Mit dem Wechsel von Basel zu Hoffenheim musste Fabian Schär die Umstellung vom Seriensieger zum Abstiegskandidaten schaffen. Nach einer schwierigen Saison greift der Innenverteidiger am Samstag mit der Nationalmannschaft gegen Albanien ins EM-Geschehen ein.
«Früher», sagt Fabian Schär, «waren die Schweizer froh, wenn die Nationalmannschaft überhaupt an einer Europameisterschaft teilgenommen hat.» Heute sei das nicht mehr so: «Teilweise sind die Erwartungen sehr hoch, wir dürfen nicht vergessen, dass wir die kleine Schweiz sind.»
Aber der Innenverteidiger will seine Mannschaft, die am Samstag (15 Uhr) in Lens gegen Albanien in das EM-Turnier startet, nicht kleiner machen als sie ist: «Es ist schön, dass wir so viele gute Spieler haben und die Leute etwas von uns erwarten. Und es liegt ja auch im Bereich des Möglichen, dass wir etwas erreichen.»
Fabian Schär formuliert eher ausgewogen und zurückhaltend, ohne sich aber vor klaren Urteilen zu drücken. Der Mann aus Wil würde nie sagen, dass die Schweiz das Überraschungsteam des Turniers werden kann, so wie das sein Teamkollege Granit Xhaka tut, Schär sagt stattdessen: «Ein Aus in der Vorrunde wäre eine Enttäuschung.»
Für ihn ist Frankreich Favorit in der Gruppe und des gesamten Turniers, Rumänien nur schwer zu schlagen und über Albanien müsse man nichts mehr sagen, sagt Schär. Ausser: «Das wird ein heisses Spiel.» Die Begegnung steckt voller Emotionen, nicht nur weil Granit Xhaka für die Schweiz aufläuft und sein Bruder Taulant für Albanien.
» Die Albaner bewegt mehr als nur der Ball / Autor Daniel Theweleit über die albanische Mannschaft
Sechs Spieler mit albanischen Wurzeln stehen im Kader der Schweiz, acht Spieler spielen für Albanien, die in der Schweiz aufgewachsen sind. Albaner bilden eine der grössten Zuwanderungsgruppen in der Schweiz.
Zwischen einem der besten Aussenverteidiger-Duo Europas
Schär wird mutmasslich mit Johan Djourou vom Hamburger SV die Innenverteidigung bilden. Auch von deren Stabilität wird abhängen, wie weit die Schweiz tatsächlich kommen kann. Mit Ricardo Rodriguez (Wolfsburg), links, und Stephan Lichtsteiner, rechts, verfügen die Schweizer über eines der beiden besten Aussenverteidiger-Pärchen Europas.
Aber wie gut ist Fabian Schär in Form, nach einer unbefriedigenden Saison in Hoffenheim?
Von Hoffenheim zur Nationalmannschaft gereist, um keinesfalls in der Vorrunde zu scheitern. (Bild: Keystone/JEAN-CHRISTOPHE BOTT)
Mit grossen Hoffnungen war er vergangenen Sommer vom FC Basel nach Deutschland gewechselt. Doch statt um die Europapokalteilnahme ging es mit Hoffenheim gegen den Abstieg. Erst mit dem 28 Jahre jungen Trainer Julian Nagelsmann gelang in den letzten 14 Spielen doch noch der Klassenerhalt.
Zuvor erlebte Schär, wie die Trainer Markus Gisdol und Huub Stevens vergeblich versuchten, die Wende herbeizuführen. «Die Saison ist nicht so gelaufen, wie wir uns das vorgestellt haben. Vor allem die Vorrunde nicht. Für mich persönlich war es auch nicht die beste Runde», gibt Schär zu.
Die Konfrontation mit mehr Defensivarbeit
Die Anpassung an einen neuen Verein, eine Fussballkultur mit mehr Wettbewerb und eine neue Mannschaft haben Schär mehr Probleme bereitet als erwartet. Der Innenverteidiger galt wegen seiner Passsicherheit im Aufbauspiel als Königstransfer, den sich die TSG angeblich rund fünf Millionen Euro kosten liess (Vertrag bis 2019). Doch schon die Vorbereitung stellte mit ungewohnt langen Läufen eine Herausforderung dar, Schär war dies aus Basel nicht gewohnt.
Auch die auf Umschaltspiel basierende Spielidee in Hoffenheim bedeutete für Schär im Vergleich zur dominanten Spielweise des Serienmeisters FC Basel eine grundsätzliche Umstellung.
Schär sagt: «Es ist ein Riesenunterschied, ob du in jedes Spiel als Favorit gehst, so wie in Basel. Bei Hoffenheim bist du mit mehr Defensivarbeit konfrontiert, worauf ich mich sicher einstellen musste.»
Im Verlauf der Vorrunde verlor er seinen Startelfplatz und kam erst unter Nagelsmann am Ende wieder regelmässiger zum Einsatz, ohne ganz zu überzeugen. Schär glaubt, dass die negativen Erfahrungen aus der alten Saison für ihn Positives bewirken können.
Die Erfahrung, hohe Erwartungen nicht zu erfüllen
«Ich habe vieles erlebt, was ich so nicht kannte.» Rückschläge war er ja nicht gewohnt, seit es in seiner Profikarriere beim FC Wil, in Basel und der Nationalmannschaft immer nur bergauf gegangen war. Schär muss nun beweisen, auch in der Bundesliga kontinuierlich den Anforderungen und dem Tempo gewachsen zu sein.
Er hat seine Lehren gezogen: «In Deutschland musst du in jedem Spiel 100 Prozent abrufen, sonst geht es nicht.»
Das gilt natürlich auch für die EM. Trainer Vladimir Petkovic fordere dominanten Fussball von der Nationalmannschaft, sagt Schär. Eine Spielweise, die dem einst vom zentralen Mittelfeldspieler zum technisch guten Innenverteidiger umgeschulten Profi liegt.
Fabian Schär hat in der vergangenen Saison erlebt, was es bedeutet, hohe Erwartungen nicht erfüllen zu können. Vielleicht hilft ihm das nun bei der Nationalmannschaft, die ja auch erst beweisen muss, aus den hohen Erwartungen positive Energie zu ziehen.
(Bild: Keystone/JEAN-CHRISTOPHE BOTT)