Englische Herzen erobert – grosse Ziele vor Augen

Der FC Basel hat mit seinem 2:1-Sieg beim Chelsea FC auch in England Freunde gewonnen. Die Basler Ambitionen in der Champions League sind danach nicht kleiner geworden.

Basel's Marco Streller celebrates after scoring a gaol against Chelsea during the Champions League group E soccer match between Chelsea and Basel at Stamford Bridge stadium in London, Wednesday, Sept. 18, 2013. (AP Photo/Kirsty Wigglesworth) (Bild: AP/Kirsty Wigglesworth)

Der FC Basel hat mit seinem 2:1-Sieg beim Chelsea FC auch in England Freunde gewonnen. Die Basler Ambitionen in der Champions League sind danach nicht kleiner geworden.

Der Mann hinter der Kaffeemaschine am Luton Airport muss keine Sekunde überlegen. «Ihr habt doch gestern Chelsea geschlagen!», ruft er, als Fabian Schär, Valentin Stocker und Fabian Frei ihren Koffeinvorrat vor dem Rückflug nach Basel auffüllen wollen. Und strahlt gleich darauf übers ganze Gesicht: «I love you guys!» Ich liebe euch. Der FC Basel hat sich mit seinem 2:1-Sieg beim nur scheinbar übermächtigen Chelsea FC auch in England viele Freunde gemacht. Der gute Mann am Kaffeetresen ist Fan von Tottenham Hotspur.

Nun haben die Basler zwar letzte Saison die Spurs von der europäischen Bühne verabschiedet. Aber das verzeiht der Tottenham-Anhänger nach dem FCB-Sieg über den Erzrivalen gerne. Denn das war in der Europa League, die in England von den grossen Clubs schon fast als Strafaufgabe betrachtet wird.

Chelsea dagegen wurde vom FCB in der Champions League bezwungen. Und die hatte Chelseas Trainer José Mourinho vor dem Spiel doch noch als natürlichen Lebensraum seines Clubs ausgerufen.

Der Präsident und das «Urvertrauen»

Wer den FCB bei seinem beherzten – aber nie kopflosen – Auftritt in London beobachtete, der konnte zum Schluss kommen, dass sich auch die Basler durchaus an das Leben in der Sternenliga angepasst haben. «Ein Urvertrauen» macht Präsident Bernhard Heusler bei seinen Spielern aus, das mache, «dass sie nicht nervös werden, selbst wenn sie bei Chelsea 0:1 in Rückstand geraten.»

Woher es kommt? Captain Marco Streller wirkte etwas ratlos, als er nach getaner Arbeit noch einmal auf dem perfekten Grün der Stamford Bridge erschien, wo gerade vier Männer mit Handmähern der englischen Rasenpflege nachgingen: «Ich frage mich selbst, woher wir diese Kraft nehmen, immer noch einen drauf zu setzen.»

Wohl aus all den vielen Erfahrungen vergangener Europacup-Abende, vermutet Heusler mit einer (kurzen) Nacht Distanz zum Geschehen: «Vergangene Erfolge bringen vor allem eines: mehr Selbstvertrauen.»

Wie ein Club aus einer anderen Liga

Es war aber nicht das Selbstvertrauen allein, das die Basler zu diesem Sieg der historischen Superlative führte. Es war auch eine grosse Portion Abgezockheit, die die Basler an diesem Abend unter Beweis stellten. Der FCB spielte so, wie man es bislang vielleicht von Teams aus einer der grossen fünf europäischen Ligen gewohnt war – aber sicher nicht von einer Mannschaft aus der Schweizer Super League.

Für grosse Erfolge in grossen Stadien hatte der FCB bislang entweder eine gute Portion Glück (Liverpool) oder eine komplett entfesselte Darbietung gebraucht (Manchester, Tottenham). Bei Chelsea dagegen wirkten die Basler bei allem Einsatz nie so, als würde ihr Motor überhitzen. Ruhig, defensiv sicher, mit schnellem Umschalten in die Offensive – und im richtigen Moment vor dem Tor eiskalt: Es sind Attribute, die oft gebraucht wurden, um das Chelsea in Mourinhos erster Amtszeit zu beschreiben.

Mourinhos Klagen

Der Portugiese dagegen klagte nach der Niederlage, seine Mannschaft besitze derzeit «nicht die Erfahrung und den Charakter, um mit schwierigen Momenten im Spiel umzugehen». Mourinho versucht derzeit, sich als Erbauer einer neuen, jungen Chelsea-Mannschaft zu verkaufen.

Mit viel Freude rechneten ihm da am Tag nach der Niederlage die englischen Zeitungen vor, wie «unerfahren» das Team genau gewesen war, das gegen den FCB auf dem Feld stand. Auf ein Durchschnittsalter von 27 Jahren und 8 Monaten kam die «Times» und folgerte mit Blick auf einen anderen Londoner Rivalen: «Arsenals Trainer Arsène Wenger würde – wenn man ihm Gelegenheit gäbe – über den Gedanken lachen, dass Mourinho der Jugend eine Chance gibt.»

Kommt dazu, dass die drei «Jungen» – Oscar (22), Marco van Ginkel (20) und Eden Hazard (22) – zusammengerechnet circa 100 Millionen Franken gekostet haben – und auch im Unterhalt nicht ganz günstig sein werden.

Matias Delgado: Mehr als bloss ein guter Typ

Dagegen kommt ein Basler Topverdiener wie Matias Delgado wie ein echtes Schnäppchen daher. Der 30-Jährige, vier Tage zuvor in Münsingen noch knapp auf 1.-Liga-Classic-Niveau, schien sich auf grosser Bühne plötzlich seiner Fähigkeiten zu entsinnen. Etwas, das Trainer Murat Yakin zwar nicht zu überraschen vermochte, «weil ich jeden Tag sehe, was er kann», das aber doch für beruhigte Nerven bei den Transferverantwortlichen gesorgt haben dürfte.

Was natürlich niemand so sagen wollte. «Das war kein Nostalgietransfer nach dem Motto Augen zu und durch», bekräftigt Bernhard Heusler, «Matias ist ein guter Typ. Ich bin froh, dass er da ist – und das wird auch so bleiben.» Wobei ein Fussballprofi einem Club natürlich weitaus mehr nützt, wenn er nicht nur ein guter Typ ist, sondern auch noch mit zwei Aktionen einen Sieg mit herausspielt, der 1,2 Millionen Schweizer Franken an Siegprämien wert ist.

Und der Wert des Startsiegs dürfte noch weitaus grösser sein. Noch ist der Verkauf der Ticket-Pakete für die drei Basler Heimspiele in der Champions League nicht beendet. Da könnte das 2:1 bei Chelsea noch einmal für einen Schub sorgen.

Die frohen Rechnungen der Basler

So, wie die drei Punkte dem FCB richtig Wind unter die Flügel geben kann in dieser eben erst gestarteten Champions-League-Kampagne. Die Ziele der Rotblauen sind seit Mittwoch jedenfalls nicht kleiner geworden.

«Wenn du gegen Schalke zuhause gewinnst», blickt Bernhard Heusler mit leuchtenden Augen auf das Heimspiel vom 1. Oktober, «dann hast du diese Gruppe so richtig lanciert.» Und sein Trainer Murat Yakin rechnet: «Wenn wir die Heimspiele alle gewinnen – dann werden wir Gruppenerster.»

Fabian Schär übrigens konnte seinen vom Tottenham-Fan mit so viel Liebe zubereiteten Kaffee nicht in vollen Zügen geniessen. Zu heiss das Getränk, zu eng der Zeitplan, zu nah die Sicherheitsschleuse. Wieder eine Erfahrung auf internationaler Ebene gesammelt.

Die Superlative

– Erster FCB-Sieg auf der Insel.
– Je nach Zählweise die erst zweite oder dritte Heimniederlage überhaupt für José Mourinho als Chelsea-Trainer.
– Die erste Chelsea-Heimniederlage in der Champions League seit dem Viertelfinal 2011 gegen Manchester United.
– Erste Chelsea-Heimniederlage in einem Gruppenspiel seit 2003.
– Erste Chelsea-Heimniederlage im Europacup seit 29 Spielen.

Die Verletzung

Die Verletzung, die sich Fabian Schär bei einem harten Einsatz von Demba Ba kurz vor Ende der Partie in London zugezogen hat, ist weniger schlimm als befürchtet. Die FCB-Ärzte sprechen von einer Quetschung. Ob Schär damit gegen Sion ausfällt, ist noch nicht klar.

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