Einspielen im Grossraumbüro

Wie es sich fast gehört für den Titelverteidiger und die Nummer 1: Roger Federer gewann zum Auftakt der Swiss Indoors in der St. Jakobhalle gegen den Deutschen Benjamin Becker (ATP 83) mit 7:5, 6:3. Prädikat: Solid, aber noch nicht künstlerisch wertvoll.

Switzerland's Roger Federer casts his shadow on the court before his match against Germany's Benjamin Becker at the Swiss Indoors ATP tennis tournament in Basel October 22, 2012. REUTERS/Arnd Wiegmann (SWITZERLAND - Tags: SPORT TENNIS) (Bild: Reuters/ARND WIEGMANN)

Wie es sich fast gehört für den Titelverteidiger und die Nummer 1: Roger Federer gewann zum Auftakt der Swiss Indoors in der St. Jakobhalle gegen den Deutschen Benjamin Becker (ATP 83) mit 7:5, 6:3. Prädikat: Solid, aber noch nicht künstlerisch wertvoll.

Ein paar Erbsenzähler mögen sich vor Roger Federers erstem Match noch gefragt haben: Ist der Franzose Jérémy Chardy, der als Federers erster Gegner ausgelost worden war, wirklich verletzt, oder wurde seine Verletzung erst gravierend, als er vernahm, wer sein Erstrundengegner sein würde und er sich da ohnehin nichts ausrechnete?

Saublöde Frage. Wer seinen Sport mag (und davon ist bei Chardy auszugehen) zieht nicht ohne Grund den Schwanz ein, wenn er zum erstenmal die Gelegenheit hätte, gegen einen der Besten, wenn nicht den Besten zu spielen, den das Tennis je gehabt hat.

Swiss Indoors 2012

Das Tableau

Der Spielplan für Dienstag

Eine weitere Erbsenzählerei mag vielleicht eher gerechtfertigt gewesen sein: War der Rumäne Victor Hanescu in der finalen Runde der Qualifikation wirklich verletzt, oder gab er schlicht deshalb auf, weil er fest damit rechnete, dass irgendeiner nicht anreisen würde und er als bestklassierter der Ausgeschiedenen als sogenannter Lucky Loser noch nachrücken kann? Ein Schelm, wer sich solches ausdenkt? Oder ist in dem Fall der Lucky Loser tatsächlich ein «Luser»?

Zäher erster Satz

Geschenkt. Nach der Eröffnungsfeier wars mit Erbsenzählen vorbei und war nur noch von Belang, wie sich Federer auf den Weg begibt hin zu einem weiteren guten Basler Auftritt, wenn möglich hin zu seinem sechsten Heimerfolg; da war nur noch von Belang, dass er die erste Runde mal übersteht und auch mit Benjamin Becker, seinem «neuen» Erstrundengegner, umzugehen weiss.

Und er wusste durchaus. Auch wenn Becker vielleicht längere Zeit in der Nähe seines Optimums war als Federer bei seinem. Es war ein zäher erster Satz für Federer; mit sieben Breakbällen wusste er zunächst nichts Schlaues anzufangen, ehe er sich mit einem wunderbaren Ballwechsel einen achten erarbeitete – und zu diesem hatte er dann nichts mehr beizutragen, denn Becker servierte einen Doppelfehler und verlor so den ersten Satz nach 59 Minuten mit 5:7.

Im zweiten gelang zunächst Becker ein Break zum 3:2, das Federer aber umgehend egalisierte und danach rasch-rasch innert weniger Minuten und einer Serie von neun Gewinnpunkten auf 6:3 erhöhte. Da erst setzte Federer mit der fast schon selbstverständlich erwarteten Leichtigkeit die Differenz zwischen sich und Becker. In seiner zweiten Runde trifft Federer am Mittwoch auf den Gewinner aus Bellucci (Bras) – Soeda (Jap).

Fleissig und solide

Unter Verwendung einer Fussballtrainer-Weisheit liesse sich auch für Federers Erstrundenmatch sagen: Ist doch gut, wenn man auch Spiele gewinnt, in denen nicht alles optimal läuft. Künstlerisch wertvoll war Federers Spiel in der Tat nicht; natürlich gelangen ihm wiederum einige Schläge, die hätten geformt oder gepinselt oder geschnitzt sein können. Aber insgesamt befand sich Federer weniger oft in einem Künstleratelier, als vielmehr, sagen wir mal: im Grossraumbüro einer kantonalen Verwaltung.

Da arbeitete er durchaus korrekt und solide, tat, was getan werden musste, nicht überaus inspiriert, aber durchaus in der Lage, fertig zu werden mit dem, was ihm vorgelegt wurde. Und wenn ihm Fehler unterliefen, tat er in anständiger Pflichterfüllung alles, um daraus keinen Schaden entstehen zu lassen.

Geniestreiche? Eher selten in kantonalen Verwaltungen; aber durchaus erwähnenswert, mit welchem Fleiss und welcher Konzentration er im ersten Satz etwas Überzeit zu leisten imstande war. Und auch wenn Federer die Sprache des Publikums bestens versteht und er sein Heim-Turnier spielt, so darf man gleichwohl etwas nachsichtig sein und ihm das Recht einräumen, sich einzuspielen und hineinzufinden ins Turnier.

Das ist ihm durchaus gelungen; gut so, aber auch nichts dagegen, wenn er sich in den kommenden Runden etwas öfter im Künstleratelier aufhalten wird. Jaja, wir sind ganz schön verwöhnt worden in den letzten Jahren. Aber wer hat uns denn verwöhnt? Eben!

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