Auf den ersten Blick eine Partie, die niemand braucht: Eine Woche vor dem Cupfinal treffen der FC Basel und der FC Sion an diesem Donnerstag (19.45 Uhr) in der Meisterschaft aufeinander. Doch beide Mannschaften wollen sich mit unterschiedlichen Motiven einen Vorteil daraus verschaffen.
Die Rückkehr Walliser Glücksgefühle: Interimstrainer Sébastian Forunier gratuliert seinem Goalgetter Moussa Konaté beim Heimsieg gegen Lugano. Eine Woche vor dem Cupfinal gegen den FCB wollen die Sittener beim Punktspiel in Basel Platz in der Super League verteidigen.
(Bild: Keystone/TaWo)Unter Druck: Sittener Freistossmauer beim 0:1 daheim gegen YB, eine von drei Niederlagen in Serie, die Platz 3 in Gefahr gebracht haben.
(Bild: Keystone/Jean-Christophe Bott)Erste-Hilfe-Massnahme: Sion-Präsident Christian Constantin in Isérables oberhalb von Martigny, wo er die Mannschaft Anfang der zweiten Mai-Woche zusammengezogen hatte.
(Bild: Keystone/Jean-Christophe Bott)Erste-Hilfe-Massnahme: Interimstrainer Sébastien Fournier mit seinen Spielern in Isérables.
(Bild: Keystone/Jean-Christophe Bott)Auch wenn es steil ist: Militärischer Drill ist das dann doch nur in der Phantasie des «Blick». (KEYSTONE/Jean-Christophe Bott)
(Bild: Keystone/Jean-Christophe Bott)Der Trainer geht voran: Sébastien Fournier in Isérables, wo Sion-Präsident Christian Constantin die Mannschaft vor dem Lugano-Spiel zusammengezogen hatte.
(Bild: Keystone/Jean-Christophe Bott)Von wegen Kasernierung: Christian Constantin höchstpersönlich richtet in Isérables die Kaffeetafel für seine Spieler her.
(Bild: Keystone/Jean-Christophe Bott)Vor zwei Jahren einer der entscheidenden Spieler im Cupfinal: Der Einsatz des Ex-Baslers Carlitos (rechts, hier gegen den Berner Michael Aebischer) ist gegen den FCB fraglich.
(Bild: Keystone/Jean-Christophe Bott)Hat gegen Lugano wieder das Tor gefunden: Sion-Goalgetter Moussa Konaté.
(Bild: Keystone/Olivier Maire)Legt Wert auf das Defensivverhalten seiner Mannschaft: Sions Interimstrainer Sébastien Fournier.
(Bild: Keystone/Olivier Maire)Es ist typisch für das Wallis, wo Hochs und Tiefs in der Befindlichkeitsskala der Fussballfans noch schneller wechseln als anderswo. Typisch also, dass nach drei Niederlagen in Serie das 2:0 am Samstag gegen Lugano reichte, um die Stimmung zu drehen. Der Sieg hat, so sagen Beobachter, Ruhe ins Tal gebracht und der Mannschaft von Interimstrainer Sébastien Fournier Luft verschafft.
Am 25. Mai steht der Cupfinal an, so etwas wie der höchste vorstellbare Feiertag für die Walliser Fussballseele. Die 10’000 vom Verband zugeteilten Tickets sind längst weg und die Sion-Fans begeben sich inzwischen in Basel auf die Suche. Mit gutem Grund: Der FCB hat erst gar nicht das volle Kontingent beim SFV abgerufen und sitzt noch auf einem guten Teil der anderswo sehr begehrten Endspielkarten.
Eine Woche zuvor steht das Meisterschaftsspiel zwischen den beiden Finalgegnern etwas schräg in der Landschaft. Einerseits findet FCB-Trainer Urs Fischer diese Konstellation eigentlich «eine Katastrophe». Anderseits: Mit einem Sieg und einer überzeugenden Leistung gegen Sion könne man in Basel «das Selbstvertrauen aufrechterhalten».
Platz 3 als Garantie – egal, wie der Cupfinal ausgeht
Und für den FC Sion geht es an diesem Donnerstag darum, am Erhalt des dritten Platzes in der Super League zu arbeiten. Das hat Christian Constantin gegenüber dem «Le Nouvelliste» betont und zum vorrangigen Ziel erklärt. Die Rechnung des Sion-Präsidenten geht einfach: Platz 3 garantiert die direkte Qualifikation zur Europa League, ganz egal, wie der Cupfinal ausgeht.
Denn für den Fall, dass der FC Basel als bereits feststehender Teilnehmer an der Champions League den Cup gewinnt, sieht das Reglement vor, dass der fixe Startplatz in der Europa League dem Tabellendritten zufällt. Das heisst: Gibt der FC Sion seinen nach dem Sieg von Lugano am Dienstag auf einen Punkte geschmolzenen Vorsprung noch preis, müsste er mit der Qualifikationsrunde zur Europa League vorlieb nehmen – wenn er denn das Endspiel gegen Basel verliert.
Der FCB und Sion haben nichts voreinander zu verbergen
Solches ist im Wallis natürlich schier unvorstellbar. 13 Finalteilnahmen seit 1965 und 13 Finalsiege haben einen Mythos geschaffen, zementiert noch durch den jüngsten Erfolg vor zwei Jahren: in Basel gegen Basel und mit einem rauschenden 3:0 gegen einen völlig derangierten FCB.
* Erstmals seit Regeleinführung 1984 Entscheidung im Penaltyschiessen statt Wiederholungsspiel ** Erster Cupsieg eines unterklassigen Vereins seit 1925 |
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Die 13 Endspiele des FC Sion im Schweizer Cup | |||
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Jahr | Ort | Begegnung | Resultat |
1965 | Bern | FC Sion–Servette FC | 2:1 |
1974 | Bern | FC Sion–Neuchâtel Xamax | 3:2 |
1980 | Bern | FC Sion–Young Boys | 2:1 |
1982 | Bern | FC Sion–FC Basel | 1:0 |
1986 | Bern | FC Sion–Servette FC | 3:1 |
1991 | Bern | FC Sion–Young Boys | 3:2 |
1995 | Bern | Grasshoppers–FC Sion | 2:4 |
1996 | Bern | Servette FC–FC Sion | 2:3 |
1997 | Bern | FC Luzern–FC Sion | 4:5 n.P (3:3)* |
2006 | Bern | Young Boys–FC Sion | 3:5 n.P (1:1)** |
2009 | Bern | Young Boys–FC Sion | 2:3 |
2011 | Basel | Neuchâtel Xamax–FC Sion | 0:2 |
2015 | Basel | FC Basel–FC Sion | 0:3 |
Das spielt an diesem Donnerstag noch keine Rolle. Fischer gedenkt nicht, gross zu taktieren, glaubt auch nicht, dass dies die Sittener tun werden, und fragt rhetorisch: «Haben wir noch etwas voreinander zu verbergen?» Durchschnittlich vier Änderungen nimmt Fischer von Mal zu Mal in seinen Startaufstellungen vor, frühe Cuprunden eingeschlossen, und er sagt zu seinen Überlegungen: «Bei jeder Variante spricht etwas dafür oder dagegen.»
Seydou Doumbia im Angriff, weil Andraz Sporar noch nicht zur Verfügung steht, Davide Callà am Flügel und der genesene Taulant Xhaka im Mittelfeld – das sind Möglichkeiten zur Durchmischung. Und vielleicht bekommt auch ein Dauerläufer wie Michael Lang noch einmal eine schöpferische Pause.
Trainer Fischer ändert die Tonlage
Im Gegensatz zur Situation vor zwei Jahren, als unter Paulo Sousa der Betrieb heruntergefahren wurde und der FCB die grosse Meistersause hinter sich hatte, als er eine Woche später im Basler Final auf Sion traf und nicht parat war, steht nun alles unter dem Vorzeichen: Spannung hoch halten. Das ist dem FCB, seit er als alter und neuer Meister feststeht, beim 2:2 in Lugano und beim 3:3 gegen Thun vergangenen Sonntag nur bedingt gelungen.
«Zum Teil sehr gut, phasenweise aber eben auch überhaupt nicht gut», beurteilt Fischer die Auftritte, und deshalb sagt er vor dem Sittener Gastspiel und der am Sonntag folgenden Auswärtsaufgabe gegen YB: «Für uns geht es eben doch um etwas in diesen Spielen. Deshalb habe ich meine Tonart auch geändert nach Lugano und Thun. Das hat mit der Situation zu tun, und die passt mir nicht.»
Es sei, räumt Fischer ein, «unheimlich schwierig», die mentale Spannung und Intensität hoch zu halten: «Das ist einfach gesagt, aber nicht einfach umgesetzt.» Warnung sind ihm die Schilderungen aus dem unmittelbaren Umfeld: «Wir haben Leute im Staff und unter den Spielern, die vor zwei Jahren erlebt haben, dass es nicht funktioniert hat.»
Zeidler erkannte die Zeichen im Wallis nicht
Motivationsprobleme irgendwelcher Art gibt es dagegen im Wallis nie, wenn irgendwo «Schweizer Cup» draufsteht. Daran ändert auch das Ziel «Platz 3 in der Liga» nichts. Cup ist Cup, Final ist Final, und weil sich die Sache mit dem 13. Stern ausgereizt hat, findet sich ein neuer Kniff: Der Finalort Genf wird kurzerhand zum 14. Bezirk erhoben. Und im Stadion von Servette, dem grössten aller Kontrahenten, den Pokal zu gewinnen, gilt nun als das höchste der Glücksgefühle. Oder umgekehrt: Dort zu verlieren ist nicht erlaubt.
Weil Christian Constantin die Saisonziele in Gefahr sah, hat er Peter Zeidler vor drei Wochen das Traineramt entzogen. Der Deutsche, in seiner Anfangszeit gefeiert in Sion, weilt nach wie vor im Wallis, hat einen gültigen Arbeitsvertrag mit dem FC Sion, muss aber nichts dafür tun.
Unter Zeidler war in diesem Frühjahr der Torschnitt von 2,8 auf 1,1 gefallen, gescheitert ist er letztlich aber auch daran, die Zeichen falsch gedeutet zu haben. Denn die gnadenlose Hire-and-Fire-Mentalität im Walliser Fussball hat Fortbestand, und Zeidler musste lernen: Es kann sich viel ändern im Leben, nur Meister Constantin ändert sich nicht.
Zeidlers Nachfolger Sébastian Fournier legt erstaunlicherweise den Fokus auf das Defensivverhalten seiner Mannschaft. Und das ohne den seit Wochen mit mysteriösen Rückenproblemen ausfallenden Captain und Abwehrchef Reto Ziegler. Für die Partie in Basel kommen nun noch erschwerend die Sperren von Rechtsverteidiger Nicolas Lüchinger und Innenverteidiger Jérémy Taravel hinzu.
Mit CC in den Bergen
Wie auch immer: CC hat vergangene Woche einen seiner berühmten Kniffe angewandt und die Mannschaft in die Berge beordert. In Isérables, auf 1100 Metern oberhalb von Martigny investierte der Präsident seine Zeit und verbrachte drei Tage und Nächte mit Spielern und Trainern. Anders als medial transportiert (beim «Blick» firmierte der Ausflug militärisch-martialisch unter «Wiederholungskurs»), vermittelten die Bilder aus dem Bergdorf eher Sommerfrische: Der Präsident etwa, wie er die Kaffeetafel herrichtet, die Mannschaft beim zwar steilen, aber idyllischen Spaziergang.
Das anschliessende 2:0 gegen Lugano, der erste Sieg unter Fournier, hat eine Serie von drei Niederlagen durchbrochen. Und schon schaut das Wallis wieder ganz anders auf die Tabelle und den Cupfinal.