Nicht nur Breel Embolo ist erfüllt von einem Gefühl der Ungeduld, jetzt wo es wieder losgeht mit dem Bundesligafussball und die Spieler mit ihren Klubs genauso hoffen, gut in die Saison zu kommen wie Trainer, Fans und Funktionäre. Auch die Reporter fragen bei fast jeder Pressekonferenz des FC Schalke 04 nach dem Stürmer aus der Schweiz.
«Trainingsrückstand» lautet die neueste Wasserstandsmeldung von Trainer Domenico Tedesco vor dem Auftaktspiel gegen RB Leipzig, und Sportdirektor Axel Schuster ergänzt: «Wir sagen Breel im Moment immer: Es wäre gut, wenn du in der Länderspielpause soweit bist, dass man bei der Belastung im Training auf nichts mehr Rücksicht nehmen muss.»
Die Länderspielpause beginnt Ende des Monats, die Folgen des schweren Knöchelbruchs, den Embolo sich im Oktober 2016 in einem Zweikampf mit dem Augsburger Verteidiger Konstantinos Stafylidis zuzog, sind also weiterhin ein Problem.
Embolos Schalke: der Geheimtipp der Experten
Und dennoch ist Embolo ein zentraler Mosaikstein im königsblauen Konstrukt für die neue Saison. Noch immer ist der Basler der teuerste Neuzugang der Gelsenkirchener Klubhistorie, und die Schalker gelten manchen Experten nicht nur wegen der Aussicht auf den aggressiven Angreifer als Geheimtipp fürs neue Spieljahr.
Der Klub spielt nicht international, wird keine Kräfte im Europapokal lassen und hat mit dem erst 31-jährigen Domenico Tedesco einen dieser jungen Akribiker auf der Trainerbank, die ihre Teams mit grossem Aufwand auf die nächsten Gegner vorbereiten. Da könnten die langen Wochen ohne Europapokal zum entscheidenden Vorteil werden.
Zudem ist das Kader stark besetzt, wenn im Vorjahr lange verletzte Spieler wie Naldo, Matija Nastasic oder Coke, richtig in Gang kommen. Und eben Embolo, der vor Energie glüht. Als er in der Sommerpause nach 284 Tagen ohne Wettkampf im Test gegen Neftchi Baku erstmals wieder eingewechselt wurde, sagte er danach: «Das war das wichtigste Spiel meiner Karriere» und sprach von einer «Renaissance».
Eine solche erhofft sich aber nicht nur Gelsenkirchen, sondern auch Borussia Mönchengladbach, wo immer noch eine grosse Sehnsucht nach dem zum FC Arsenal übergelaufenen Granit Xhaka zu spüren ist. Ein Ergebnis der Analysen der insgesamt enttäuschenden vorigen Saison lautete, das Team sei seit Xhakas Abschied 2016 zu brav, zu leise, zu harmonisch.
Als Gegenmassnahme wurden Leistungsträger wie Goalie Yann Sommer ermuntert, meinungsfreudiger zu sein. Vor allem aber haben sie mit Denis Zakaria einen emotionalen Typen verpflichtet, der den Xhaka-Faktor ins Team zurückbringen soll. Einen Typ, der polarisieren, der den Testosteronschnitt der Mannschaft erhöhen soll.
Als «Pogba des kleinen Mannes» wird der 20-Jährige, der für zwölf Millionen Euro von den Berner Young Boys kam, in den Schlagzeilen angekündigt. Zumindest verbal erfüllt er die Erwartungen. «Ich kann provozieren und dagegenhalten», sagt Zakaria forsch, weil am ersten Spieltag gleich das hoch brisante Derby gegen den 1. FC Köln ansteht. «Ich habe noch nie ein Derby verloren», sagt er dazu.
Sportdirektor Max Eberl feiert derweil seinen «Königstransfer» als einen «starken Balleroberer mit unglaublicher Dynamik und Zweikampfhärte, der eine ganze Mannschaft mitreissen kann». Ob der junge Schweizer diesem Anspruch auch sportlich gerecht wird, bezweifeln vor allem Leute, die Zakaria aus der Super League kennen. Der 20-Jährige ist ein guter Spieler, aber kein zweiter Xhaka.
Stocker will kämpfen
Doch irgendwie passt diese Personalie zu einem Trend in der Bundesliga: In den vergangenen Jahren staunte Fussballdeutschland über die vielen guten Schweizer Torhüter, von denen mit Sommer, Roman Bürki (BVB) und Marvin Hitz (Augsburg) immer noch drei zum Stammpersonal zählen (neben den Ersatzleuten Coltorti, Hirzel, Mvogo und Kobel). Nun setzen plötzlich erstaunlich viele Klubs auf Schweizer Impulse an der Schaltstelle im defensiven Mittelfeld.
Gelson Fernandes soll zum Ballverteiler und Rhythmusgeber bei Eintracht Frankfurt werden, Pirmin Schwegler spielt die gleiche Rolle bei Aufsteiger Hannover 96, Fabian Frei bei Mainz 05 und Zakaria in Gladbach. Sogar Flügelstürmer Valentin Stocker wurde in der sommerlichen Testphase bei Hertha BSC auf dieser bedeutsamen Position ausprobiert, doch der 28-Jährige wird – wie auch im Angriff – kaum über die Rolle eines Ergänzungsspielers hinauskommen.
In jedem Fall will Stocker kämpfen. «Ich bin keiner, der sagt, leck mich am Arsch, dann sitz’ ich meinen Vertrag ab», lässt er sich von der «Berliner Zeitung» zitieren.
Mit 28 Jahren befindet sich Stocker in den besten Fussballerjahren, er will Verantwortung und Vertrauen. So wie auch Admir Mehmedi, der nach dem Trainerwechsel zu den Gewinnern der Saisonvorbereitung bei Bayer Leverkusen zählt. Lucien Favres Wunsch, seinen Landsmann nach Nizza zu holen, wird unerfüllt bleiben, Mehmedi steht vor der Chance, doch noch den Durchbruch bei einem der Topklubs zu schaffen.
Der wohl spannendste unter den insgesamt 23 Schweizern in der Bundesliga bleibt aber Embolo, weil er als tragende Säule des aufregenden Projektes in Gelsenkirchen vorgesehen ist. Jedenfalls, wenn der Knöchel endlich wieder funktioniert.