Ex-Hasardeure, neu Erfundene und ein Ferrari

Die einen enden als König im Exil, andere spielen so gut, dass man sie kaum sieht. Die Spieler des FC Basel in der Saison-Einzelkritik.

The FC Basel team celebrate after winning the Swiss soccer championship, in Basel June 1, 2013. REUTERS/Arnd Wiegmann (SWITZERLAND - Tags: SPORT SOCCER) - RTX108M1 (Bild: Arnd Wiegmann/Reuters)

Die einen enden als König im Exil, andere spielen so gut, dass man sie kaum sieht. Die Spieler des FC Basel im Rückblick auf eine episch lange Saison.

Murat Yakin hatte sie dabei, für alle Fälle. «Aber», sagte der Trainer des FC Basel, «das ist ja das wunderbare an dieser Mannschaft: Dass ich die Peitsche gar nie auspacken musste, weil das Team so einen Drive hat.»

Dieser innere Antrieb, er hat die Basler in den Halbfinal der Europa League geführt und zum vierten Meistertitel in Serie. Trotzdem hatte der FCB mehr als eine heikle Phase zu überstehen, was sich in den recht tiefen Durchschnittsbewertungen der Spieler spiegelt, über die wir von der Tageswoche im ersten Augenblick selbst etwas erstaunt waren: Europacup-Halbfinal – und das Team kommt über die gesamte Saison gesehen bloss auf einen Notenschnitt von 4,2?

Vielleicht waren wir zu streng. Sie können es selbst überprüfen. Zu jedem Spieler finden Sie neben unserer Einschätzung zu seiner Leistung eine interaktive Formkurve samt seinen wichtigsten Leistungswerten. Schieben und ziehen Sie bei der Zeitauswahl das rote Feld, um in der Formurve den Zeitraum auszuwählen, der Sie besonders interessiert. Wenn Sie unten über die Punkte fahren, die unsere Noten darstellen, erhalten Sie Zusatzinformationen.

Vergleichen können Sie die Spieler anhand aller Kriterien auf unserer Saisonübersichtsseite rotblaulive.ch, auf der sie auch alle Tore und Gegentore des FCB der abgelaufenen Saison grafisch dargestellt finden.

Yann Sommer (24, Vertrag bis 2015)

Musste nicht nur angesichts der Wetterlage für unzählige Jahreszeiten-Wortspiele herhalten, die hier nicht wiederholt werden sollen. War aber wirklich auch in den kältesten FCB-Stunden ein wärmender Hort der Zuversicht. Egal, ob sein Team gerade in Cluj die Königsklasse verspielte oder in St. Petersburg das Quecksilber tief unten im Thermometer stecken blieb – Sommer hielt, was zu halten war. Und oft etwas mehr, besonders, wenn es um Penaltys ging. Überraschte bloss im Cupfinal alle und hielt nicht mal einen Elfmeter.

Joo Ho Park (26, Vertrag bis 2015)

Schoss tatsächlich sein erstes Tor für den FCB und versprach euphorisiert, bald würden mehr folgen. Wird in diesem Leben aber kein Torschütze oder Assistgeber am Fliessband mehr. Ist dazu zu sehr auf defensive Absicherung bedacht – was als Kernkompetenz eines Aussenverteidigers heutzutage fast nicht mehr ausreicht. Startete mit Mühe, schien unter Yakin gar den Platz im Team zu verlieren, wurde aber abrupt besser, als erst seine Mutter zu Besuch kam und er sich zur Vollendung des privaten Glücks ein Hündchen zutat.

Markus Steinhöfer (27, Vertrag läuft aus)

Dürfte in Szekesfehervar, neben Dnipropetrowsk der unbuchstabierbarste Ort, in den der FCB je gereist ist, einen inoffiziellen Weltrekord aufgestellt haben. Schlug gefühlte 2134 Flanken in, an und um den Strafraum, ohne all zu häufig einen Abnehmer zu finden. War Ende Saison mit sechs Assists trotzdem viertbester Vorbereiter seines Teams. Musste den Club etwas überraschend verlassen, obwohl er mit der Polyvalenz eines Schweizer Sackmessers aufwartete: Wurde offensiv links und defensiv rechts eingesetzt – oder umgekehrt.

Philipp Degen (30, Vertrag bis 2015)

Ist zwar noch immer der stürmische Aussenverteidiger junger Jahre. Aber nicht mehr der Hasardeur, aus seiner ersten Basler Profizeit, als er das defensive Gewissen bloss aus Erzählungen seiner Trainer kannte. In seinen Auslandsjahren gereift, auch wenn er in jedem dritten Spiel Gelb sieht. Wurde immer mal wieder von seinem Körper gebremst – aber weniger, als das mit seiner langen Vorgeschichte an Verletzungen befürchtet werden musste.

Kay Voser (26, Vertrag bis 2014)

Spielte zu Saisonbeginn ein paar Matches, verletzte sich dann, schien im Frühjahr den Basler Schnellzug verpasst zu haben, und spielte dann bei diesem Gala-Auftritt gegen Tottenham, als ob er täglich in Premier-League-Stadien spiele. Stets solide, offensiv noch etwas ungefährlicher als Park: 0 Tore, 0 Assists.

Aleksandar Dragovic (22, Vertrag bis 2015)

Muss alleine deswegen noch eine Saison bleiben, weil alle wunder nimmt, was da nach Verteidigungsminister-Tätscheln 2012 und Wett-Jubel-Platzverweis 2013 noch kommt. War nicht zufällig der FCB-Feldspieler mit den meisten Einsätzen (55) und überzeugte mit konstanten Leistungen. Hat, wenn er nicht gerade in Genf mit obszöner Geste den eigenen Co-Trainer meint und die Servette-Fans trifft, alles, was den modernen Verteidiger ausmacht: Schnelligkeit, Zweikampfhärte, gute Spielauslösung und inzwischen sogar so etwas wie einen Torriecher.

Fabian Schär (21, Vertrag bis 2015)

Schubste, als den Baslern die vorzeitige Meisterfeier in Zürich wie Sand durch die Finger rann, seinen Gegenspieler um. Beruhigte so führende Neurologen, die nach all seinen eiskalt verwandelten Elfmetern bereits rätselten, ob dieser junge Innenverteidiger überhaupt mit Nerven ausgestattet sei. War im Sommer aus der Challenge League zum FCB gekommen und ist nun der Aufsteiger der Saison.

Gaston Sauro (23, Vertrag bis 2016)

Erst im Sommer von den Boca Juniors gekommen und deswegen leider nicht mit der jüngeren Schweizer Fussballgeschichte vertraut. Drosch so den Ball gegen Cluj nicht in Walker-Manier aufs Stadion­dach, sondern wählte die Egli-Variante und spielte einen holpernden Rückpass auf Goalie Sommer. Läutete so das Aus in der Champions League ein, den Abgang von Trainer Vogel und die eigene Zukunft als Basler Ersatz. Ist, wenn Schär das Yang der Basler Innenverteidiger darstellt, das Yin. Wurde von Schär verdrängt und muss unzufrieden sein mit seiner Situation.

Arlind Ajeti (19, Vertrag bis 2014, Option bis 2016)

Der erste, aber kaum der letzte Ajeti im Fanionteam des FCB. Seine Brüder Adonis und Albian (16-jährige Zwillinge) haben bereits Profiverträge. Wurde beim grandios gescheiterten Versuch einer Dreierkette in Luzern weniger ins kalte Wasser denn ins Packeis geworfen und traf unglücklich ins eigene Tor. Trotzdem ein Versprechen für die Zukunft.

Radoslav Kovac (33, Vertrag aufgelöst, spielt bei Liberec)

Verkündete nach Yakins Inthronisierung froh, der neue Trainer sehe in ihm einen Abwehrchef. Brauchte dann bloss das Spiel in Luzern, um Yakin zur Überzeugung zu bringen: Das wird nichts mehr mit dem lustigen Tschechen.

Cabral (24, wechselt im Sommer zu Sunderland)

Eine Saison wie aus Bertolt Brechts Dreigroschenoper. Mochte in Basel vielleicht einen Plan haben, bloss scherte sich das Leben in Form der FCB-Trainer keinen Deut darum.

Musste vor der Saison mit wenig Einsätzen rechnen, wurde dann aber zu einer der wenigen Konstanten im Basler Zentrum. Schien dann im Winter seinen Stammplatz Knall auf Fall zu verlieren, bloss um beim Rückrundenstart auch für ihn selber unerwartet wieder von Beginn weg zu spielen. War unbestrittene Kraft im Basler Spiel, flog dann aber vor dem Tottenham-Spiel ausser Rang und Traktanden, um am Saisonende noch einmal wichtige Dienste zu verrichten.

Fabian Frei (24, Vertrag bis 2015)

Galt lange als Spieler mit grossem Potenzial. Unklar bloss, wie, wo und wann er dieses konstant ausschöpfen würde. Sah sich selbst im offensiven Zentrum, wurde von den Trainern aber oft auf den Flügel abgeschoben. Wurde nun von Yakin als Sechser praktisch neu erfunden. Wuchs so auf dem Platz und zudem als Persönlichkeit im Team und konnte von Captain Streller nicht nur beim Besuch des «Sportpanorama» vorgeschickt werden, sondern auch beim titel­sichernden Penalty in Bern.

Mohamed Elneny (20, Vertrag bis 2017)

Bei weitem der ruhigere, unspektakulärere der beiden FCB-Ägypter. Spielt manchmal so, dass man ihn fast übersehen könnte. Und ist doch ein Spieler, bei dem Trainer in Verzückung geraten. Diese Ruhe! Diese Passqualität! Diese Cleverness im Zweikampf! Diese Übersicht! Wurde von Null auf Hundert nach seinem Zuzug im Winter Stammkraft. Bislang ein Mann für die zweitletzten, aber nicht die letzten Pässe.

Geoffroy Serey Die (28, Vertrag bis 2016)

Im Winter angetreten mit dem Ruf eines Balljunge-ohrfeigenden Exzentrikers, der kaum einen Schuss an seinem in einen zu engen Trainingsanzug gequetschten Sittener Ex-Präsidenten vorbeibringt. Entpuppte sich in Basel angekommen als hart arbeitende Führungskraft auf dem Rasen, die das Team sofort stärker machte. Verlor gegen Saisonende jedoch merklich an Einfluss.

Marcelo Diaz (26, Vertrag bis 2016)

Verliess Chile als Star und landete als Nobody in der Schweiz. Kämpfte zu Beginn mit der Umstellung auf den europäischen Fussball und gegen Ende mit der Einstellung auf das Spiel yakinscher Prägung. Dazwischen mit ein paar Lichtblicken, von denen es gemessen an einer Transfersumme von 4,5 Millionen Franken auch etwas mehr hätte geben dürfen. Ist klein, aber nicht wuselig, kein offensiver Zehner, aber auch kein defensiver Sechser; irgendwie eine eierlegende Wollmilchsau, bislang bloss ohne Eier, Wolle, Milch und Fleisch. Ob Yakin nächste Saison eine Position für ihn (er-)findet?

Mohamed Salah (20, Vertrag bis 2016)

Wurde dem FCB vom ex-Club fläschlicherweise als Rolls-Royce angepriesen. Ist vielmehr ein Ferrari: blitzschnell, spektakulär und manchmal trotz insgesamt 21 Scorerpunkten noch etwas mehr fürs Bling-Bling besorgt denn für reellen Nutzwert. Dürfte mit seinen hochfliegenden Abschlüssen bald für einen neuen Eintrag ins Baseldytsch-Wörterbuch zwischen «aagwööne» und «aahaa» sorgen: «Ägypterschuss».

Valentin Stocker (24, Vertrag bis 2016)

Schraubte sich gemeinsam mit dem Team zum Frühjahrsbeginn in höchste Sphären – hielt die Flughöhe aber auch dann noch, als seine Mitspieler reihenweise abstürzten wie einst Ikarus ins Ägäische Meer. War von Yakin im Spätherbst noch als Stabilisator im Zentrum gebraucht worden, wuchs aber erst nach seiner Rückversetzung auf den Flügel zu wahrer Grösse heran. Lernte das yakinsche Prinzip Erholung durch Offensive kennen: Durfte sich oft ganz der Arbeit nach vorne widmen, kam so während der Spiele immer wieder zu Verschaufpausen und sammelte Scorerpunkte wie wild. Steht (erneut) vor der Entscheidung, ob er Basel im Sommer verlassen soll.

David Degen (30, Vertrag bis 2015)

Blühte unter seinem ehemaligen Mitspieler Yakin auf und spielte einen guten Herbst. Versank danach aber in irgend einem Loch, aus dem er nicht mehr herausfand. Wirkte oft zu sehr mit sich beschäftigt, um dazu noch mit seinen Nebenspielern funktionieren zu können.

Gilles Yapi (31, Vertrag läuft aus)

Sein lange angekündigter Abgang nach Basel wird in Bern noch immer für den Verlust des Titels 2010 verantwortlich gemacht. Sein lange angekündigter Abgang aus Basel schien niemanden wirklich zu beschäftigen. Schon unter Vogel trotz feiner Technik kein Publikumsliebling, unter Yakin schnell aussortiert, bleibt von dieser Saison eines in Erinnerung: sein Tor aus rund 45 Metern gegen die Grasshoppers.

Marco Streller (31, Vertrag bis 2015)

Wirkte vor dem Rückrundenstart fast so, als überlege er sich, den Bettel hinzuschmeissen. Schwang sich dann aber via Europa League zu ungeahnten Höhen auf und verlängerte seinen Vertrag, ehe er sich am Schluss «auf dem Kieferknochen» ins Ziel schleppte. Ärgert sich vielleicht ein wenig darüber, dass er die Torjägerkrone nicht gewonnen hat, die ihm Alex Frei überlassen wollte. Freut sich aber ganz sicher darüber, dass jene vergebene Torchance in der 93. Minute gegen GC nicht zum Sinnbild der Basler Saison wurde. Ist als einfühlsamer Captain unverzichtbarer Eckpfeiler im Team und mit seinem rotblauem Herzblut ebenso wichtig für die Verankerung des Clubs in der Region. Und wenn ihn der Trennungsschmerz nach dem Abgang von Alex Frei plagt, dann rufen wir ihm mit Udo Lindenberg zu: «Hinter dem Horizont geht’s weiter!»

Alex Frei (33, seit April Sportchef des FC Luzern)

Tat, was er in seiner Karriere kaum einmal getan hat: Verschoss in der Qualifikation zur Champions League einen Penalty. Wurde von Yakin als König begrüsst, bald in die Provinz auf den linken Flügel verbannt und etwas später ins Exil auf der Bank. Dachte erst, es sei eine gute Idee, als designierter Sportchef des FC Luzern die Saison in Basel zu Ende zu spielen. Verabschiedete sich Mitte April dann doch, und zwar so, wie es sich für einen abtretenden Torjäger gebührt: mit einem magischen Freistosstor und Tränen.

Raul Bobadilla (25, Vertrag bis 2017)

Kam im Winter von den Young Boys und beeindruckte mit den Gardemassen einer Wohnwand. War erst gesperrt, dann verletzt – und danach von viel Willen und wenig Form angetrieben. Begann im letzten Saisonspiel mit dem Tore­schiessen. Was aussah wie ein Versprechen für die kommende Spielzeit.

Jacques Zoua (21, Vertrag bis 2015)

Hat vordergründig mit zehn Scorerpunkten in 43 Spielen eine gar nicht mal so schlechte Bilanz. Traf aber eigentlich bloss, wenn die Gegner aus Tallinn kamen oder Amriswil oder Chiasso. Könnte in der kommenden Saison ausgeliehen werden.

Restliche Spieler, die in dieser Saison eingesetzt wurden

Germano Vailati (32, Vertrag bis 2015)

Endogan Adili (18, Vertrag bis 2016)

Stiess im Januar 2013 von den Grasshoppers zum FCB.

Simon Grether (21, Vertrag bis 2014)

Im Februar an Bellinzona ausgeliehen.

Darko Jevtic (20, Vertrag bis 2015)

Stephan Andrist (Vertrag bis 2014)

Wurde im September an den FC Luzern ausgeliehen.

Stjepan Vuleta (Vertrag bis 2015)

Wurde im Februar an Wil ausgeliehen.

Kwang Ryong Pak (Vertrag bis 2016)

Wurde im Januar 2013 an Bellinzona ausgeliehen.

Admir Seferagic (18)

Spielte den Rest der Saison mit der U21 in der 1. Liga Promotion.

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