«Es wird ein Duell auf Augenhöhe»

Anders als vor vier Jahren in Südafrika wollen die Schweizer an der WM in Brasilien einen guten Start verwerten ­gegen Frankreich. Trainer Hitzfeld ist jedenfalls überzeugt: «Wir verdienen uns den Respekt der Franzosen.»

Erwartet von jedem in seinem Team eine Steigerung: Ottmar Hitzfeld mit seinem Team. Nicht in der Startformation wird wohl Valentin Stocker sein (zen.). Der FCB-Spieler hat ein schlechtes erstes Spiel gemacht. (Bild: DAVID VINCENT)

Anders als vor vier Jahren in Südafrika wollen die Schweizer an der WM in Brasilien einen guten Start verwerten ­gegen Frankreich. Trainer Hitzfeld ist jedenfalls überzeugt: «Wir verdienen uns den Respekt der Franzosen.»

Der Idealfall wäre dieser: Die Schweiz lässt dem 2:1 gegen Ecuador in Salvador de Bahia einen Sieg gegen Frankreich folgen und zwei Stunden später gewinnt Honduras gegen Ecuador nicht. Dann wäre die Schweiz schon in den Achtelfinals.

Ein sehr vorteilhaftes Ergebnis wäre aber auch schon ein Unentschieden, dann würde der Schweiz gegen Honduras ein weiterer Punkt reichen – anders als vor vier Jahren nach der Niederlage gegen Chile.

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Es gibt allerdings auch das Szenario, das einen erst recht an Südafrika 2010 erinnert: Dass die Schweiz heute verliert und dann zu einem Sieg gegen Honduras gezwungen wird, möglicherweise mit mehr als einem Tor Differenz. Aber diesmal soll die Chance nach einem Startsieg unbedingt genutzt werden.

Klar ist, dass die Position gut ist, für die Schweizer insofern noch etwas besser als für die Franzosen, als sie mit Ecuador den nominell stärkeren der beiden Gegner aus Lateinamerika geschlagen haben. Im weiteren erinnert die Ausgangslage an die letzten Partien gegen die Franzosen aus den Jahren 2005 und 2006. Auch damals waren «Les Bleus» zumindest gefühlt der Favorit, aber die Schweizer hielten ihnen stand und holten einen Punkt. Die Schweizer müssten auch diesmal absolut in der Lage sein, mitzuhalten. Die Rolle des leisen Aussenseiters ist ihnen ja sehr angenehm.

Bedingung für eine gediegene Fortsetzung des Turniers ist allerdings eine über 90 Minuten bessere Leistung als gegen Ecuador. Was damals in der zweiten Halbzeit geboten wurde, müsste diesmal ein Minimum sein. Dagegen kann so gut wie ausgeschlossen werden, dass das Niveau der ersten 45, vor allem der ersten 30 Minuten vom Sonntag gegen Franzosen reichen könnte. Es darf aber davon ausgegangen werden, dass die Mannschaftsleistung besser sein wird, jetzt, da die nominell wichtigste Aufgabe gelöst wurde.

Stocker nicht in der Startformation

Die Steigerungsmöglichkeiten oder – in Ottmar Hitzfelds Worten ­ «Luft nach oben» sind eher individuell als kollektiv. Vor allem Stephan Lichtsteiner, Valon Behrami (abgesehen von seiner letzten halben Minute) oder Xherdan Shaqiri spielen in aller Regel besser als am Sonntag, dazu ist von Admir Mehmedi eine bessere Leistung zu erwarten als sie Valentin Stocker bei seinem WM­-Debüt bot. Es haben am Sonntag eigentlich nur Diego Benaglio, Steve von Bergen und – vor allem – Ricardo Rodriguez auf bestem Niveau gespielt.



Switzerland's Admir Mehmedi throws a ball during a training session of the Swiss national soccer team in the Arena Fonte Nova in Salvador, Brazil, Thursday, June 19, 2014, one day prior to the group E premiminary round match against France. (KEYSTONE/Pete

Hat den Moment auf seiner Seite: Admir Mehmedi dürfte für Valentin Stocker ins Team rücken, alles andere wäre eine Überraschung. (Bild: PETER KLAUNZER)

Dass Mehmedi der neue elfte Mann sein wird, ist sicher. Hitzfeld wollte sich zwar auch am Vorabend noch nicht in die Karten blicken lassen und sagte: «Ich kann aus dem Vollen schöpfen, ich habe viele Varianten. Aber ich werde mich erst am Spieltag entscheiden.» Wie zu hören ist, hat der Trainer Stocker allerdings schon zu Beginn der Woche gesagt, er werde ihn diesmal nicht in die Startelf nehmen… Alles andere wäre auch nicht nachvollziehbar.

«Diese letzten 30 Sekunden waren ein unglaubliches Erfolgserlebnis für uns.»

Ottmar Hitzfeld

Im Schweizer Camp gilt ja die allgemeine Meinung, die schlechte Startphase gegen Ecuador nicht vergessen zu haben und zu wissen, damit nicht weiterzukommen. Aber auch, dass der von Behrami initiierte Coup der letzten halben Minute ein

Befreiungsakt gewesen sei, der nur förderlich sein könne. Oder wie es Captain Gökhan Inler noch gestern formulierte: «Nach dem ersten Spiel sind wir jetzt schon etwas lockerer drauf.» Oder Hitzfeld: «Diese letzten 30 Sekunden waren ein unglaubliches Erfolgserlebnis für uns. Ich bin überzeugt, dass wir danach befreiter aufspielen können, nachdem wir am Sonntag anfangs doch etwas nervös waren.»

Zuletzt gab es nur Unentschieden gegen die Franzosen

Die letzten drei unentschiedenen Pflichtspiele gegen die Franzosen waren allesamt zähe, hart umkämpfte Partien mit wenigen Torchancen und kaum Toren, von viel mehr Spannung und taktischem Wert als spektakulär. Wäre es heute wieder so, dürften die Schweizer von einem Erfolg sprechen. Sie müssen, das ist die erste Vorgabe für ein nützliches Resultat, vor allem gut verteidigen, um einen Rückstand zu vermeiden. Sie müssen den zähen Kampf überall aufnehmen, überall «unangenehm» sein.

Hitzfeld sieht seine Mannschaft zwar nicht als Favorit, wiewohl sie in der Weltrangliste deutlich besser klassiert ist, aber auch keinesfalls als Aussenseiter:

«Wir verdienen uns den Respekt der Franzosen mit unseren guten Resultaten. Sie kamen etwas später ins Rollen, spielten zuletzt aber wie eine Maschine und kassierten kaum noch Gegentore. Dem 3:0 im Playoff­-Rückspiel gegen die Ukraine folgte eine wahre Leistungsexplosion.»

Also schliesst Hitzfeld: «Es wird ein Duell auf Augenhöhe.»

Die jüngste Entwicklung der Franzosen, mit nicht weniger als 21 Toren in den letzten sechs Spielen, sieht Hitzfeld als Wirken ihres Trainers Didier Deschamps: «Er hat dieser Mannschaft seinen Willen aufgezwungen, wie er das schon als Spieler getan hat. Und dieser Geist ist jetzt die Stärke der Franzosen.»

Hitzfelds nächster Coup?

Köbi Kuhns Mannschaft war in der Qualifikation zur WM 2005 und danach in Deutschland – bis auf den Achtelfinal und sein Penaltyschiessen gegen die Ukraine – auf dem Höhepunkt ihres Wirkens. Für Ottmar Hitzfeld ist es die letzte Chance, «sein» Team zu einem Höhepunkt zu führen.



epa04267730 Switzerland's national soccer team  coach Ottmar Hitzfeld during a training session at the Arena Fonte Nova in Salvador, Brazil, 19 June 2014. Switzerland will face France in the FIFA World Cup 2014 group E preliminary round match in Salvador

Ottmar Hitzfeld könnte das Team zu einem letzten Coup führen, aber was lässt er sich für die Franzosen einfallen? (Bild: ALI HAIDER)

Und es ist in einer Beziehung höher einzustufen als jenes Kuhns: Es hat mehr Offensivkräfte von gehobener spielerischer Qualität. Vielleicht steht dann am Ende ein nächster Coup Hitzfelds – der erste Sieg der Schweiz überhaupt in einem Pflichtspiel gegen Frankreich, nach drei Unentschieden und einer Niederlage.

Die Spanier hatten auch einen Lauf

Der abtretende Trainer hat ja schon mit andern Serien gebrochen: Er hat als erster überhaupt Spanien geschlagen und er hat als erster seit über einem halben Jahrhundert die Deutschen besiegt. Ein Sieg gegen die Franzosen wäre gar noch mehr wert, nämlich mit grösster Wahrscheinlichkeit einen Platz in den Achtelfinals.

Und dort als Gruppensieger nicht gegen Argentinien, sondern gegen den Gruppenzweiten, am ehesten Bosnien­Herzegowina.

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Das Spiel beginnt um 21 Uhr. Die TagesWoche tickert live. Mehr zur WM und der Schweizer Mannschaft in unserem Dossier. Einen aktuellen Vorbericht hat auch die Agentur geliefert. Mehr zu Frankreich: Nicht mehr die Equipe tricolore von 2010 /Deschamps hat alle Mann an Bord

 

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