Es kann auch Held werden, wer für einmal nicht in jeder Szene über alle Zweifel erhaben schien. Sommer und die Elfmeter – gibt es ein schöneres Liebespaar in diesem verregneten Frühling? Die Einzelkritiken zum Basler Sieg im Penaltyschiessen gegen Tottenham Hotspur.
Yann Sommer | 5
Beim 0:1 und beim 2:2 sah es jeweils so aus, als ob der Sommer für einmal ins Wasser fallen könnte. Tat er aber nicht. Sommer und Elfmeter, das ist inzwischen ja so eine innige Beziehung wie Siegfried und Roy, wie Kliby und Caroline, wie Rafael van der Vaart und Sabi Boulahrouz: die zwei gehören einfach zusammen. Im Penaltyschiessen war es darum mal wieder richtig Sommer. Vielleicht war es auch nicht die beste Idee von Tottenham-Trainer Andre Villas-Boas, mit Tom Huddlestone ausgerechnet einen Engländer den ersten Elfmeter schiessen zu lassen. Aber egal. Sommer, möchten wir mit Herbert Zimmermann schreien, Sommer, du bist ein Teufelskerl! Sommer, du bist ein Fussballgott!
Philipp Degen | 5
Durfte ein Spiel ganz nach seinem Gusto spielen. Hoch – und runter. Hoch – und runter. Hoch – und … Sie verstehen. Bewegte, wenn er mal im Vorwärtsgang übersehen wurde, seine Hände im ähnlichen Rhythmus. Hoch und runter. Hätte in der 64. Minute sogar ein Tor schiessen können, liess das aber aus. Verrichtete seine Defensivabeit mit mehr Präzision und vor allem so viel Hingabe, wie man es dem einst so ungestümen Offensivverteidiger in seinen jungen Jahren nie gegeben hätte.
Fabian Schär | 5
Gibt die Gelegenheit, an dieser Stelle wieder einmal Goethes Fischer zu zitieren. «Kühl bis ans Herz hinan» sah er nicht nach der Angel sondern verwandelte im Elfmeterschiessen den ersten Basler Schuss. Liess diese Kühle jeweils dann vermissen, wenn er im Spiel mit dem Ball am Fuss über die Mittellinie preschte und die Kugel aus irgendeinem Grund einfach nicht auf den frei stehenden Salah abspielen wollte. Hatte beim 2:1 den Kopf am Ball und zwang Tottenham-Goalie Friedel zum Abklatscher, der Dragovic vor den Fuss fallen sollte.
Aleksandar Dragovic | 5,5
Bewies nach gefühlt 100 perfekten Spielen in Serie, dass er tatsächlich nicht nur dann Fehler machen kann, wenn ihn der Hinterkopf eines durchschnittlichen Schweizer Verteidigungsministers oder eine gewonnene Wette verführen. Wollte vor dem 0:1 mit einer sowohl dem regnerischen Wetter als auch dem britischen Gegner entsprechenden Grätsche klären, rutschte aber ins Leere. Traf als Ausgleich nicht zum Ausgleich sondern zum 2:1, als er von Friedel praktisch zum Tor gezwungen wurde. War danach «on fire», wie der Angelsachse zu sagen pflegt und hätte gut und gerne auch noch das 3:1 erzielen können.
Joo-Ho Park | 5
Schien einen südkoreanischen Tiger im Tank zu haben, den jedes Basler Vitaminpillen-Unternehmen gerne als Blockbuster im Sortiment hätte. Begann erst dann so richtig mit seinen offensiven Flügelläufen, als jeder andere schon das Sauerstoffzelt bestellt hätte. Konnte nach dem Spiel das 2:2 durch Dempsey sicher am besten beschreiben. War nah am Ort des Geschehens, ohne wirklich einzugreifen.
Fabian Frei | 5,5
Jener Basler Zentrumsspieler, der von Beginn weg weder schlich (siehe -> Elneny), noch Probleme hatte mit der Streuung seiner Pässe (siehe -> Serey Die). Spielte wieder als Sechser vor der Abwehr und scheint dort ein kuscheliges Plätzchen gefunden zu haben, auf dem er sich so richtig wohl fühlt. Bewies im Penaltyschiessen: Auf Fabians aus der Ostschweiz ist aus elf Metern verlass (siehe -> Schär).
Mohamed Elneny | 5,5
Ein Schleicher vor dem Herrn. Wandelt auf leisen Sohlen durch das Mittelfeld, hält sich zu Spielbeginn meist freundlich zurück, um sich die Übersicht zu verschaffen und ist dann plötzlich da. Ist da, um den Ball vor dem 1:1 abzufangen. Ist da, um ab der zweiten Halbzeit das Spiel in die Füsse zu nehmen, um Zweikämpfe zu gewinnen, die bei ihm gar nicht wie Zweikämpfe aussehen. Sondern wie ein cleverer Spieler, der einem nicht so cleveren einfach den Ball wegnimmt. Wäre beinahe auch noch da gewesen, um das Spiel in der Verlängerung zu entscheiden. Sah aber seinen Weitschuss vom Pfosten ins Aus prallen. Blieb als fünfter Basler Penalty-Schütze überzählig.
Geoffroy Serey Die | 4,5
Hatte wie an der White Hart Lane so seine liebe Mühe, ins Spiel zu kommen. Fand mit seinen Pässen nicht die richtigen Abnehmer – und wird so in England weniger wegen seines sonst so dominanten Spiels als viel mehr wegen seines für Angelsachsen offenbar spektakulären Namens in Erinnerung bleiben. Wurde noch vor Ablauf einer Stunde gegen Diaz ausgewechselt, als er sich gerade eine Verwarnung eingehandelt hatte.
Mohamed Salah | 6
Würde, ginge es nach der britischen Twitter-Gemeinde, im Sommer zu Arsenal, Liverpool, Manchester City, Hartlepool, Barnsley, Ipswich, Ebbsfleet United oder … Tottenham wechseln. Scheint irgendwann zwischen Hin- und Rückspiel entdeckt zu haben, dass Tore auch zählen, wenn sich der Ball praktisch überhaupt nicht in der Luft befindet. Schoss so das 1:1 per Spitzkick, nahm den Baslern einen Grossteil der Anfangsnervosität ab und wurde ganz nebenbei der erste Ägypter überhaupt, der in einem K.o.-Spiel des Europacups ein Tor erzielt hat.
Marco Streller | 5
Brach den Angriffswillen der Spurs mit einem Schmetterantritt in der 90. Minute, der vielleicht sogar ihn überraschte, ganz sicher aber Gegenspieler Jan Vertonghen, der sich nur noch mit einer Notbremse zu helfen wusste. Sicherte den Baslern so eine Verlängerung, in der sie dauernd am Drücker waren. Liess beim Elfmeterschiessen Schär den Vortritt beim ersten Basler Schuss, verwandelte danach aber selbst, wie es einem Captain gebührt.
Valentin Stocker | 4,5
Würde, ginge es nach der britischen Twitter-Gemeinde, im Sommer zu Arsenal, Liverpool, Manchester City, Hartlepool, Barnsley, Ipswich, Ebbsfleet United oder … Tottenham wechseln. Diesmal allerdings nicht so überragend wie in London, weswegen Ipswich möglicherweise wieder von der Liste gestrichen werden muss. Wäre vielleicht in der Verlängerung noch für eine Offensivaktion gut gewesen, wurde aber bereits in Minute 70 gegen Steinhöfer ausgewechselt.
Marcelo Diaz | 5
Hatte um drei Uhr Nachmittag bereits per Twitter für seine chilenische Fangemeinde verkündet, dass er leider nur auf der Bank Platz nehmen werde. Kam dann nach einer Stunde für Serey Die und musste sich erst einmal kurz auf dem Spielfeld orientieren, wurde danach aber immer besser (siehe -> Elneny) und war am Ende auch ein Held, weil er den entscheidenden Elfmeter aber so was von abgebrüht versenkte.
Markus Steinhöfer | 5
Kam etwas unerwartet in der 70. Minute für Stocker ins Spiel. Liess sich seine Überraschung aber nicht anmerken und spielte seinen Part auf den Flügeln ordentlich, mit ein paar gefährlichen Flanken. Unterliess es erstmals, in einem entscheidenden Heimspiel gegen ein Team aus der Premier League den Ball an die Latte des eigenen Tores zu dreschen.
Alex Frei | –
Der grosse, alternde Torjäger hätte in seinem zweitletzten Spiel für den FCB beinahe die Geschichte des Abends geschrieben. Hätte für das 3:2 sicher noch einen Nachwuchstrainer plus einen U21-Spieler mit nach Luzern nehmen dürfen, vergab aber drei Minuten vor Ende der Nachspielzeit aus bester Position. Schien in der 111. Minute für Salah gekommen zu sein, um im Penaltyschiessen zu glänzen, stand dann aber gar nicht unter den fünf auserkorenen Schützen. Zu kurz im Einsatz, um benotet zu werden.
Artikelgeschichte
Ja du liebe Zeit – da stand doch tatsächlich in der ersten Ausgabe Goethe mit Ö geschrieben. Also Göthe. Ich möchte mich beim im Grab rotierenden Freiherrn entschuldigen und danke Oliver Gut von der BaZ, dass er mich auf den Fehler aufmerksam gemacht hat.