Das Thema Spitzeneishockey in Basel ist am 7. Juli offiziell zu Ende gegangen, der Konkurs wurde über der EHC Basel AG eröffnet. Das Projekt, den EHC mit Hilfe der St.-Jakob-Arena an die Spitze zu bringen, war von Anfang an eine Totgeburt. Was bleibt, ist eine Juniorenabteilung, die aus der Konkursmasse gekauft werden muss. Und ein Neuanfang an der Basis.
Natürlich ist es einfach, jetzt hinzustehen und zu sagen: Das konnte einfach nicht funktionieren. Aber höchstwahrscheinlich ist es schlicht die Wahrheit: Der EHC Basel im Spitzeneishockey, das konnte nicht gut gehen. Nicht auf diese Art und Weise.
Und das hat nicht bloss damit zu tun, dass Basel keine Eishockeystadt ist. Sondern damit, auf welcher Basis aus dem EHC Basel Kleinhüningen, wie die erste Mannschaft von 1990 bis 2003 hiess, ein Spitzenteam hätte geformt werden sollen. Böse gesagt: Es war gar keine Basis da.
Von einem «Retortenteam, das nach dem Stadionneubau aus dem Boden gestampft wurde», spricht Hans-Peter Gerber im Rückblick. Gerber sitzt im Verwaltungsrat der EHC Basel AG, die am Montag bekannt geben musste, dass sie ihre Bilanz deponiert hat. Er ist auch Präsident des Stammvereins EHC Basel Kleinhüningen, der heute noch in der dritthöchsten Liga spielt. Gerber liebt das Eishockey. Gerber sagt: «Die Sharks sind nie zum Fliegen gekommen.»
Drachen, Basilisken, Haie
Nur schon die Namen! Aus dem einst stolzen EHC Basel war 1989 der EHC Basel Kleinhüningen geworden, da nur eine Fusion den insolventen EHC retten konnte. Doch was zusammenwachsen sollte, wurde nie zur Einheit. Was auch am Namen abzulesen war. Erst kam ein Genie auf die Idee, den Club in EHC Basel Kleinhüningen Dragons umzubenennen. Wobei auf dem Dress kein Drache war. Sondern ein Basilisk.
2003, der EHC war eben in die höchste Liga aufgestiegen, wurde nicht nur der Drache entsorgt, auch Kleinhüningen verschwand aus dem Teamnamen. So, wie das viele Kleinhüninger schon vor der Fusion befürchtet hatten. Was gegen aussen hin Sinn machen mochte, erzürnte viele Clubmitglieder. Und als die Basler 2009 nach dem definitiven Abstieg in die zweite Spielklasse plötzlich als EHC Basel Sharks über das Eis kurvten, wandte sich der grosse Teil jenes harten Kerns von Anhängern ab, die in den 1990er-Jahren noch in der dritthöchsten Liga auf der Kunsteisbahn Margarethen für Stimmung gesorgt hatten.
Zu lange hatte sich der EHC mit jedem Schritt, den er sportlich nach oben machte, auch von seiner Basis verabschiedet. Die erste Mannschaft in eine Aktiengesellschaft ausgelagert, der Stammclub nur noch als lästiges Anhängsel. Zwischenzeitlich herrschte zwischen der EHC Basel AG und dem EHC Basel Kleinhüningen eine schon fast feindliche Stimmung. Die einen fühlten sich auf die anderen nicht angewiesen. Und die reagierten mit Liebesentzug und schmollten.
Den Boden unter den Füssen verloren
Fast wirkt die Geschichte des EHC so, wie jene des Coyoten, der im Zeichentrickfilm mit Vollgas über die Klippe rennt, ohne zu merken, dass er keinen Boden mehr unter den Füssen hat. Und dann beim Blick nach unten rasant abstürzt.
Seit 2002 spielten die Basler in der St.-Jakob-Arena, für 25 Millionen Franken gebaut. Viel Geld floss aus öffentlichen Kassen: 8,2 Millionen aus den Sport-Toto-Geldern der Kantone Basel-Stadt und Baselland, 4,5 Millionen kam von den Industriellen Werken Basel. Ein waghalsiges Projekt angesichts der Tatsache, dass der EHC zum Zeitpunkt des Baus noch in der zweithöchsten Spielklasse unterwegs war.
Das Vorbild der damaligen Strategie war recht einfach auszumachen: Es befand sich bloss ein paar Steinwürfe entfernt im St.-Jakob-Park. War nicht auch beim FC Basel der Bau eines neuen Stadions der Anfang einer goldenen Zukunft gewesen? Und hatte nicht auch der EHC seine Gigi Oeri gefunden? Rudolf Maag war der Mann, der erst als geheimnisvoller «Investor» im Hintergrund als Hauptaktionär tätig war. Und später dann auch offiziell als Gönner.
Doch der EHC baute mit Maags Geld nichts auf. Er nahm es und verbrannte die Millionen, ohne sie nachhaltig zu investieren. Oben die teure Mannschaft in der höchsten Schweizer Liga, in der sich die Ausländer die Klinke in die Hand gaben.
Merkwürdige Verträge
Und unten? Nichts. Es war, als ob jemand versucht hätte, den Hauptast einer hundertjährgen Eiche einer dreijährige Birke aufzupropfen: ein hoffnungsloses Unterfangen.
Zugleich sorgte ein kompliziertes Vertragskonstrukt zwischen dem EHC, der Genossenschaft St. Jakob Arena als Halleneigentümerin und der Stadionbetreiberin Basel United dafür, dass mögliche Einnahmen aus den Heimspielen irgendwo landeten. Bloss nicht in den Kassen des EHC.
Als er das Ruder beim EHC übernommen habe, habe es einen Mietvertrag für die Arena gegeben, «den man nur mit einem Uni-Abschluss verstehen konnte, der mir leider fehlt», sagte Matthias Preiswerk mit deutlichem Zynismus, als er am Montag das Ende des EHC verkünden musste. Preiswerk war 2008 als Präsident und Geldgeber eingesprungen, als sich Maag nach einer debakulösen Saison und dem Abstieg aus der National League A vom Eishockey zurückgezogen hatte.
«Alle haben sich bedient»
Als Preiswerk erstmals vollen Einblick in die Bücher des EHC hatte, traute er seinen Augen kaum. Direkte Anschuldigungen waren von ihm nie zu hören. Aber es muss bei seinem Amtsantritt einige Ungereimtheiten gegeben haben.
Am 23. Juni, bei seiner letzten Pressekonferenz als EHC-Verwaltungsratspräsident, stellte der Privatbanquier nach einem Rechnungsbeispiel zu den Catering-Einnahmen, die dem EHC dank schlechter Verträge entgangen seien, mit einer gewissen Bitterkeit fest: «Da haben sich alle erst bedient, haben aber dabei natürlich immer nur für den EHC gearbeitet.»
Jahr für Jahr deckten Preiswerk und seine Verwaltungsratskollegen ein Defizit von rund 1,4 Millionen Franken mit dem eigenen Geld. Und weil die Sponsoren des Clubs ebenfalls praktisch ausnahmslos Mitglieder des Verwaltungsrats waren, sagt Hans-Peter Gerber: «In den sechs Jahren seit dem Abstieg haben wir 30 Millionen Franken in den EHC gesteckt.»
Damit war in diesem Jahr nun Schluss. Das Defizit von 2013 mochte der Verwaltungsrat nicht mehr aus der eigenen Tasche bezahlen, weil keine Aussicht auf Besserung bestand. Der letzte Griff nach einem Strohhalm wäre der Kauf der St.-Jakob-Arena durch «dem EHC nahe stehende Personen», sprich: Matthias Preiswerk, gewesen. Doch dazu mochte die Basler Regierung keine Hand bieten.
Kein rettender Engel
Damit ist das Spitzeneishockey am 7. Juli offiziell zu Grabe getragen worden. Wie Matthias Häuptli, stellvertretender Leiter des Basler Betreibungs- und Konkursamts, der «bz Basel» erklärte, sei am Montagmorgen kein Antrag zur Fristverlängerung eingegangen. Damit wurde der Konkurs über der EHC Basel AG eröffnet.
Es ist eine Ironie der Geschichte, zu welchem Zeitpunkt das Ende den EHC ereilt. Unter Preiswerk nämlich hatte der EHC damit begonnen, auch in die Basis zu investieren. Die Nachwuchsarbeit der Young Sharks wurde zuletzt schweizweit ernst genommen. Und nach hartem Kampf gelang es Hans-Peter Gerber, die Nachwuchsabteilungen der EHC Basel AG und des EHC Basel Kleinhüningen zu vereinen.
Auf die neue Saison hin hätten nun erstmals die Früchte der Arbeit im Junioren-Eishockey geerntet werden sollen. Gleich vier junge Spieler aus dem eigenen Talentpool hatten Aufnahme in jene Mannschaft gefunden, die es nun nicht mehr gibt.
Jetzt befindet sich auch die Nachwuchsorganisation der Young Sharks in der Konkursmasse. Das muss allerdings nicht das Ende des Nachwuchs-Spitzeneishockeys in der Region bedeuten. Geschäftsführer Daniel Baur sagt, die Junioren seien nicht überschuldet: «Wir arbeiten weiter, die Trainer erhalten weiterhin die Löhne.»
Ein Neuanfang, ganz nah an der Basis
Und Gerber geht davon aus, dass es jemandem gelingen wird, die Young Sharks aus der Konkursmasse herauszulösen und weiter am Laufen zu halten. Die Kosten sollen laut Gerber dabei kein unüberwindbares Hindernis sein, obwohl der Nachwuchs zuletzt im Jahr 600’000 Franken gekostet hat. «Die Young Sharks haben sich selbst finanziert», sagt Gerber. Und er erzählt davon, wie er nach der Konkursankündigung der EHC Basel AG plötzlich von Leuten Unterstützung angeboten bekomme, die ihm noch die Tür gewiesen hatten, wenn er bei ihnen als Vertreter der AG um Unterstützung für das NLB-Team anfragte.
Gerber wirkt nicht wie jemand, der soeben das Ende einer Geschichte erlebt hat. Viel eher sieht er die Chancen für einen Anfang. Einen Neuanfang. «Am schönsten wäre es, wenn wir den Nachwuchs wieder mit dem Club vereinen könnten», sagt er, «und dann bauen wir etwas auf. Hier, an der Basis. Eine Basler Mannschaft mit eigenen Junioren.»
Es wirkt in diesem Moment nicht so, als ob der EHC Basel Kleinhüningen eine goldene Zukunft vor sich hätte. Aber eine Zukunft, immerhin.