Wendy Holdener schafft es in Kühtai (Ö) nach einem starken zweiten Lauf aufs Podest und wird verdient Dritte. Der Jungstar aus dem Kanton Schwyz ist erleichtert, dennoch lastet der Erwartungsdruck der Öffentlichkeit weiterhin auf ihr.
Dafür, dass Kühtai kurzfristig als Weltcup-Ersatzort (für Semmering) dienen musste und in der 2000 Meter hoch gelegenen Tourismushochburg in Tirol offiziell nur acht (!) Einwohner gemeldet sind, war ordentlich etwas los an den vergangenen beiden Renntagen.
Knapp 10’000 Skifans trotzten Schnee, Nebel und Wind und obwohl die Skiläuferinnen alle in Innsbruck wohnen und deshalb täglich eine Stunde zur Piste pendeln mussten, erntete die Weltcup-Premiere in Kühtai von allen Seiten nur Lob.
Das Siegerfoto vom Slalom passte da perfekt ins Bild. Mit Mikaela Shiffrin, Sarka Strachova und Wendy Holdener waren drei Damen auf dem Stockerl zu sehen, die alle eine besondere Geschichte erzählen können. Vom harten Los, ein Jungstar zu sein; oder vom schwierigen Weg nach einer Erkrankung zurück an die Weltspitze; oder auch von den Problemen mit der übertriebenen Erwartungshaltung der Öffentlichkeit.
Sarka Strachova aus Tschechien, Mikaela Shiffrin aus den USA und die Schweizerin Wendy Holdener (von links) freuen sich über ihre Podestplätze. (Bild: Reuters/LEONHARD FOEGER)
Mikaela Shiffrin etwa wirkte nach ihrem souveränen Erfolg mit zweimaliger Laufbestzeit vor allem nur erleichtert. Die 19-Jährige US-Amerikanerin, als amtierende Weltmeisterin, Olympiasiegerin und Besitzerin der kleinen Weltcup-Kristallkugel die Miss Slalom schlechthin, hatte in diesem Winter in ihrer Paradedisziplin zuvor noch nicht gewinnen können und sich zum ersten Mal in ihrer erfolgreichen Karriere mit Gegenwind und Kritik konfrontiert gesehen.
Das zusätzliche Training für den Super G hatte bei Shiffrin genauso ihre Spuren hinterlassen wie die vielen öffentlichen Auftritte und die Rolle als Werbestar für die kommende Heim-WM in Vail. Auch dank neuem Material – auf Drängen des Jungstars entwarf der Ausrüster für Shiffrin einen neuen Slalomski – war die 19-Jährige im Slalom in Kühtai fast schon wieder ganz die Alte. «Das hat endlich wieder Spass gemacht», gestand Shiffrin, «aber das ganze Selbstvertrauen ist noch nicht zurück.»
Weit beeindruckender als der elfte Weltcupsieg von Shiffrin (zehn davon im Slalom) war das Comeback von Sarka Strachova (2.). Dass die Tschechin überhaupt noch Skifahren kann, ist schon ein kleines medizinisches Wunder. Dass sie mittlerweile im Slalom sogar wieder zur Weltklasse zählt, hätte nicht einmal sie für möglich gehalten.
Im Jahr 2012 hatte der Slalomweltmeisterin von 2007 – damals noch unter dem Mädchennamen Zahrobska – in einer komplizierten Operation ein gutartiger Gehirntumor entfernt werden müssen, in Kühtai durfte Strachova über den ersten Podestplatz seit vier Jahren jubeln.
Wendy Holdener hat nicht so eine lange Durststrecke hinter sich. Bereits im Frühjahr 2013 war die 21-jährige Schweizerin in Ofterschwang (2.) schon einmal unter die Top drei gecarvt. Trotzdem konnte es ihr und der Öffentlichkeit nicht schnell genug gehen. Da hatte das Swiss Ski Team in Holdener endlich wieder einmal eine Läuferin, die auch im Slalom für Furore sorgen konnte, doch nach dem ersten Podestplatz in Ofterschwang sollte es – erwartungsgemäss – nicht in dieser rasanten
Tonart weiter gehen.
«Wendy Holdener hat alles, was man braucht.»
Vreni Schneider
Die Sportlerin vom SC Drusberg nützte die vergangene Saison, um sich in den Top Ten zu etablieren und näherte sich schrittweise der Weltspitze. Der dritte Rang nun in Kühtai ist nur der Beleg des stetigen Aufwärtstrends. «Mir ist ein riesiger Stein vom Herzen gefallen. Ich habe immer gewusst, dass ich es kann», sagte Holdener.
Die 21-Jährige gilt schon seit geraumer Zeit als grosses Versprechen für die Zukunft und als künftige Siegläuferin. Seit sie im Alter von 17 Jahren mit drei Goldmedaillen von der Junioren-Weltmeisterschaft nach Hause kam, wartet die Öffentlichkeit sehnsüchtig nach dem Durchbruch von Wendy Holdener im Weltcup.
Aber wie andere hochdekorierte Jungstars musste die Läuferin aus dem Kanton Schwyz erst lernen mit der hohen Erwartungshaltung und dem Druck im Weltcup
umzugehen. «Ich konnte meine Leistung nicht abrufen, was mich sehr deprimiert hat. Ich stand sehr unter Druck und habe verlernt, das Skifahren zu geniessen», erinnert sich Holdener. «Jetzt bin ich einfach nur glücklich.»
Und mit Wendy Holdener strahlte Vreni Schneider um die Wette. Die 50-jährige Schweizer Skilegende, mehrfache Weltmeisterin, Olympiasiegerin und Gewinnerin von 34 Weltcupslaloms, liess es sich nicht nehmen, in Kühtai ein Auge auf die heutige Slalom-Generation zu werfen. Der Erfolg von Holdener beeindruckte auch Schneider.
«Wie sie heute gefahren ist, das war fantastisch», sprach sie und erteilte der 21-Jährigen auch noch den Ritterschlag: «Wendy Holdener hat alles, was man braucht. Einen Willen, einen starken Kopf, und das wichtigste: Sie ist eine, die nie aufgibt.»
Die Rangliste
Kühtai (Ö). Weltcup-Slalom der Frauen: 1. Mikaela Shiffrin (USA) 1:43,39. 2. Sarka Strachova (Tsch) 0,80 zurück. 3. Wendy Holdener (Sz) 0,92. 4. Frida Hansdotter (Sd) 1,04. 5. Maria Pietilä-Holmner (Sd) 1,11. 6. Tina Maze (Sln) 1,24. 7. Nicole Hosp (Ö) 1,45. 8. Kathrin Zettel (Ö) 1,51. 9. Anna Swenn-Larsson (Sd) 1,80. 10. Michelle Gisin (Sz) 2,10. Ferner: 22. Denise Feierabend (Sz) 3,86. 26. Rahel Kopp (Sz) 5,57.