt werden, der bereits am Montag sein Startrundenspiel überstanden hat, und vielleicht vom Franzosen Richard Gasquet. Denn falls dieser mindestens die Halbfinals erreicht, steht er auf Kosten Wawrinkas auf Platz acht – und schuldet seinem Landsmann Roger-Vasselin Dank für dessen Schützenhilfe. Nichts desto trotz: Wawrinka müsste auch in diesem Falle noch von einem weiteren Spieler überholt werden, um in London nicht starten zu dürfen.
Die Qualifikation für das Saisonfinale wäre für Wawrinka eine Premiere – und für das Schweizer Tennis würde das gleichsam bedeuten, dass sich nach Jakob Hlasek (1988) und Roger Federer (seit 2002 immer dabei) nunmehr ein dritter Spieler mit helvetischem Pass für dieses Turnier hat qualifizieren können.
Es wäre die Krönung für die herausragende Saison Wawrinkas, welche ihm Siege über Andy Murray, die Qualifikation für die Halbfinals am US Open und die bisher beste Weltranglistenplatzierung seiner Karriere einbrachte.
1. Runde (siehe auch Tableau)
Stanislas Wawrinka SUI–Edouard Roger-Vasselin FRA 4:6, 3:6
Kei Nishikori JPN–Marco Chiudinelli SUI 6:2, 6:4
Benjamin Becker GER–Marcos Baghdatis CYP 6:7, 1:6
Carlos Berlocq ARG–Ivan Dodig CRO 0:2 ret.
Denis Istomin UZB–Horacio Zeballos ARG 7:5, 7:6
Daniel Brands GER–Andreas Seppi ITA 7:6, 6:3
Ivo Karlovic CRO–Tomas Berdych CZE 4:6, 7:6, 7:6
Programm am Mittwoch, 23. Oktober (gesamtes Programm)
u.a.:
1. Runde: Juan Martin Del Potro ARG–Henri Laaksonen SUI, nicht vor 16.00 Uhr
2. Runde: Roger Federer SUI–Denis Istomin UZB, nicht vor 18.00 Uhr