«Es war cool» – das Premier-League-Debüt des Jürgen Klopp

Am Wochenende startete Jürgen Klopp in sein Abenteuer mit dem FC Liverpool. Nach dem 0:0 gegen Tottenham tut der Verein und die Anhängerschaft gut daran, den Hype um Klopps Person zu beenden und die Probleme der Mannschaft wieder in den Vordergrund zu rücken.

Liverpool manager Juergen Klopp talks to players during the English Premier League soccer match between Tottenham Hotspur and Liverpool at the White Hart Lane, London, England, Saturday, Oct. 17, 2015. (AP Photo/Rui Vieira)

(Bild: Keystone/RUI VIEIRA)

Am Wochenende startete Jürgen Klopp in sein Abenteuer mit dem FC Liverpool. Nach dem 0:0 gegen Tottenham tut der Verein und die Anhängerschaft gut daran, den Hype um Klopps Person zu beenden und die Probleme der Mannschaft wieder in den Vordergrund zu rücken.

Im Anschluss an Premier-League-Spiele werden Trainer aus Tradition separat vor die Mikrofone gebeten. Umso überraschter war Tottenhams Übungsleiter Mauricio Pochettino, dass er nach dem gänzlich von Jürgen Klopps Liverpool-Debüt überstrahlten 0:0 auch noch die Bühne im Pressezimmer der White Hart Lane mit dem Deutschen teilen musste.

Zahlreiche Reporter verfolgten mit dem Rücken zum Podium gebannt Klopps erstes post-match-Fernsehinterview, als Pochettino den Raum betrat. Der Argentinier fand das zunächst lustig («Na, da wollen wir mal zuhören, was er sagt»), zog sich kurz danach aber leicht pikiert in ein Nebenzimmer zurück. Gegen die geballte Medienpräsenz des Schwaben war an diesem Samstag einfach nichts auszurichten.

Pressing ist doch ein alter Hut

Tagelang hatten Zeitungen und Sport-Fernsehen auf der Insel die Klopp’sche Biografie nach Indizien für eine erfolgreiche Wiederaufbauarbeit an der Mersey durchforstet. Bei vielen Nicht-Liverpoolern entlud sich daraufhin ein gewisser Überdruss in Zynismus.

«Schade, dass (der übertragende Sender) BT Sport seine Klopp-Dokumentation mit Live-Bildern eines Fussballs unterbrechen muss», bemerkte ein Zuschauer spitz via Twitter. Und auch Experten wie der ehemalige Spurs-Trainer Harry Redknapp und Steve McManaman, von 1990 bis 1999 bei Liverpool aktiv, weigerten sich, Klopps Markenzeichen-Taktik des Gegenpressings als neue, verheissungsvolle Lehre zu bewundern.



Liverpool manager Juergen Klopp gestures during the English Premier League soccer match between Tottenham Hotspur and Liverpool at the White Hart Lane, London, England, Saturday, Oct. 17, 2015. (AP Photo/Rui Vieira)

Die Herzen der Fans hat Jürgen Klopp bereits gewonnen – ein Spiel noch nicht. (Bild: Keystone/RUI VIEIRA)

«Natürlich rennt man von Anfang an viel, das ist hier schliesslich der FC Liverpool», sagte McManaman über den überfallartigen Auftakt der Gäste in den ersten zwanzig Minuten. Pressing sei doch ein alter Hut, zuckte Redknapp müde mit den die Schultern.

Die jagende, nervende 100-km/h-Maschine

Redknapps Einschätzung mag grundsätzlich stimmen. Doch eine beschleunigende Wirkung des Trainerwechsels auf das Spiel der Reds liess sich schwerlich absprechen.

Brendan Rodgers’ behäbige, auf Querpass-Fussball geeichte Truppe wirkte in Nord-London wie verwandelt. «Eine jagende, nervende 100-km/h-Maschine» (Sunday Times) setzte den individuell besser besetzten Gastgebern in der Anfangsphase enorm zu. «Übermotiviert», fand Pochettino, 43, gar den rasenden Dauerdruck des Gegners zu Beginn.

Divock Origi, der 20-Jährige Belgier, der in der Sturmmitte den kurzfristig wegen einer Knieverletzung unpässlichen Nationalspieler Daniel Sturridge ersetzen musste, setzte in seinem ersten Ligaspiel einen Kopfball an die Latte des Tottenham-Tores. Näher an einen Treffer kam Klopps von vielen Verletzungen geplagte Mannschaft in den folgenden 80 Minuten allerdings nicht mehr; man habe vor dem gegnerischen Strafraum «mit zu hohem Puls, zu hektisch» agiert, grämte sich Klopp.

«Wir sind nicht hier, um Spass zu haben»

Neben der Ruhe hatte auch die Qualität gefehlt. Allein der Brasilianer Philippe Coutinho hatte ein wenig Flair am Ball verbreitet; «viel Perspiration, wenig Inspiration», fasste der Sunday Telegraph (kursiv) Liverpools Bemühungen zusammen. 

«Wir sind nicht hier, um Spass zu haben», sagte Klopp später trotzdem recht zufrieden. Sein erstes Ziel war und ist es, seine Elf widerstandsfähiger zu machen.



Liverpool manager Juergen Klopp applauds fans after the English Premier League soccer match between Tottenham Hotspur and Liverpool at the White Hart Lane, London, England, Saturday, Oct. 17, 2015. (AP Photo/Rui Vieira)

Zufrieden mit dem ersten Schritt, doch Erfolg bedeutet in Liverpool etwas anderes als torlose Unentschieden. (Bild: Keystone/RUI VIEIRA)

Mit Hilfe des enormen Aufwands – Liverpool war der erste Gegner Tottenhams, der in der laufenden Saison mehr als die Lilienweissen lief – und einigen spektakulären Paraden von Keeper Simon Mignolet blieb man seit dem 24. August (0:0 beim FC Arsenal) zum ersten Mal ohne Gegentor. So richtig Spass hatten dabei wohl jedoch die wenigsten gehabt.

Grösster Hype um einen Trainer seit José Mourinho

Da auch Pochettino die aggressive Vorwärtsverteidigung gegen den Ball predigt, hatte sich das Geschehen nach dem Seitenwechsel in einem Mittelfeld-Geplänkel ohne entscheidende Vorstösse in gefährliche Gebiete erschöpft. Beide Vereine hecheln so weiter den Champions-League-Plätzen hinterher.

«Es war cool», lautete am Ende Klopps Fazit einer Partie, die zwangsläufig nicht mit dem öffentlichen Hype um seine Person hatte mithalten können. Seit José Mourinhos Ankunft beim FC Chelsea vor elf Jahren hatte man in England dem ersten Einsatz eines Übungsleiters nicht mehr derart stark entgegen gefiebert.

Für den selbsterklärten «Normal One» ist es auf Sicht wahrscheinlich besser, dass nach der Nullnummer in der Hauptstadt wieder die Defizite der Mannschaft in den Fokus rücken, und mit ihnen die Schwere seiner Aufgabe. «Ich hoffe, dass sich alle beruhigen», sagte Klopp.

Die Herzen der Fans gewonnen – ein Spiel noch nicht

Im Rest des Landes wird das mit Sicherheit geschehen, in Liverpool selbst aber fiebert man natürlich schon wieder dem nächsten, noch grösseren Debüt entgegen – dem ersten Heimspiel, am Donnerstagabend gegen Rubin Kasan in der Europa League. «Mein Held, mein Kumpel», proklamierte eines der vielen Klopp-Banner in der Gästekurve auf Deutsch am Samstag.

Die Herzen der Anhängerschaft hat er bereits gewonnen, wenn auch noch nicht ein Spiel.

Liverpool manager Juergen Klopp, left, smiles with assistant manager Zeljko Buvac before the English Premier League soccer match between Tottenham Hotspur and Liverpool at the White Hart Lane, London, England, Saturday, Oct. 17, 2015. (AP Photo/Rui Vieira)

Das zufriedene Lachen vor dem Spiel: Jürgen Klopp (links) mit seinem Assistenten Zeljko Buvac. (Bild: Keystone/RUI VIEIRA)

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