Der Lette Ernests Gulbis steht nach dem Sieg über Tomas Berdych im Halbfinal der French Open. Nach der Partie sprach der Tennis-Rebell über seine falsche Diät, seine Geldprobleme trotz reichem Vater und Novak Djokovic, der früher lieber zum Stretching ging, als den Mädchen nachzulaufen – Aufzeichnung einer kurzweiligen Pressekonferenz.
Lange Zeit galt der Lette Ernests Gulbis als Tennisprofessional, der bloss von seinem Talent lebt und von der harten Arbeit auf dem Court nichts wissen will. Doch an den French Open 2014 bezwang die Nummer 17 der Welt im Achtelfinal Roger Federer. Und nach dem Dreisatz-Sieg gegen Tomas Berdych steht er gar zum ersten Mal in seiner Karriere im Halbfinal eines Grand-Slam-Turniers.
Sichtlich gut gelaunt und mit viel Musse für Kurzweil gab Gulbis an der Pressekonferenz das eine oder andere Schmankerl aus seinem Leben preis. Es folgt eine Aufzeichnung von seinen Antworten auf die Fragen der Presse, die sich einlullen liess vom Charme des 25-jährigen Sohn reicher Eltern:
Vor ein paar Jahren sagten viele Tennisexperten, dass …
… welche Tennisexperten?
Viele von ihnen.
Ok.
Diese Experten sagten also, dass Sie ein grosses Talent seien. Jetzt haben Sie es bewiesen. Warum hat das so lange gedauert?
(lacht) Ich glaub ich habe falsch gegessen, die falsche Diät gewählt: zu viel Gluten – und ich liebe Ketchup. In den letzten Jahren habe ich wohl die Balance gefunden. (lacht wieder)
Sie haben vor ein paar Tagen gesagt, dass Sie die beste Rückhand auf der Tour haben. Es bleiben Rafael Nadal, Novak Djokovic oder Andy Murray im Turnier. Denken Sie immer noch, dass Sie die beste Rückhand haben?
Warum sollte ich meine Meinung vom einen auf den anderen Tag ändern? Wenn ich gesagt habe, ich hätte die beste Rückhand, eine der besten Rückhände auf der Tour, dann ändern diese verbliebenen Spieler nichts daran.
«Hast du im Tennis einen schlechten Tag, bist du draussen. Hast du im Fussball einen schlechten Tag, spielst du einfach einen Pass.»
Versuchen Sie mit Ihrem Erfolg an diesem Turnier, versäumte Jahre nachzuholen?
Sprechen Sie monetäre Aspekte an? (lacht) Klar, ich brauche Geld, um aus den roten Zahlen herauszukommen. (lacht)
Wir dachten, Sie hätten einen reichen Vater?
Ja.
Also brauchen Sie kein Geld.
Doch ich brauche Geld. Um selbstragend zu werden. (lacht)
Es entstand eher der Eindruck, Sie müssen es jetzt einfach auch mal allen auf dem Platz zeigen.
Gut, wenn Sie in diese Richtung wollen, dann erkläre ich es Ihnen ein wenig genauer: Ich habe in all diesen Jahren herausgefunden, was ich brauche, um vollends glücklich zu sein. Mein Glück kommt nur davon, dass ich meinen Job gut mache, dann kann ich mein Dasein maximal ausleben, mein Leben voll geniessen. Für mein Glück ist es von enormer Bedeutung, auf dem Tennisplatz erfolgreich zu sein. Vergessen Sie alles Geld, vergessen Sie Ruhm und Ehre – es geht um meinen inneren Komfort.
Haben Sie das immer gewusst oder gab es einen Schlüsselmoment, an dem Sie dies realisiert haben?
Definitiv. Ich habe gemerkt, dass mir alles im Leben leicht von der Hand ging. Selten habe ich viel Energie in etwas stecken müssen. Ich hatte keine Probleme in der Schule und auch im Tennis ging alles relativ leicht. Und dann dachte ich, genau so mache ich weiter: ohne grosse Anstrengungen – und trotzdem erfolgreich. Doch dann ist halt auch Scheisse passiert. (lacht)
Sie werden nach Roland Garros in die Top Ten vorstossen, ausser Gaël Monfils gewinnt die French Open.
Er soll gewinnen! Ich mag den Typen. Wir brauchen Jungs wie ihn!
«Meine Gedanken werden dann frei sein, wenn ich 35 Jahre alt bin – und an einem Strand liege mit einem …»
Was bedeuten denn die Erfolge, die Sie an diesem Turnier erleben dürfen?
Ich verstehe es noch nicht. Sogar jetzt, im Moment dieses Erfolgs mit der Halbfinalqualifikation, will ich nicht zu glücklich sein. Ich nehme es Tag für Tag und bewege mich weiter auf dieser Welle. Ich werde keine Nachrichten lesen und spreche nur mit Ihnen sowie meinem Coach.
Im letzten Februar hat Ihnen Ihre Mutter gesagt, Sie sollen mit dem Tennis aufhören…
… und jetzt sagt sie mir, ich soll aufhören, wenn ich die French Open gewinne. (lacht)
Warum spielen Sie eigentlich Tennis? Sie haben viele Qualitäten, sind ein smarter Junge. Warum sind Sie auf dieser Tour?
Manchmal wählen wir unseren Beruf nicht, der Beruf wählt uns. Meine Eltern brachten mich zum Tennis. Ich war einfach ein aktives Kind und liebte jede Art von Sport. Mit grosser Sicherheit wäre ich in allen Ballsportarten gut. Ich wäre auch ein guter Fussballer oder Basketballer, denn ich habe ein gutes Gefühl mit Bällen. Bis jetzt war ich immer etwas angepisst, dass ich nicht in einem Teamsport bin, weil ich der Meinung bin, dass dies viel einfacher ist. In unserem Sport bist du alleine: Hast du im Tennis einen schlechten Tag, bist du draussen. Hast du im Fussball einen schlechten Tag, spielst du einfach einen Pass. Aber Tennis hat auch Vorteile: Es ist charakterbildend. Im Moment versuche ich, das Beste aus dem Tennis herauszuholen. Meine Gedanken werden dann frei sein, wenn ich 35 Jahre alt bin – und an einem Strand liege mit einem … (bricht den Satz ab, lacht, formt mit Zeige- und Mittelfinger ein «v», führt dieses zum Mund und wieder davon weg)
Wann haben Sie realisiert, dass Tennis auch ein Job ist?
Ich denke immer noch nicht ganz, dass es ein Job ist. Es ist halb Hobby, halb Job – aber ein sehr genussvoller Job.
Sie haben vor drei Jahren zum letzten Mal gegen Djokovic gespielt. Können Sie ihn im Halbfinal der French Open überraschen?
Es geht bei 0:0 weiter, die Vergangenheit zählt nicht. Ich habe ihn ja auch einmal geschlagen. Aber da hatte er gerade seine Racketmarke gewechselt und spielte enorm schlecht.
Sie haben nun zwei Tage frei vor dem Halbfinal gegen die serbische Nummer zwei der Welt. Wie wird das Ihre Vorbereitung beeinflussen?
Keine Ahnung, ganz ehrlich. Denn ich bin zum ersten Mal in einem Halbfinal an einem Grand-Slam-Turnier. Ich hoffe einfach, dass mein Coach mir ein paar Tipps geben kann. Wenn nicht, dann halt nicht. Ich habe jedenfalls keine Pläne.
Ist es besser, zwei Tage Pause zwischen den Spielen zu haben?
Das weiss ich nicht. Ich wurde gegen Roger Federer im Viertelfinal mental und physisch müde. Doch ich habe bis zum Spiel gegen Berdych eine gute Erholung gehabt und fühlte mich wunderbar fit. Also könnte ich bereits morgen wieder spielen, in zwei, oder drei Tagen, in einem Moment. Ich bin einfach immer bereit.
Djokovic und Sie kennen sich schon lange. An was erinnern Sie sich?
Wir waren kurze Zeit zusammen an der gleichen Tennisakademie. Meistens verlor ich damals gegen ihn. Er war halt schon damals sehr professionell. Ich erinnere mich beispielsweise, dass wir damals einen kroatischen Kollegen hatten. Der war immer hinter den Mädchen her, trug Sonnenbrille, schicke Kleider und besprühte sich mit Parfüm. Und Djokovic sagte zur gleichen Zeit: «Ich geh zum Stretching.» Jeder könne alle Mädchen der Welt haben, sagte er, aber um im Tennis erfolgreich zu sein, brauche es schon etwas mehr. Das hat ein damals 15-jähriger Junge gesagt …
Sie wurden nach Ernest Hemingway benannt. Haben Sie Bücher von ihm gelesen?
Leider nicht. Bezüglich Bücherempfehlungen traue ich nur zwei Menschen: meinem Vater und meiner Mutter. Sie will, dass ich Hemingway lese – und mein Vater gibt mir eher moderne Bücher. Ich habe einiges von Fjodor Dostojewski gelesen.
Warum heissen Sie eigentlich nicht Ernest, sondern Ernests, mit einem «S» am Schluss?
Das ist eine grammatikalische Frage. In Lettland enden alle Männernamen mit «s», alle Frauennahmen mit «a» oder «e».